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FUNDAMENT
Ü ber Handy spielt Mitarbeiterseelsorgerin Maria Adams in der Kapelle des Senioren- hauses Marienheim in Bad Münstereifel, die Glocken des Ulmer Münsters ein. Das Glo- ckengeläute signalisiert den Bewohnern, die nach und nach in die Kapelle begleitet werden, hörbar: „Hier ist jetzt Gottesdienst!“ Während des fünfminütigen Läutens heißt sie die Einzelnen auf Augenhöhe oder mit Handkontakt an der Schulter zum Gottesdienst willkommen. „Erst danach kann ich mit einem Impuls anfan- gen“, erläutert die Mitarbeiter-Seelsorgerin, „dann sind die Bewohner wirklich da.“ Die liturgischen Wechselgebete tun ihr Übriges, damit die Bewohner im gottesdienstlichen Rhyth- mus ankommen, denn das ist lang gelerntes und geübtes Wissen, von „Der Herr sei mit euch“ bis zum „Und mit deinem Geiste“. Zur Orgelmusik be- wegen sich die Münder der Bewohner, weil sie fast mühelos die alten Liedtexte abrufen und wieder- geben. „Spätestens beim Vaterunser sind alle präsent“, berichtet Adams, „und die Stimmung ist dicht, emotional aufgeladen. Wenn ich die Kommunion austeile, erlebe ich fast niemanden, der nicht weiß, was das bedeutet. Dann lege ich das Heilige Brot noch mal so gern in die zitternden Hände, und weiß: Da geschieht Begegnung mit Gott.“ Seit der Pandemie finden die Wortgottesdiens- te, gestaltet von Beate Müllers, Begleiterin in der Seelsorge im Seniorenhaus St. Adelheidis-Stift in Bonn–Vilich, in einer ungewöhnlichen Umgebung statt, nämlich im Hausrestaurant, denn in der haus- eigenen Kapelle finden nicht alle Bewohner unter den gegebenen Abstandsregeln Platz. Zunächst war es sehr ungewohnt, im Restaurant einen Altar aufzubauen und eine einladende At- mosphäre zu schaffen. Es mussten Absprachen mit der Hauswirtschaft getroffen werden, damit der Gottesdienst ohne Störung gefeiert werden konnte. „MANCHMAL KANN MAN EINE STECKNADEL FALLEN HÖREN …“
Eine besondere Herausforderung bestand darin, Musik auszuwählen, die die Bewohner anspricht, aber nicht zum Singen animiert, da das Singen ei- nen wesentlichen Teil der früheren Gottesdienste ausmachte. Mittlerweile genießen die Bewohnerin- nen klassische Musikstücke und bekannte Kirchen- lieder, die sie teilweise mit summen. Große Aufmerksamkeit entsteht beim gemein- samen Beten bekannter, alter Gebete und nicht zuletzt beim Friedensgruß, den Müllers jedem Einzelnen persönlich bringt. Die Bewohner genießen diese Zeit des inne- ren und äußeren Gebets, in der sie in Stille ih- ren Gedanken nachhängen und sich in einer Gemeinschaft wissen. Dann sind alle äußeren Widrigkeiten für eine Weile vergessen und oft ist die Atmosphäre so konzentriert, dass man eine Stecknadel fallen hört. „DER GROSSE SCHIRM VERDEUTLICHT DEN SEGEN GOTTES“ Gottesdienst mit allen Sinnen - so hat Ruth Gies, seelsorgliche Begleiterin im Seniorenhaus St. An- gela, die Gottesdienste benannt, zu denen beson- ders die Bewohner mit Demenz eingeladen wer- den. Sie feiern diese Gottesdienste in der Kapelle mit einem bekannten Gottesdienstverlauf. Beson- ders hilfreich ist hierbei, dass einige ehrenamtliche Mitarbeiterinnen beim Transfer und in der Feier unterstützen. „Mit allen Sinnen“ bedeutet, dass die Botschaft des Gottesdienstes nicht nur mit Wor- ten, sondern besonders mit Musik, Sehen, Tasten, Berührung und Symbolen gestaltet wird. Der gro- ße Schirm verdeutlicht den Segen Gottes. Berührt reagieren die Einzelnen, wenn sie den Segen unter diesem Schirm erhalten. Berührte Reaktio- nen kommen bei der Salbung mit Lavendelöl oder dem Verteilen eines Lichtes. Berührt ist auch Gies selbst während dieser Gottesdienste. Die monatlich stattfindenden Gottesdienste wer- den im Wochen- und Monatsplan veröffentlicht. Viele Bewohner, die selbstständig entscheiden können, nehmen sehr gerne daran teil. (M.A.)
CellitinnenForum 01 | 2022
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