GOLF TIME 3/2022

STORY | GOLF & BEHINDERUNG

der Fahne entfernt. Und dann kam Tiger und gratulierte mir. Ich habe ihm die Hand geschüttelt. Es war ein tolles Gefühl, mein größter Sieg.“ Auf die Frage, welchen Rat Christian je mandem geben würde, der gerade ein ähnli ches medizinisches Trauma und eine daraus resultierende Behinderung durchgemacht hat, sagt er: „Es ist schwierig, weil jeder Mensch anders ist. Es ist schwer zu sagen, kommt alle her, ihr müsst nach vorne schau en und euren Weg finden. Ihr könnt auch im Rollstuhl ein gutes Leben führen. Aber ich kann den Leuten immer sagen, dass es in meinem Fall immer 50 Prozent sind. 50 Pro zent ein besseres Leben, ein interessanteres Leben. Aber zu 50 Prozent auch ein ärme res Leben. Man muss sagen, dass alles fünf mal anstrengender ist als für einen normal gehenden Menschen. Wenn man mit dem Auto fährt, wenn man in die Badewanne geht, es bedeutet alles immer fünfmal mehr Anstrengung. Aber in meinem Fall ist es auch 50 Prozent interessanter. Wegen mei ner Behinderung habe ich die Welt gesehen. Wir reisen mit der EDGA um die Welt und spielen Turniere. Man findet überall auf der Welt Freunde.“ „VERSUCHE, DAS LEBEN ZU GENIESSEN“ Dieser Rat mag praktisch sein, was folgt, ist dabei eher philosophisch. „Öffne deinen Geist. Versuchen Sie, Ihr Leben zu genießen, genießen Sie den Augenblick. Was können Sie in Ihrer Situation erwarten? Unabhängig von der Behinderung im Golfsport, was können Sie Gutes erwarten, aber halten Sie sich nicht mit den schlech ten Dingen auf. Genießen Sie den Moment, wenn die Sonne aufgeht und Sie irgendwo an einem guten Ort sind. Wenn es warm ist, genieße diese eine Sekunde. Das ist für mich das Wichtigste. Wenn du auch nur kleine Momente findest, in denen du sagst oder fühlst: ‚Das war ein glücklicher Moment.‘“ Christian erinnert sich an eine Wette mit einem Freund, bei der es darum ging, Ge wicht zu verlieren, und die Belohnung eine Reise nach San Francisco über New York sein würde. In Kalifornien angekommen, lebten die beiden Freunde ihren Traum: Sie fuhren in einem Mustang bei Sonnenaufgang über die Golden Gate Bridge und Christian spiel te ein Lied auf seiner Mundharmonika. „Das sind die Momente, an die du dich für den Rest deines Lebens erinnern kannst. Versucht, diese Momente zu finden. Das ist es, was ich diesen Menschen sagen kann.“ GT Wer sich für das Thema Behinderung im Golf- sport interessiert, der findet ausführliche Infor mationen zu allen damit verbundenen Aspekten auf der Homepage der European Disabled Golf Association (EDGA): www.edgagolf.com

Christian und Bettina Nachtwey mit Hündin Paula

DER EINZIGE IN DER STADT 1997 lebte Christian in einem Dorf mit nur 800 Einwohnern, wo viele den Firmenchef plötzlich anders sahen. „Es war gar nicht so einfach, ihnen klarzumachen, dass ich zwar nicht laufen konnte, aber im Kopf derselbe war. Sie schienen immer zu denken: ‚Ach, ich weiß nicht, nach dem Unfall könnte es sein, dass er auch ein bisschen dumm ge worden ist.‘ Das war die erste Erfahrung, als ich aus der Reha zurückkam. Es war sehr schwierig, weil ich der Einzige in der Stadt war. Ich war der Einzige – ich weiß nicht – in einem Umkreis von 20 Kilometern, der im Rollstuhl saß. Ein exotischer Typ. Ich erin nere mich, dass man in den ersten Monaten immer denkt, dass einen alle anstarren und sagen: ‚Oh, das tut mir aber leid, du sitzt im Rollstuhl.‘“ Aber allmählich begannen die Leute Christian wieder als Person zu akzep tieren und nicht nur als den Mann im Roll stuhl. In der Golf-Community ist Christian kaum auf Diskriminierung gestoßen und auch sein Heimatclub war sehr unterstützend, als er die ersten ParaGolfer ausprobierte und verbesserte. Als er „King of the Road“ war, wie er scherzt. Er sagt: „Ich habe bis heute nie jemanden auf dem Golfplatz getroffen, der gesagt hat, er wolle keine Rollstuhlfah rer. Vor allem nicht in meinem Golfclub, niemals. Aber auch auf allen anderen Golf plätzen der Welt. Niemals.“ Dieses positive Umfeld bef lügelte Christian mit seiner Be hinderung im Golfsport offensichtlich dazu, sein Talent auf den Fairways und Grüns voll auszuschöpfen. Er gewann sieben Mal die Deutsche Meisterschaft, einen Europameis ter-Titel und schlug sogar schon einmal Ti ger Woods. AKZEPTANZ IN DER GOLF-COMMUNITY

Seit 17 Jahren ist Christian Players‘ Captain des Handicapped Golf Club of Germany, der Menschen mit Behinderung im Golfsport vereint. Er fühlt sich in der familiären At mosphäre seines Clubs sehr wohl und er zählt, wie er kürzlich am 18. Loch spielte. „Ich hatte einen 20-Meter-Chip bis zur Fah ne und ich habe ihn bis auf einen Meter ans Loch gespielt. Es waren 20 oder 30 Leute auf der Terrasse und sie sagten: ‚Oh, habt ihr das gesehen, er war der Deutsche Meister.’ Das ist so toll. Es ist schön zu hören, wenn die Leute so reden, voller Respekt, anstatt zu sagen: ‚Oh, er sitzt ja im Rollstuhl.‘ Und ich bin immer offen für sie – ich gehe hin und sage: ‚Hast du meinen Chip gesehen? Der war toll, was? Komm vorbei und wir trinken ein Bier.‘“ Christian fügt hinzu: „Wenn du offen bist, wenn du positiv bist, sind die Leute offen für dich. Du bist ein Teil des Spiels. Und nach einem Loch interessiert es niemanden mehr, ob du im Rollstuhl spielst oder ob du laufen kannst. Du spielst dein Spiel, das war’s.“ ALS CHRISTIAN TIGER SCHLUG Und Sie haben nicht falsch gelesen, Christian hat tatsächlich einmal Tiger Woods geschla gen. Die beiden waren bei einer Wohltätig keitsveranstaltung in Hamburg anwesend (im Rahmen der Deutsche Bank – SAP Open 2004), bei der ausgewählte Spieler drei Schläge von einem künstlichen Abschlag auf ein schwimmendes Inselgrün schlugen. Tiger Woods, Justin Rose und Bernhard Langer vertraten die Tour-Profis. Tiger setz te einen Schlag ins Wasser und sein bester Ball lag am Ende etwa zwei Meter von der Fahne entfernt. „Der Sieger war Bernhard Langer. Bern hard hatte seinen besten Schlag 50 Zenti meter vor die Fahne gesetzt, und ich war mit meinem besten Schlag 1,5 Meter von

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