BeiratAktuell 53

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die alleine schon deshalb begründet sein soll, weil weniger als drei Angebote vor- gelegen haben. a) Einholen von Angeboten als bloße Formalie Dabei steht den Eigentümern bei der Be- schlussfassung über die Vergabe von Aufträgen ein weiter, gerichtlich nur ein- geschränkt überprüfbarer Ermessensspiel- raum zu. Daher besteht keineswegs die Pflicht, stets den billigsten Anbieter aus- zuwählen. Insofern sind nach der Recht- sprechung drei Angebote einzuholen, von denen zwei in der Eigentümerversamm- lung ohnehin ignoriert werden dürfen (BGH, Urteil v. 20.11.2015, V ZR 284/17; BGH, Urteil v. 22.6.2012, V ZR 190/11). Daher kann man schon davon sprechen, dass die Einholung von Vergleichsange- boten zu weiten Teilen zu einer bloßen Formalie degeneriert ist, die nur dem Zweck dient, Beschlussanfechtungsklagen zu provozieren, obgleich die Entscheidung der Eigentümer, einen bestimmten An- bieter auszuwählen, regelmäßig feststeht und auch rechtmäßig ist. b) Entbehrlichkeit der Einholung mehrerer Angebote Die Einholung von Vergleichsangeboten ist kein Selbstzweck. Sinn der von der Rechtsprechung aufge- stellten Forderung nachVorlage vonVer- gleichsangeboten ist es, die Wohnungs- eigentümer davor zu schützen, sachlich nicht erforderliche Maßnahmen zu be- schließen oder mangels Einholung ande- rer Angebote überhöhte Preise zu zahlen. Liegen somit Umstände bzw. Erkenntnis- se vor, nach denen davon auszugehen ist, dass weder das eine noch das andere zu befürchten ist, kann die Einholung von Alternativangeboten unterbleiben. Die auf die Vorlage „nur“ eines Angebots gestützte Beschlussfassung ist dann gleich- wohl rechtmäßig (Riecke/Schmid/Drabek, WEG, 4. Aufl. 2015, § 21 Rn. 205). So kann die Einholung vonVergleichsan- geboten bei der Wiederbestellung des bereits amtierendenVerwalters unterblei- ben, da die Eigentümer durch die voran-

gegangeneVerwaltungszeit genau wissen, was der Verwalter leistet und ob er seinen Preis wert ist (BGH, Urteil v . 1.4.2011, V ZR 96/10). Haben die Wohnungseigentümer eine Vorauswahl getroffen, indem Sie inten- siv über den Inhalt der gewollten Leistung und über die Angemessenheit des Prei- ses diskutiert haben, ist der Zweck der Einholung von Alternativangeboten er- reicht (BGH, Urteil v. 22.6.2012, V ZR 190/11). Für die Beauftragung eines bereits be- schäftigen Unternehmens, mit dem bei der Abwicklung des Erst-Auftrags gute Erfahrungen gemacht wurden, bedarf es bei im Wesentlichen deckungsgleichen Folgeaufträgen keiner Einholung weiterer Vergleichsangebote (OLGKöln, Beschluss v. 17.3.2006, 16 Wx 37/06). Bestehen Gebührenordnungen, die das Entgelt des Anbieters regeln, bedarf es ebenfalls keiner Vergleichsangebote, da die Honorare gleich sind (OLGMünchen, Beschluss v. 17.2.2009, 32 Wx 164/08), so fürArchitekten und Ingenieure (HOAI), Steuerberater (StBVV) und Rechtsanwäl- te (RVG). Handelt es sich um die Vergabe von be- sonderen Werkleistungen an Monopol- oder Spezialunternehmen (z.B. Betonsa- nierungsarbeiten, o.ä.), so kann die Einholung weitererAngebote unterbleiben, wenn seriöseVergleichsangebote anderer Unternehmen vor Ort kaum zu beschaffen, sind (LG Hamburg, Urteil v. 20.7.2016, 318 S 72/15). 3. Pflicht des Verwalters zur Einho- lung von Angeboten? Nach der überkommenen Rechtsauffas- sung soll es zu den Aufgaben des Ver- walters gehören, die Vergleichsangebote einzuholen und den Eigentümern vorzu- legen. Dabei enthält das WEG überhaupt keine explizite Regelung, welche die Einholung von Vergleichsangeboten vorschreibt. Lediglich § 29 Abs. 3 WEG regelt, dass u.a. „Kostenanschläge“, bevor über sie die Eigentü-merversammlung beschließt, vom Verwaltungsbeirat geprüft und mit dessen Stellungnahme versehen werden sollen.

Die überkommene Rechtsmeinung stützt die Pflicht zurAngebotseinholung darauf, dass es demVerwalter gem. § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG obliege, den baulichen Zu- stand des Gemeinschaftseigentums zu überwachen, Instandsetzungsbedarf fest- zustellen, die Eigentümer hierüber zu informieren sowie eine sachgerechte Beschlussfassung vorzubereiten. Daher habe der Verwalter zur Information der Eigentümer und zur Ermöglichung einer ordnungsmäßigen BeschlussfassungAn- gebote einzuholen (BGH, Urteil v. 20.11.2015, V ZR 284/17). Diese Rechtsauffassung ist indes nur teil- weise zutreffend, wie die nachfolgenden aktuellen Gerichtsentscheidungen doku- mentieren: LG Dortmund, Urt. v. 15.1.2016 - 17 S 112/15; AG Hannover, Urt. v. 19.09.2019, 482 C 2424/19; AG Hamburg- Blankenese, Urt. v. 23.1.2019 - 539 C 10/18; AG Bonn, Urt. v. 16.8.2018 - 27 C 52/18, ZMR 2018, 960; AG Charlottenburg, Urt. v. 3.5.2018 - 72 C 15/18; AG Charlotten- burg, Urt. v. 7.9.2017 - 72 C 32/17. Da gem. § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG primär dieWohnungseigentümer zur Ent- scheidung über die Durchführung von Maßnahmen der Instandhaltung und In- standsetzung des Gemeinschaftseigentums zuständig sind (durch Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung), ist das Einholen von Angeboten ist (auch) Auf- gabe der Wohnungseigentümer selbst. Hat ein Wohnungseigentümer selbst in- soweit nichts unternommen, kann er dies den anderen Eigentümern nicht als Man- gel ordnungsmäßiger Verwaltung vorwer- fen und eine (nur) hierauf gestützte Be- schlussanfechtungsklage ist zutreffender Weise abzuweisen. 5. Fazit Die oben aufgeführten Gerichtsentschei- dung sollten Pflichtlektüre sein. Verwalter undWohnungseigentümer sind nun aufgerufen, sich in vergleichbaren Prozessen mit den ihnen anhand gegebe- nen Argumenten (erfolgreich) zu vertei- digen. 4. Pflicht der Eigentümer zur Ange- botseinholung

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BEIRAT AKTUELL 53/IV-19

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