GOLF TIME 1/2016

GÖTZ ZITAT

Alles auf Anfang M ann, ich freue mich dieses Jahr wirk- lich besonders auf die bevorstehende Golfsaison. W ährend ich sehnsüchtig aus demFenster auf die tiefverschneite Winterlandschaft blicke, breitet sich ein glorifizieren- der Schleier über die Erinnerungen an die vergangene Saison, der selbst den Nachhall der bittersten Golf- E gal, wie viel und gut ich zu spielen glaube, auch 2016 werde ich wieder ein weiteres (für mich schon lange nicht mehr) erstaunliches Phänomen beobach- ten können: In so ziemlich jeder Privatrunde unter- spiele ich mein Handicap souverän umwenigstens ein bis fünf Schläge. Bei jeder Turnierteilnahme

hingegen verfehle ich die Unterspielung um ein bis fünf Schläge. Dadurch verschlechtert sich mein Handicap um knapp einen Schlag, bis ich den Verlust plötzlich und unerwartet wieder wettmache. An- schließend geht der Kreislauf von vorne los. AmEnde jedes Jahres hat sich meine Spielvorgabe dann nach ca. 20 bis 30 vorgabewirksamen Runden ummaximal 0,5 Handicap-Punkte nach oben oder unten ver- schoben. Unter dem Strich oszilliere ich seit nunmehr zehn Jahren innerhalb eines einzigen Schlages und spiele imGrunde auch immer die gleiche Golfrunde. E s erstaunt mich jedoch immer noch, dass diese höhere Macht, die mich offenbar zu einemDasein in einem golferischen Hamsterrad verdammt hat, nicht müde wird, über die immer gleichen Scherze zu lachen (die Sie sicher auch allesamt zur Genüge kennen). Mit schöner Regelmäßigkeit liegt mein Ball nach einem Schlag ins Grün direkt an oder auf dem Loch – bevorzugt auf einemPar 3. Ja, das ist kein Schreibfehler. Der Ball liegt nämlich auf(!) dem kreisrunden Rasenstück, das davon zeugt, wo sich die letzte Fahnenposition vor demVersetzen des Lochs durch die Greenkeeper befunden hat. Oder dieser Klassiker: Unweigerlich folgt auf einen Totalschaden- Drive, der den Ball über die Ausgrenze in dieWalachei befördert, in 100 von 100 Fällen ein Traumschlag (urkomisch). Außer natürlich im Zählspiel, da ist man solange gezwungen Bälle nachzuladen, bis der Gesamtscore eine Größenordnung erreicht hat, die kollektiven Hohn und Spott imClubhaus unumgäng- lich macht. Auch beliebt: Wenn es darum geht, auf der 18. Bahn den Schonbereich respektive die Unter- spielung zu erreichen, stellt offenbar das unerwartete Auslippen eines auf die Lochmitte zurollenden Balls den humoristischen Höhepunkt der golfgöttlichen Erheiterung dar. Mann, wie ich diesen Sport hasse! D och wenn ich so aus demFenster blicke, sehe ich, dass ein paar Sonnenstrahlen zwischen denWolken hervorblitzen. Mein Blick verschleiert sich und ich denke mir: „Ich bin bereit, ich bin bereit . . .“ GT

momente in einemMeer aus süßemPuderzucker erstickt. Anders ließe sich auch kaum ertragen, dass ich seit gefühlten 100 Jahren in einer Art Zeitschleife des Wahnsinns gefangen bin, gegen die sich der Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ wie ein durchaus erstrebenswerter Ist-Zustand ausnimmt. Denn ich weiß heute schon, wie mein Golfjahr ablaufen wird: I mFrühjahr begebe ich mich (wie immer) in ein Golftrainingslager, um denWinterrost abzuschütteln. Meist an einem verlängertenWochenende arbeite ich unter professioneller Anleitung akribisch an allen Aspektenmeines Spiels. Ich schwinge mit der Leichtig- keit einer Elfe, während die präzise geschlagenen Bälle schwindelerregende Distanzen zurücklegen. Nach Abschluss des Programms benötige ich imRegelfall kaummehr als zwanzig unbeaufsichtigte Minuten auf der Driving Range, um jedweden Effekt dieses Intensivtrainings rückgängig zu machen. A lso versuche ich, das Problemmit Geld zu bewer- fen und gehe shoppen – bevorzugt einen neuen Driver. Hier gilt das ungeschriebene Golfgesetz: „Solange der Schläger nicht bezahlt wurde, ist es unmöglich, damit einen schlechten Schlag zu produzieren.“ Nach dem Geldtransfer hingegen sinkt die Performancekurve meines Neuzugangs schlagartig gen Nullpunkt – die Faustformel dazu: „Je teurer die Hardware, desto schneller mutiert sie zur lahmen Ente.“ Erstaunlicher- weise funktioniert nun aber jeder x-beliebige Driver hervorragend, den ich mir spontan von einemMit- spieler ausborge. Vor ein paar Jahren hatten ich und einige meiner gleichsam verfluchten Golfkumpel eine Idee, wie wir diesen Teufelskreis durchbrechen könnten. Direkt nach demKauf haben wir uns einfach gegenseitig unsere neuerworbenen Schläger „ausge- liehen“. Und was soll ich Ihnen sagen – selbstredend verweigerten nun alle Driver kollektiv den Dienst. Zudem begann die Erde zu beben und ein Schläger- kopf fing sogar Feuer. Seither weiß ich, dass es keine gute Idee ist, sich mit den Golfgöttern anzulegen.

GÖTZ SCHMIEDEHAUSEN Autor des essenziellen Leitfadens durch die Welt des Golfwahn- sinns in Buchform: „Golf oder gar nichts!“ Für ihn ist die kommende Saison definitiv schon gelaufen . . .

»Seit gefühlten 100 Jahren bin ich in einer Art Zeitschleife des Wahnsinns

gefangen, gegen die sich der Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ wie ein durchaus erstrebenswerter

Ist-Zustand ausnimmt«

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