GOLF TIME 8/2017

COVER | XANDER SCHAUFFELE

HERO FROM ZERO TO

durch eine harte Schule. So war es ihm bspw. vorerst nicht erlaubt, bei Turnieren auf dem Par-3-Platz ein Tee zu benutzen. Xanders Vater wusste, dass sich diese Einschränkung später für das Spiel seines Sohnes auszahlen würde. Zudem unterwies er seinen Sohn in einer besonderen Form der Bewegungslehre (Geschwindigkeit entsteht aus der Trennung der Hebelkräfte von Hüfte und Schulter), die er aus seiner Speerwurftechnik selbst ent- wickelt hatte. Bis zu seinem 18. Geburtstag durfte sich Xander keine Videoanalyse seines Schwungs ansehen, weil Stefan Schauffele der Auffassung war, dies würde seinen Sohn nur verwirren. Als College-Golfer zählte Xander Schauffele zwar zu den Besten des Landes, doch er war kein Übertalent wie Justin Thomas oder Jordan Spieth, zu deren High-School- Abschlussjahrgang – der legendären „Klasse von 2011“ – auch er gehört. Doch gemäß dem schwäbischen Wahlspruch „Schaffe, schaf- fe!“ und dank seiner Spitzensportlergene (zwei seiner Ur-Großväter waren sogar Profi- fußballer u. a. beim VfB Stuttgart) machte Xander durch unglaublichen Trainings- fleiß das wett, was ihm nicht in die Wiege gelegt worden war. So besuchte er Spätkurse an der Uni, um mehr Zeit für sein Golfspiel zu haben. Nach seinem Fitnessprogramm um 6.30 Uhr morgens klingelte er umgehend seinen Teamkameraden Austin Kaiser aus dem Bett. „Ich bin noch müde, habe ich ge- jammert“, erinnert sich Kaiser. „Ich will keine Bälle in der sengenden Sonne schla- gen!“ Doch Xander wartete unerbittlich vor der Tür seines Freundes, bis dieser endlich ins Auto einstieg. Der Beziehung der beiden hat es nicht geschadet, Kaiser arbeitet heute als Schauffeles Caddie. Im Juni 2015 wurde Xander Schauffele Profigolfer und meldete sich für die Quali- fying School der Web.com-Tour an. Er wurde Zweiter in der ersten Aus- scheidungsrunde und gewann in Stufe 2 sogar das Turnier. Im Finale, bei dem viele er- fahrene Profis mitmischten, musste er mindestens den ge- teilten 45. Rang belegen, um einen eingeschränkten Status auf der Nachwuchstour zu er- halten. Trotz extrem windiger Bedingungen schaffte er eine 70 auf demPGANational in Florida und damit eine Punktlandung auf dem geteilten 45. Platz. Es sollte nicht das letzteMal sein, dass Schauffeles golferisches Weiterkommen an einem einzi- gen Golfschlag hängen würde.

Sofort gelingt Xander der Sprung auf die PGA Tour, wo er als Rookie für die Top- Events noch nicht startberechtigt war. Also versuchte er, wie so viele seiner Kollegen, sein Glück beim U.S. Open Regional Qualifier in Memphis, Tennessee. Als er dort am Finaltag auf dem 18. Grün über seinem Ball brütete, wusste er, dass er seinen Birdie-Putt verwan- deln musste, um ein Fünf-Mann-Stechen zu erreichen, in dem es um zwei Startplätze bei dem Major-Turnier geht. Sein Ball fiel ins Loch und auch im Play-off konnte Xander sich durchsetzen. Nur zehn Tage nach diesem Glücksmoment versucht sich die Golfwelt kollektiv an der korrekten Aussprache des Namens „Schauf- fele“. Denn dem 23-jährigen Deutsch-Amerikaner gelingt als erstem Debütanten in der 122-jäh- rigen Geschichte der U.S. Open eine fehlerfreie Auftaktrunde. Nach vier Tagen erreichte Xander einen geteilten fünften Rang bei dem Major-Turnier. „In Erin Hills cool und abgeklärt geblie- ben zu sein und es nicht zu vergeigen, das hat mich wirklich auf ein anderes Level ge- bracht“, sagt Schauffele über diesen ersten Erfolg 2017. „Mein Vater scherzt immer, dass Selbstvertrauen eine kleine Pflanze sei, die ewig braucht, um zu wachsen, aber nur eine Sekunde, um zertreten zu werden. Diese Pflanze ist bei der U.S. Open ganz schön schnell gewachsen. Sie ist dort fast zu einem Baum gereift.“ Der nächste „Schicksalsschlag“ folgte Anfang Juli am Finaltag der Greenbrier Classic. Schauffele beförderte seinen Abschlag auf der 18. Bahn, einem 150 Meter langen Par 3, so nah an die Fahne, dass er ein Birdie spielen und seinen ersten Sieg auf der PGA Tour feiern konnte. Nur sechs Spieler schafften es im Saisonverlauf, ein Turnier durch ein Birdie auf dem letzten Turnierloch für sich zu entscheiden. Und Schauffele ge- lang dieses Kunststück sogar gleich zweimal.

AUFSTIEG Oktober 2016 gelingt Xander der Aufstieg auf die PGA Tour nach nur einem Jahr als Golfprofi

HISTORISCH Bei seiner ersten U.S. Open kann sich

Schauffele mit einer fehler- freien Auftaktrunde in die Golfgeschichtsbücher eintragen

LAST-MINUTE-SIEG Xander macht mit einem Birdie auf dem 72. Loch der Green-

brier Classic seinen ersten Turniersieg perfekt

EURO-TRIP Dank seines ersten PGA Tour-Sieges darf Schauffele bei der Open Champion- ship in Royal Birkdale mitspielen

ENG, ENGER, XANDER Ein Ergebnis von –6 auf den letzten sechs

Bahnen der BMW Championship er- möglicht die Teil- nahme an der Tour Championship

AN DER SPITZE Beim Finale des FedExCup schafft

Xander die Sensation, als er die Tour Cham- pionship gewinnt

22

GOLF TIME | 8-2017

www.golftime.de

Made with FlippingBook Annual report