7/8 2015

SOZIALES

Kesb: Achtung vor Zahlen Sicher, wer mit einer Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde zu tun hat, steckt in einer schwierigen Lage. Die Debatte in den Boulevard- und Gratismedien ist darum gehässig. Mehr Nüchternheit tut dringend not.

Kesb. Niemand wird behaupten, diese vier Buchstaben seien besonders aussa- gekräftig oder eingänglich. Der Begriff jedoch ist den meisten Schweizerinnen und Schweizern heute bekannt. Sie wis- sen, dass es sich dabei um die vor zwei Jahren auf regionaler Ebene eingeführte Kindes- und Erwachsenenschutzbe- hörde handelt. Zu ihrer grossen Bekanntheit ist die Kesb gekommen, ohne eine millionen- schwere Kampagne durchzuführen. Ei- nige wenige in den Medien breit ausge- walzten Tragödien haben genügt, um den neuen Behörden zu landesweiter Bekanntheit zu verhelfen. Insbesondere war es dasTötungsdelikt von Flaach, bei dem der Kesb eine Mitschuld angelastet wurde. So bezeichnet etwa die Feminis- tin Julia Onken in ihrem Blog die Kesb als «wucherndes Krebsgeschwür, das sich durch die Gemeinden frisst». Sekun- diert wird sie von der Schriftstellerin Zoë Jenny, die «von der Kesb verfolgt wird und deshalb nach Wien geflüchtet ist». Die Kesb wird vor den eidgenössischen Wahlen zum Spielball einer wenig sach- lichen Kampagne. Mittlerweile werden Unterschriften für eineVolksinitiative gesammelt, die

Kosten der Kesb und der sinkende Ein- fluss der Gemeinden.

altrechtlichen Fälle, die bis Ende 2015 ins neue Recht überführt und neu beurteilt werden müssen. Hinzu kommen die Pendenzen der Vormundschaftsbehör- den sowie die neuen Fälle, die je nach dem dringlich sind. Wie

Blick, 5.1.2015

Transparenz als Kostentreiber Wenn in den Medien über die Kesb be- richtet wird, dann folgt mit fast konstan- ter Regelmässigkeit das Bedauern dar- über, dass die Kosten gestiegen seien. Exemplarisch in den letzten Monaten beispielsweise die Klagen der Gemein- den Römerswil, Volketswil, Adligenswil und Olten. Unisono tönte es bei Rech-

viele Fälle dies sind, ist kaum zu eruie- ren. Guido Marbet, der Präsident der Kokes, der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, sagte gegenüber der NZZ am Sonntag: «Die prognosti- zierte Geschäftszahl (...) wird in den Deutschschweizer Kantonen bei weitem überschritten.» Die Kokes ging von etwa 125000 Fällen aus, die von den 146 Kin- des- und Erwachsenenschutzbehörden zu bearbeiten sind. Tatsächlich wurden

nungs- und Budgetdiskussionen so: «Wesentlich mehr Mittel hat die Kindes- und Erwachsenen- schutzbehörde Kesb bean-

sprucht». Ähnliche Berichte kommen von den Stadtge- meinden Winter- thur, Luzern und St. Gallen. Und die Gemeinden des Zürcher

die Kesb aber seit Januar 2013 mit neuen Fällen über- flutet. «Viele dieser Behörden machen daher seit zwei Jah- ren nur Überlebensübun- gen», so Marbet weiter. Ko- kes-Generalsekretärin Diana Wider erklärt, wie die Zahlen zustande gekommen sind: «Bei den Schätzungen haben

«Es gibt zwanzig verschiedene Arten, die Kesb-Zahlen zu erfassen.»

Obersees kla- gen mit Aus-

nahme von Rappers- wil-Jona samt und sonders über teils hap- pige zweistellige Aus- gabezunahmen.

wir uns an den bisherigen Zahlen orien- tiert. Unsere Rückfragen bei den Kanto- nen haben aber ergeben, dass die Kesb zum Teil deutlich mehr altrechtliche Massnahmen von denVormundschafts- behörden übernommen haben, als in der bisherigen Statistik ausgewiesen wurde – das muss analysiert werden. Und die bisherige Statistik beruhte le- diglich auf den bestehenden Massnah- men, während die Belastung der Kesb vorwiegend durch die Abklärung von neuen Verfahren und Gefährdungsmel-

Alle alten und die neuen Fälle Was ist geschehen? Arbeiten die neuen Behörden tatsächlich so schlecht? Oder sind es bloss Startschwierigkeiten, die sich nach einiger Zeit legen werden? Als die Kesb Anfang 2013 die Arbeit aufge- nommen haben, übernahmen sie alle

Blick am Abend, 8.1.2015

die Kompetenzen der Kesb nun wieder einschränken will. Zwei Aspekte stehen bei der Diskussion imVordergrund: Die

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SCHWEIZER GEMEINDE 7/8 l 2015

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