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THEMA

Abschied auf Intensivstation Wie ein Team hilft, dass der Abschied von der eigenen Mutter gut gelingt. W eit nach 22 Uhr stehen wir mit vier Geschwistern an einem regnerischen

Pflegenden und Ärzten Mamas Bedürfnisse zu vermitteln: bitte keine Fixierung; sollte sie wach werden, muss sie mit den Hän- den sprechen können. Bitte alles in einfachen Worten aufschreiben und ihr vor die Augen halten. Bitte deutliche Gesten nutzen, um ihr anzuzeigen, was als Nächstes ge- schieht. Es wurde stark emotional, als uns klar wurde, dass sie nicht ins Leben zurückfinden würde, aber das ganze Team begleitete, stützte und vertraute uns in die- sem schwierigen Prozess. Schwer genug, zeitig eine Patientenver-

fügung vorzubereiten, aber noch schwerer, für Mamas Entschei- dung einzutreten, nicht weiter be- atmet zu werden und sterben zu dürfen. Mit großem Respekt und viel Zeit haben die Ärzte kurz da- rauf den Tubus gezogen und Ma- mas Atem dem eigenen Rhythmus überlassen, bis sie starb. Wir wa- ren dabei, wir hatten Zeit, ihr liebe Botschaften mit auf den Weg zu geben. Wir waren dankbar für das Team, das uns die Intensivstation für fünf Tage zum Platz für die Fa- milie gemacht und den Abschied erleichtert hat. (M.A.)

Abend Ende Januar auf dem Kran- kenhausparkplatz. Wir weinen, wir umarmen uns und lachen, wir ha- ben gerade auf der Intensivstation unsere Mutter verloren. Begonnen hatte das Drama wenige Tage vor- her, als unsere Mutter sich beim Kuchenessen an ihrer Teilprothese verschluckte. Alle Bemühungen der ambulanten Pflegerin und des Ret- tungsdienstes waren erfolglos; mit stark geschwollener Luftröhre und massiver Atemnot kam sie ins Kran- kenhaus. Dennoch ging es ihr im- mer schlechter. Sie wurde ins Koma gelegt und kam, weil es der einzig freie Intensivplatz war, in ein ande- res Krankenhaus. Das war ihr und unser Glück. Als frühere Krankenhaus-Seelsorge- rin dort kannte ich viele aus dem Team. Das hat es uns Geschwis- tern leichter gemacht, in eine of- fene und klare Kommunikation zu gehen, die Abläufe auf Intensiv zu lernen, und uns darin einzufädeln. Als Kinder gehörloser Eltern wa- ren wir zeitlebens Übersetzen gewöhnt, doch nun hieß es, den

Foto: Getty Images

CellitinnenForum 01 | 2022

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