May 2014

MEHRWERTABSCHÖPFUNG

Ein wichtiges Instrument für Gemeinden

In der Gemeinde Ittigen hat sich die Mehrwertabschöpfung als problemloses Instrument bewährt. Dabei sind auch andere Lösungen als finanzielle Abgeltungen möglich. Aus raumplanerischer Sicht hilft die Mehrwertabschöpfung, die Landflächen zu schonen.

In Ittigen wird seit 1976 der Mehrwert abgeschöpft. Die Ge- meinde war damit unter den ersten Gemeinden in der Schweiz. Wesentliches Ziel der damaligen Ortsplanung war, in bestehenden Bauzonen eine höhere Dichte zuzulassen und die wertvollen Hangpartien der Gemeinde freizuhalten. Die Erhöhung der Ausnützungs- ziffern in den Bauzonen hat be- trächtlichen Mehrwert geschaf- fen. Dies führte dazu, dass auch die Auszonungen von den Grundeigentümern entschädi- gungslos akzeptiert worden sind. Geregelt ist das Verfahren im Grundsatz in Art. 142 des Bau- gesetzes des Kantons Bern. Das Gesetz besagt, der abge- schöpfte Mehrwert müsse «für bestimmte öffentliche Zwe- cke» eingesetzt werden. Das Geld soll also nicht in die lau- fende Rechnung der Ge- meinde fliessen. Im heute gel- tenden kommunalen Baure- glement wird der Gemeinderat Kein kommunales Reglement, sondern Richtlinie

von öffentlichen Aufenthalts- und Spielplätzen oder der Bau eines Kindergartens. Es geht darum, den Nutzen des abge- schöpften Mehrwerts für die künftigen Bewohner oder Ar- beitenden im Auge zu behal- ten. Weil die Mehrwertleistung so in direktem Zusammenhang mit der Überbauung steht, för- dert sie die Akzeptanz, sowohl bei den Grundeigentümern und Bauherren als auch bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern. Das leistet ei- nen Beitrag gegen die Zersie- delung und hilft der Gemeinde beim Umsetzen der Planungs- ziele. Dichter bauen dank höherer Akzeptanz beim Stimmbürger Die Mehrwertabschöpfung hat sich in der langen Anwen- dungszeit als problemloses In- strument bewährt. Die Behör- den haben nicht den Eindruck, dass die Mieten oder die Kauf- preise wegen der Abschöpfung steigen. Grund ist, dass der Bauherr seine Miet- und Kauf- preise nicht nach dem Mehr- wert kalkuliert. In der Regel

In Ittigen ist die Verdichtung nach innen gelungen (Luftaufnahme aus dem Jahr 2012).

Bild: Gemeinde Ittigen

verpflichtet, «vor Genehmigung der Planung von Überbauungsordnungen in den Zonen mit Planungspflicht mit den Grundeigentümern Verhandlun- gen über die Abgeltung von Infrastruk- turleistungen und/oder die teilweise Abschöpfung von Planungsvorteilen zu führen». Die Regelung ist bewusst sehr flexibel gehalten, es gibt kein kommunales Re- glement, sondern lediglich eine Richt- linie. InVerhandlungen kann sowohl die planerische Situation als auch die wirt- schaftliche Situation des Bauherrn be- rücksichtigt werden. Um Willkür zu ver- meiden, ist geregelt, wie der Mehrwert berechnet werden soll. Entscheidend ist der neue Verkehrswert des Baulan- des bei Plangenehmigung. Aufgeteilt wird der Mehrwert imVerhältnis 50 : 50.

Fällig wird der Betrag, wenn der Mehr- wert realisiert wird.

wird ein Marktzins verlangt – auch ein Verkauf erfolgt zu Marktpreisen. Dank der höheren Akzeptanz beim Stimmbür- ger kann ein Bauherr dichter bauen. Dies führt zu einem höheren Wert der Liegenschaft. Kurz: Es entsteht eine Win-win-Situation. Aus raumplanerischer Sicht hilft die Mehrwertabschöpfung, die Landflächen zu schonen. Die Einwohnerzahl Ittigens ist seit den 1960er-Jahren um den Fak- tor drei gestiegen, auch die Arbeits- plätze sind um den Faktor zwei bis drei gestiegen. Dies alles war über Verdich- tungen möglich, ohne zusätzliche Bau- flächen einzuzonen – eine wichtige Massnahme gegen die Zersiedelung.

Mehrwert in Form von Landanteilen abgeschöpft

Es sind aber auch andere Lösungen als finanzielle Abgeltungen an die Ge- meinde möglich. Bei der Überbauung Kirschenacker etwa, die im Baurecht auf Land der Burgergemeinde Bern reali- siert wurde, wurde der Mehrwert in Form von Landanteilen abgeschöpft. Die Bernburger stellten sich während der Verhandlungen auf den Stand- punkt, sie würden viele soziale Aufga- ben erfüllen. Trotzdem hat die Ge- meinde dann einen Teil des Baulandes ausgehandelt und erhalten. In einem Vertrag können verschiedenste Werte angerechnet werden, etwa das Erstellen

Beat Giauque, Gemeindepräsident Ittigen

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