GOLF TIME 1/2016

JORDAN SPIETH

JACK

NICKLAUS

JAHRGANG: 1940 SPITZNAME: Golden Bear STÄRKE: Urwüchsige Kraft SCHWÄCHE:

JAHRGANG: 1993 SPITZNAME: Golden Child STÄRKE: Kompletter Spieler SCHWÄCHE: Im Tour- vergleich eher durchschnitt- liche Drive-Länge

Süßspeisen aller Art, vor allem Eiscreme ALTER BEIM ERSTEN MAJOR-SIEG: 22 Jahre

ALTER BEIM ERSTEN MAJOR-SIEG: 21 Jahre

ter Kraft und perfekter Technik prügelt er ihn schließlich schnur- gerade in den blauen Himmel. „Wow! Tigerline!“, entfährt es

„Ganz klar high“, raunt mir Peterson zu, der beim Gehen jeden Schläger aus Spieths Tasche genauestens untersucht. Spieth schafft es mit Nicklaus’ Wedge kaum bis zum Grün, lacht jedoch trotzdem: „Mann, der Schaft hat ja die Flexibilität einer Bahnschiene. Und der Ball erst. Ich kenne Flusskiesel, die weicher sind.“ Mit Nicklaus’ Besteck hat Spieth keine Chance, andersherum hingegen kann Jack mit dessen Material trotzdem einige Punkte teilen und auf Bahn 12 sogar gewinnen, da Spieths Ball im rechten, hinteren Sandbunker des Par 3-Lochs unspielbar eingebohrt ist. „Ist das Grün tiefergelegt“, wundert sich Jordan, „das habe ich höher in Erinnerung.“ „Das hat Arnie 1958 auch gemeint“, erin- nert sich Nicklaus. „Und sich aus dem Ding raus und ins grüne Jackett rein diskutiert.“ Nach Loch 16 ist das Match gelaufen, Nicklaus gewinnt die Partie deutlich mit 4&2. „40.000 Dollar, oder?“, meint Spieth beim Handshake. Nicklaus, der nur ein Jahr älter und sogar sieben Zentimeter kleiner als sein Gegner ist, wehrt lächelnd ab: „Junge, das war doch nur ein Scherz. Zudem, das wäre ja doppelt soviel wie mein Masters-Preisgeld.“ „Echt jetzt?“, entfährt es Spieth verdutzt, „so wenig Preisgeld?“ „Voll high, der Typ“, murmelt Peterson nicht zum ersten Mal. „Aber falls du mir den einen oder anderen deiner Schläger überlassen könntest . . .“, sagt Jack höflich lächelnd und blickt auf Jordans Ausrüstung. „Hier, nimm gleich die ganze Tasche“, freut sich Jordan. Zurück im Jahr 2016 verlassen wir die GOLF TIME MACHINE. Am Abend bekomme ich einen Anruf von Jordan Spieth. Er möch- te wissen, ob seine Golfausrüstung noch in diesem „Simulator“ steht. Er vermisst sein

Spieth. Wenige Minuten später kann man erken- nen, dass Nicklaus’ Ball gute 30 Meter weiter geflogen ist als Spieths Spielgerät. Von dem leicht abschüssigen Par 5 begünstigt, hat er annähernd 350 Meter überwunden. Spieth erreicht das Grün mit einem Eisen 6. Sein Ball liegt fünf Meter vom Stock entfernt. Als sich sein Gegner aus 140 Metern ebenfalls ein Eisen 6 – jedoch aus dem Jahr 1963 – reichen lassen will, bietet ihm Jordan höflich sein modernes Eisen 9 an. „Probier es, Jack. Du wirst überrascht sein“, überzeugt er ihn. Nicklaus’ Schwung ist reine Poesie. Der Ball zischt wie eine Rakete nach oben und Peterson pfeift anerkennend durch die Zähne. Wie ein leicht flügellahmer Schmetterling landet die Kugel einen Meter hinter der Fahne, rollt sanft zurück, touchiert das Loch, umkreist es und verschwindet. „Heiliger Sarazen!“, brüllt Jacks Caddie. Spieth hebt die Hand zum „High 5“, Nick- laus sieht ungläubig von dem Schläger zu dem glücksstrahlenden Jungen, sein Arm folgt der Bewegung und Jordan klatscht ihn ab. Auf der nächsten Bahn besteht Spieth darauf, dass sie ab jetzt nach jeder Bahn ihre Ausrüstungen tauschen. Nicklaus produziert mit Spieths Driver einen weiteren monströ- sen Abschlag, der kurz vor dem Grün des 320 Meter langen Par 4-Lochs liegen bleibt. Spieth entlockt Jacks Holz 1 und dem altertümli- chen Ball kaum mehr als 220 Meter und trifft zudem zentral den großen Fairwaybunker. „Aus dem einen großen würde ich gerne vier kleine Bunker machen“, erklärt der sicht- lich begeisterte Nicklaus im Plauderton. „Das wirst du auch noch. So in etwa 20 Jahren“, freut sich Spieth und klopft ihm kumpelhaft auf die Schulter.

„MIR IST EGAL, MIT WELCHEM SCHROTT DU SPIELST, JUNGCHEN. 500 DOLLAR PRO LOCH – DARUNTER BRAUCHEN WIR GAR NICHT ERST ANZUFANGEN“

Jack Nicklaus hat keine Lust auf Kindereien

Smartphone, das wahrscheinlich noch in ei- ner der Seitentaschen des Bags steckt. Dann fragt er mich, ob ich eigentlich wüsste, dass Jack Nicklaus während seiner Karriere 45 Major-Turniere gewonnen hat. „Ich hätte schwören können, dass es nur 18 gewesen sind“, sagt er am Ende des Gesprächs, „wird echt hart, da jemals ran zu kommen.“ „Tja, viel Glück“, wünsche ich ihm geistes- abwesend, denn ich starre ungläubig auf meinen Computerbildschirm. Dort steht in einem Wikipedia-Artikel, dass Jack Nicklaus in den Siebzigerjahren ein Technologieunter- nehmen gegründet hat. Heute gilt er angeb- lich als der reichste Mensch der Welt. Mich beschleicht ein furchtbarer Verdacht. Als ich mit zitternden Händen mein iPhone umdrehe, prangt dort, wo eigentlich ein stili- sierter Apfel zu sehen sein sollte, das Symbol eines goldenen Bären. GT

43

GOLF TIME | 1-2016

www.golftime.de

Made with