BEIRATaktuell 55

Immissionen, die von einem Eltern-Kind- Zentrum ausgehen, so der BGH, sind angesichts der dort für gewöhnlich statt- findendenAktivitäten aber typischerwei- se lauter und störender als die vom Betrieb eines Ladens oder eines Lagers ausge- henden Geräusche. Dass die Kläger gleichwohl nicht Unter- lassung der Nutzung als Eltern-Kind- Zentrum verlangen können, beruht nach Auffassung des BGH auf der Ausstrah- lungswirkung des § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG auf das Wohnungseigentums- recht. [§ 22 Abs. 1a BImSchG: Geräuscheinwirkungen, die von Kinder- tageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie bei- spielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkun- gen dürfen Immissionsgrenz- und -richt- werte nicht herangezogen werden.] Die Regelung des § 22Abs. 1a BImSchG ist regelmäßig auch bei der Prüfung zu beachten, ob eine nach der Teilungser- klärung ausgeschlossene Nutzung dennoch zulässig ist, weil sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung, und zwar auch dann, wenn die Teilungserklärung vor dem Inkrafttreten von § 22 Abs. 1a BImSchG errichtet wurde. Das von dem Beklagten betriebene Eltern-Kind-Zen- trum ist auch, so der BGH, eine Kinder- tageseinrichtung bzw. jedenfalls eine "ähnliche Einrichtung“ i.S.d. § 22 Abs. 1a BImSchG. Der Begriff der Kinderta- geseinrichtung bzw. einer ähnlichen Ein- richtung darf nicht zu eng gefasst werden, da nur ein offenes Verständnis der Be- b) Keine unzulässige Störung durch Kinderlärm

stimmung dem gesetzgeberischen Ziel, dass Kinderlärm unter einem besonderen Toleranzgebot steht zum Durchbruch zu verhelfen, zumal die Regelung ein ge- setzgeberisches Signal für eine kinder- freundliche Gesellschaft setzt. Haben somit die privilegierten Geräu- scheinwirkungen außer Betracht zu blei- ben, so gehen bei der gebotenen typisie- renden Betrachtungsweise die mit dem Betrieb des Eltern-Kind-Zentrums ver- bundenen Störungen nicht über das hin- aus, was bei dem Betrieb eines Ladens regelmäßig zu erwarten ist. 4. Auswirkungen für die Praxis Die Entscheidung des BGH ist zu begrü- ßen, insbesondere auch, weil der BGH zu weiteren Anwendungsfällen Stellung nimmt, die im Weiteren für die Praxis hilfreich sind: a) Keine Zulässigkeit in rein ge- schäftlich orientierter WEG-Anlage Unzulässig soll hingegen die Nutzung einer Ladeneinheit ungeachtet § 22 Abs. 1a BImSchG sein, wenn die Nutzung der Einheit als Einrichtung i.S.d. § 22 Abs. 1a BImSchG ausdrücklich oder konklu- dent ausgeschlossen ist. So liegt es nach Auffassung des BGH beispielsweise, wenn eine Anlage nach der Teilungserklärung als sog. Ärztehaus konzipiert ist; denn die Nutzung einer Einheit als Kinderta- geseinrichtung widerspräche unabhängig von ihrem Störungspotential dann dem vereinbarten professionellen Charakter einer solchen Anlage. b) Keine Zulässigkeit in reiner Wohn- anlage Ferner vertritt der BGH die Auffassung, dass der Betrieb einer gewerblichen Kin- dertageseinrichtung mit Blick auf den erhöhten Publikumsverkehr in einer reinen Wohnanlage unzulässig sein dürfte; anders

könne dies nur gesehen werden, wenn es sich um eine bloße Tagesmutter handelt.

c) Privilegierung nach § 22 Abs. 1a BImSchG nicht für andere Störungen Zudem soll § 22Abs. 1a BImSchG einem Unterlassungsanspruch nicht entgegen- stehen, wenn die Nutzung auch unter Berücksichtigung der von § 22 Abs. 1a BImSchG gewährten Privilegierung mehr stört als die nach der Zweckbestimmung zulässige; d.h., wenn es um andere Stö- rungen als Kinderlärm geht. Zur Ent- scheidung über die Hilfsanträge hat der BGH die Sache daher zurückverwiesen. Dass der Kläger von dem Beklagten nicht die Unterlassung der Nutzung als Eltern- Kind-Zentrum verlangen kann, so der BGH, schließe andere Unterlassungsan- sprüche wegen sonstiger Störungen (wie abgestellte störende Kinderwagen und Fahrräder) gemäß § 1004 Abs. 1 BGB nicht aus.

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BEIRAT AKTUELL 55/II-20

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