GOLF TIME 8/2017

GÖTZ ZITAT

Der Fluch der alternden Champions

D ie „55+“-Mitglieder sind Brot und Butter jedes Golfclubs. In diesem Alter nagen die zwei großen „K“ (Kinder, Karriere) für gewöhnlich nicht mehr ganz so hungrig an der Lebenszeit, dafür durfte meist schon am eigenen Leib er- fahren werden, dass nun die Uhr selbst scharfe Zähne besitzt. Schon im Alter von 25 Jahren setzt beim menschlichen Körper der Alterungsprozess ein, weshalb sich das Gros der Golfer mit einem in der fortschreitenden Selbstauflösung befind- lichen Vehikel herumschlagen muss. Viele Spieler, die ohnehin erst im Seniorenalter ihre Liebe zum Golf entdeckt haben, empfin- den dieses Schicksal als unkritisch. Für sie ist Golf vornehmlich eine Freizeitbeschäftigung, die körperlich und geistig gesund halten soll. Ganz anders sieht es bei den einstigen Platz- hirschen aus, die es früher gewohnt waren, Clubmeister-Titel zu gewinnen, Bruttoreden zu schwingen und unter der Golfkappe einen vollen Haarschopf vorzufinden. Für diese elitäre Spielergruppe bietet Golf mit den Jahren einen idealenNährboden für eine schleichende Alters- depression. Mit 18 Jahren war er noch das gefeierte Vor- zeigetalent des Clubs, ein Spitzengolfer mit Plus-Handicap, der von einer Karriere auf der Tour träumte. Doch beim Vergleich auf natio- naler Ebene stellte dieser große Fisch aus dem Golfclubteich schnell fest, dass er sich im Frei- wasser als eher kleiner Hecht ausnahm. Nach einer Dekade, die in erster Linie von Aus- bildung und Berufseinstieg geprägt war, ver- waltet unser einstiger Serienclubmeister ein solides Handicap 4, versteht sich jedoch noch immer als Leistungsträger der 1. Mannschaft. Bis er irgendwann ernsthafte Schwierigkeiten bemerkt, mit seinen scheinbar immer jünger werdenden Mitspielern zu „connecten“. Diese Jungs, die ihn doch erst gestern noch mit schüchterner Bewunderung während seines Trainings beobachtet hatten, dreschen die Kugel nun allesamt wenigstens 30 Meter weiter

als der ehemalige Champion und faseln zudem fortwährend unverständliches Zeug. Der Ball im Aus ist ein „Epic Fail“ und alle im Team heißen aus einem unerfindlichen Grund „Alter!“ mit Vornamen. Und schon einen Tag nach dem 30. Geburtstag wird „der Opa“ schließlich mit einem fröhlichen „Yolo, Alter!“ vom Mannschaftskapitän (18 Jahre, 1. Semester „Irgendwas mit Medien“) zur AK30 entsorgt. Dort kann er sich jedoch zumindest als „die Geheimwaffe, die uns in die Bezirksliga Gruppe 4 pushen wird“ feiern lassen. In den folgenden 20 Jahren führen die ein- gangs vorgestellten zwei „K“ dann allerdings dazu, dass die einzige golferische Einstelligkeit, die er noch auszuleben imstande ist, die Anzahl der im Jahr gespielten Golfrunden darstellt. Als dann endlich die zweite Blütezeit im Leben eines Golfers anbricht, darf unser Spitzengolfer von damals bei der Clubmeisterschaft auch schon beim Kampf um den Seniorentitel mitmischen. Nun ist vor allem eine gefestigte Persönlichkeit gefragt, die es akzeptieren kann, dass die im Alterskontext durchaus noch beachtlichen Golfqualitäten der Gegenwart nichts mehr mit den Superlativen des Jünglings von einst zu tun haben. Leider mutiert in dieser Phase so man- cher Ex-Scratcher zum „Reverse Bagger“, dem jedes Mittel recht ist, um das niedrige Handi- cap zu konservieren. Sei es durch das Leder- Wedge, den Radiergummi oder das Vor- täuschen einer Verletzung, wenn der Schon- bereich in unerreichbare Ferne entrückt ist. Dabei beweisen Bernhard Langer oder Gary Player, dass Spitzengolf keine Frage des Alters sein muss. Junge Golfer bewundern die erfahre- nen Senioren für ihr magisches Kurzspiel oder ihre Präzision von den Abschlägen. Wer es jedoch so gar nicht verarbeiten kann, dass die Landezonen von einst nur noch vom Seniorenabschlag zu erreichen sind, sollte sich lieber Sportarten zuwenden, in denen alterslose Maschinen wie Boote oder Autos die Hauptrolle spielen, deren Leistungsfähigkeiten durch Geld- mitteleinsatz unendlich steigerbar sind. GT

GÖTZ SCHMIEDEHAUSEN Seit 2011 Mitarbeiter bei

GOLF TIME. Kann schon mal mit dem Training für die Senioren- clubmeisterschaft 2019 beginnen, wenn er erstmals für diesen Wettbewerb startberechtigt ist.

»Das Gros der Golfer muss sich mit einem in der fortschreitenden Selbstauflösung befindlichen Vehikel herumschlagen«

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GOLF TIME | 8-2017

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