May 2014

RAUMENTWICKLUNG

feilschten wir zuweilen drei Jahre lang an Details. Diese Zeiten sind vorbei.»

demWeg. Sie betreffen Geschäfte, aber auch Wohnungen, Bauten und öffentli- che Anlagen. Alle sind sieTeil einer nach innen gerichteten Urbanisierungspolitik, die auf Verdichtung und die Sanierung der urbanen Brachen im Stadtzentrum abzielt. Bereits heute verfolgt Delsberg eine Politik zur Eindämmung der Zer- siedlung und hat damit in gewisser Weise die Revision des Raumplanungs- gesetzes, die am 1. Mai in Kraft tritt, vor- weggenommen. Projektunterstützung statt Baupolizei Anders als am Genfersee geben sich die Promotoren in Delsberg nicht die Klinke in die Hand. Ein paar Jahre lang glänzten sie sogar durch völlige Abwe- senheit. «Als dann einige von ihnen zu- rückkehrten, beschlossen wir, sie zu un- terstützen und über das ganze Projekt hinweg zu begleiten», erzählt Hubert Ja- quier. «Dieses Vorgehen bedingte eine Praxisänderung in der Verwaltung, was im Richtplan von 1998 ausdrücklich er- wähnt ist. Meine Vorgänger begnügten sich im Wesentlichen mit ihrer Rolle als Baupolizei.Wenn ein Promotor erschien, wurde ihm erklärt, was alles nicht ging. Dann wartete man darauf, dass er mit einem geänderten Projekt zurückkam. Manchmal kam er gar nicht zurück. Heute unterstützen wir die Projekte. Na- türlich gibt es Rahmenbedingungen und Bestimmungen, die eingehalten werden müssen, aber man darf auch nicht zu stur sein. Wir haben neue Instrumente entwickelt, unsere Absichten deutlich gemacht, in Verhandlungen und bei der Suche nach Lösungen die Initiative er- griffen – und sind als Bauherren mit gu- tem Beispiel vorangegangen. Früher

des Pflichtenhefts (das auch öffentliche Parkplätze und eine vierstöckige Liegen- schaft umfasste, die neben dem Super- markt auch Büros sowie seniorenge- rechte und betreute Wohnungen beher- bergt) erfüllen würde, würden wir uns verpflichten, ihm innerhalb von 60 Ta- gen eine Baubewilligung zu erteilen!» Die Stadt ist ermächtigt, Baubewilligun- gen selbst auszustellen. Deshalb wurde das Projekt trotz Einsprachen innerhalb der angekündigten Frist genehmigt und anschliessend rasch realisiert. Das be- weist: Verfahren, die in grossen Agglo- merationen manchmal Jahre dauern, können in Delsberg in ein paar Monaten erledigt werden. Als zweites Beispiel nennt Jaquier ein laufendes Projekt: Ein Detailhandels- konzern wollte ein neues Einkaufszen- trum bauen. Im Laufe des Gesprächs fragte der Stadtpräsident von Delsberg, Pierre Kohler, den Vertreter des Inves- tors, ob dieser Interesse daran habe, zu- sätzlich – auf Kosten des Kantons und der Stadt – einen Veranstaltungssaal so- wieWohnungen zu errichten. Der Inves- tor war interessiert. Für diese öffentlich- private Partnerschaft benötigte die Stadt das Verfügungsrecht über ein be- stimmtes Grundstück. Dies erforderte einen Parzellentausch – welcher prompt innert 20 Tagen über die Bühne ging! «Das ist der Vorteil einer Kleinstadt: Je- der kennt hier jeden. So ist es jederzeit möglich, bei Bedarf rasch den Leiter ei- nes kantonalen Amts oder sogar einen Regierungsrat zu sprechen.» Welche Projekte werden das Delsberg von morgen prägen? Laut Hubert Ja- quier liegen etwa 40 Vorhaben auf dem Tisch. Rund 15 davon sind bereits auf

Bundeshilfe für die Agglomerationen Eine wandlungsfähige Verwaltung; ein dynamischer und gut vernetzter Stadt- präsident in der Person des ehemaligen Regierungs- und Nationalrats Pierre Kohler; unkomplizierte Kontakte in einer Kleinstadt, aber auch die Unterstützung des Bundes für die Agglomerationen trugen zum Erfolg von Delsberg bei. «Wir haben vom Bund Finanzhilfen in Höhe von 40 Prozent für das erste Pro- jekt und von 35 Prozent für das zweite erhalten. Diese Finanzierungen haben unsere Urbanisierungspolitik für das Stadtzentrum unterstützt und als Kataly- sator für die Entwicklung der öffentli- chen Infrastrukturprojekte gewirkt.» Die Agglomerationspolitik des Bundes nennt Hubert Jaquier schlicht einen «Genie- streich» – ein seltenes Lob! Das grosse Verdienst Delsbergs, dessen Bevölkerung seit 2006 umfast 1000 auf über 12 200 Ein- wohnerinnen und Einwohner angewach- sen ist, besteht darin, rechtzeitig auf den fahrenden Zug aufgesprungen zu sein. 2030 als neuer Planungshorizont Die jurassische Hauptstadt will den ein- geschlagenen Kurs weiterverfolgen. So wird über den neuen Ortsplan «Delé- mont, cap sur 2030» («Kurs auf 2030») bereits an der zukünftigen Strategie ge- feilt. Die bisherige Politik soll weiterge- führt und verstärkt werden mit dem Ziel, Delsberg im Verbund der Schwei- zer Agglomerationen und Städte gut zu positionieren. Der Kanton Jura, der diese Politik unterstützt, hat vor Kurzem seine Kandidatur für das Projekt eines nationalen Innovationsparks in Zusam- menarbeit mit den Nachbarkantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt ein- gereicht. Dieses Projekt, das dem Kan- ton Jura eine Anbindung an das wich- tigste schweizerische Life-Science-Zen- trum ermöglichen würde, könnte sich um den zukünftigen Campus herum gruppieren. Dieser Komplex soll rund 500 Studierenden Platz bieten und auf dem Gelände des strategischen Ent- wicklungsschwerpunkts Bahnhof Nord entstehen. Auch für die Südseite des Bahnhofs be- stehen bereits verschiedene ehrgeizige Projekte, darunter für ein Kongress- zentrum, Büros,Wohnungen und öffent- liche Bauten. Das Gelände trägt den Namen «Territoire de confluence de l’agglomération» und soll in den kom- menden Jahren und Jahrzehnten zu einem Wahrzeichen Delsbergs werden.

Ein Campus, der in der Nähe des Bahnhofs gebaut wird und künftig für 500 Studentinnen und Studenten zugänglich ist.

Projektbild: IPAS-HRS

Vincent Borcard

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Schweizer Gemeinde 5/14

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