May 2014

RAUMPLANUNG

es sichtbare Meilensteine gegen die Ungeduld: Veranstaltungen, eine Aus- stellung, ein Fest, öffentliche Zwischen- nutzungen… Hilfreich sind auch gute Beispiele. Ganz wichtig ist eine Schlüs- selperson, die sich des Prozesses an- nimmt, idealerweise eine Gemeinde- rätin oder der Bauverwalter, eventuell eine Bürgergruppe oder ein Investor mit Sinn für den Gemeinnutzen. Es braucht eine engagierte Projektleitung. Die ge- eigneten Planungsinstrumente müssen gefunden und ein Netzwerk für fachli- che, ideelle und finanzielle Unterstüt- zung aufgebaut werden. Wir empfehlen auch dringend eine aktive Bodenpolitik: Dass die Gemeinde in den Besitz von Land kommt, ist ein Schlüsselelement der Innenentwick- lung. Es schafft vor allem Spielraum: Gute Projekte können dann mit einem Landabtausch ermöglicht werden. Die Gemeinde kann ihr Land danach wieder verkaufen, aber vorher dafür sorgen, dass darauf ein gutes Projekt entsteht, in das die Interessen der Dorfgemein- schaft einfliessen. Noch besser kann sie ein Projekt steuern, wenn sie das Land im Baurecht abgibt. Man sieht heutzutage Bauten, die Pos- tulate der Innenentwicklung erfüllen. Doch oft fehlt die architektonische Qua- lität. Was können Sie in dieser Hinsicht ausrichten? Um diesenAspekt wird man sich künftig stärker kümmern müssen. Denn nur ein schönes Dorf ist ein nachhaltiges Dorf. Wir weisen die Gemeinden darauf hin, dass gute Architektur allen nützt, und empfehlen Architekturwettbewerbe. Ei- nige Gemeinden erlassen Gestaltungs- regeln für bestimmte Bauzonen oder verlangen von den Grundeigentümern vor Einzonungen Überbauungsstudien, die in der Gemeinde diskutiert werden. Der Kanton Luzern hat dazu eine Ar- beitshilfe geschaffen. Der Kanton Grau- bünden bietet Bauherrschaften und Ge- meinden Beratung in Gestaltungsfra- gen an. Gemeinden wie Disentis oder Fläsch haben die Elemente der traditio- nellen Bauweise analysieren lassen und daraus Regeln für die bauliche Weiter- entwicklung abgeleitet. Dort wissen In- vestoren, dass die Gemeinde sie unter- stützt, dass aber über die Qualität der Gestaltung diskutiert wird. Da ab jetzt im Bestand gebaut wird, werden sich ästhetische Fragen häufiger und schär- fer stellen.

bereits fachlich, etwa der Kanton Aar- gau, der dafür vor einigen Jahren ein Team eingerichtet hat. Finanzielle Hilfe vom Kanton für eine Prozessbegleitung können Gemeinden jedoch nicht erwar- ten. Es wäre aber grundsätzlich zu über- legen. Ja, die Entwicklung macht mir viel Freude! In der Kommunalplanung wird eine ganz neue Dimension erkennbar. Ich bin zuversichtlich, dass sich bald in vielen Gemeinden etwas bewegt. Es sind ja nicht nur Bund und Kantone und das RPG, die eine nachhaltige Entwick- lung fordern. Es ist auch die Bevölke- rung, die begriffen hat, dass wir das Siedlungsgebiet nicht mehr ausdehnen dürfen. Heute wehren sich auch die Bau- ern für das Kulturland. Und immer mehr Leute, alte und junge, in der Stadt oder im Dorf, möchten wieder in einem le- bendigen Ortskern wohnen, nah beim Geschehen, bei den Dingen des tägli- chen Bedarfs und den öffentlichen Ver- kehrsmitteln. Es besteht also auch ein Wunsch nach Innenentwicklung. So ent- stehen neue Koalitionen. Die Siedlungs- qualität erhält einen grösseren Stellen- wert. Was hier gerade geschieht, ist mehr als eine Trendwende beim Boden- verbrauch: Ich sehe, dass sich ein Para- digmenwechsel in der Siedlungsent- wicklung abzeichnet. Damit er wirklich stattfindet, muss die Aufbruchstim- mung, die in einem Teil der Gemeinden schon herrscht, sich auf andere übertra- gen und möglichst lange anhalten. Zugegeben: Zu uns kommen nur Ge- meinden, die etwas tun wollen. Das prägt meine Wahrnehmung. Die Kan- tonsplaner sind da sicher skeptischer, da sie sich auch mit allen anderen Ge- meinden auseinandersetzen müssen. Natürlich ist der Paradigmenwechsel erst in einigen Pioniergemeinden deut- lich sichtbar – die ja dann den Wakker- preis erhalten. Viele Gemeinden lassen die Ortsentwicklung immer noch schlit- tern, andere sind erst am Anfang. Sich nicht zu viel vornehmen, behutsam vorgehen, gut informieren, die Bevölke- rung einbeziehen. Wenn die Bevölke- rung nur hört, dass etwas imTun ist und dass es Geld kostet, aber nichts Ge- naues weiss und sich nicht äussern kann, dann ist die Gefahr des Scheiterns gross. Lang bevor gebaut wird, braucht Für die Gemeinden ist die Situation be- lastend – Sie sehen sie als Chance? Steckt darin nicht ein gehöriger Schuss Wunschdenken? Was sind Erfolgsfaktoren für die Innen- entwicklung?

und Agglomerationsgemeinden funk- tionieren. Sind solche Methoden nicht anfällig? Kann da nicht ein einziger Besitzer, der sich querstellt, den Prozess blockieren? Jedem Planungsprozess drohen Blo- ckaden etwa durch Rekurse. Der Erfolg ist immer eine Frage von erfolgreicher Kommunikation. Der Einbezug aller Stakeholder scheint zunächst aufwen- dig, und natürlich muss man dann auch mit Leuten diskutieren, die zunächst partout nichts ändern wollen. Aber mich überzeugen die Erfolge, die wir damit erzielen. Design und Moderation von Mitwir- kungsprozessen und eine gute Öffent- lichkeitsarbeit brauchen Erfahrung. Wenn sie nicht vorhanden ist, braucht eine Gemeinde Unterstützung: Ent- steht hier ein neuer Beruf? Ja, tatsächlich, das kann ich mir vorstel- len. Solche Projektbegleitungen sind zu- nehmend gefragt. Das muss kein Planer sein, es kann auch eine Kommunika- tionsspezialistin oder eine Fachperson mit Erfahrung in soziokultureller Ent- wicklung und Kenntnis der raumplane- rischen Instrumentarien sein. Netzwerk Altstadt Das Kompetenzzentrum Netzwerk Altstadt bietet Expertenwissen und einen Werkzeugkasten für Gemein- den, die strukturellen Problemen in ihrer Altstadt begegnen wollen. Die 2007 von Urs Brülisauer und Paul Hasler entwickelte Initiative fand Unterstützung beim Bundesamt für Wohnungswesen (BWO); die Ge- schäftsstelle wurde zunächst beim Städteverband angesiedelt und 2011 zur VLP-ASPAN transferiert. Seither wurden weitere Experten ausgebil- det und der Service auf die Roman- die ausgedehnt. Die Dienstleistung wird stark nachgefragt, sie soll künf- tig in das Beratungszentrum «Dialog Siedlung» integriert werden. rw Informationen: www.netzwerk-altstadt.ch Input SRF 3: www.tinyurl.com/nxz6tyl Wäre es eine Aufgabe der Kantone, die Gemeinden hier zu unterstützen? Ja. Die Kantone würden nämlich entlas- tet, wenn alle Gemeinden in der Lage wären, selbstständig eine nachhaltige Siedlungsentwicklung zu planen. Einige Kantone unterstützen die Gemeinden

Ruedi Weidmann

Das Interview ist in der Ausgabe 1-2/2014 von TEC21 erschienen. www.espazium.ch/tec21

17

Schweizer Gemeinde 5/14

Made with