BEIRATaktuell 55

››› Aktuelles ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Beschränkungen der Haustierhaltung im WEG Kann die Gemeinschaft die Haustierhaltung beschränken?

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Der Deutschen liebste Haustiere, Katzen und Hunde, aber auch andere Haustiere, bieten oftmals Anlass zu Streitigkeiten in der Wohnungseigentümergemeinschaft. Sei es, dass einzelne Miteigentümer sich über konkrete Störungen beklagen oder dass allgemein eine als „ausufernd“ an- gesehene Tierhaltung beschränkt werden soll. Dabei stellt sich die Frage, ob und auf welchem Wege die Wohnungseigen- tümer befugt sind, durch Beschluss re- glementierend in die Haustierhaltung einzugreifen. Ferner ist zu beachten, dass viele Wohnungseigentumseinheiten ver- mietet sind und die Auswirkungen dies- bezüglicher Regelungen auf die Mietver- hältnisse zu bedenken sind. Bevor an eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer gedacht wird, ist stets zu prüfen, ob nicht bereits eine Vereinbarung über eine Beschränkung der Haustierhaltung (typischerweise durch entsprechende Regelung in der Gemeinschaftsordnung) vorliegt oder ob eine Änderung bzw. Ergänzung der Ge- meinschaftsordnung gewollt und möglich ist. a) Da die Wohnungseigentümer gem. § 15 Abs. 1 WEG einvernehmlich (typischer- weise im Rahmen der Errichtung der Gemeinschaftsordnung durch den auftei- lenden Eigentümer) u.a. die Benutzung und den zulässigen Gebrauch des Ge- meinschafts- und auch des Sondereigen- tums regeln, sei es durch explizite Rege- lungen zur Tierhaltung oder im Rahmen einer vereinbarten Hausordnung. Zwar gehört die Haustierhaltung gem. § 13 Abs. 1 WEG zu den Rechten eines jedenWohnungseigentümers bei der Nut- zung des Sonder- und Gemeinschaftsei- gentums, dieses Recht gehört aber nach herrschender Rechtsmeinung nicht zu den 1. Vereinbarungen der Wohnungs­ eigentümer

uneinschränkbaren bzw. unentziehbaren Kernrechten des Wohnungseigentums (vgl.: Bärmann/Suilmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 14 Rn. 36). Daher können durch Vereinbarung nach herrschender Rechtsmeinung Beschrän- kungen der Tierhaltung ohne Weiteres, sogar bis hin zu einem generellen Tier-, insbesondere auch ein Katzen- oder Hun- dehaltungsverbot, wirksam geregelt wer- den (vgl.: BGH, Beschl. v. 4.5.1995 - V ZB 5/95, NJW 1995, 2036). Daher ist vor einer Beschlussfassung stets zu prüfen, ob nicht bereits vereinbarte Regelungen zur Haustierhaltung vereinbart sind, denn solche Regelungen gehen gem. § 15Abs. 2WEG grundsätzlich Beschlüs- sen der Wohnungseigentümer vor. b) Dabei ist es ohne weiteres auch möglich, nachträglich eine Gebrauchs- und Benut- zungsregelung zur Haustierhaltung, auch in Form einer Hausordnung, zu verein- baren. Für eine solche Vereinbarung, die Bindungswirkung auch für nachfolgende in die Gemeinschaft später eintretende Eigentümer entfaltet, ist gem. §§ 15Abs. 1, 10 Abs. 2 u. 3 WEG allerdings eine vertragliche Einigung aller Wohnungsei- gentümer über eine entsprechende Ergän- zung / Änderung der Gemeinschaftsord- nung nebst Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich. Ob diese Voraussetzungen vorliegend geschaffen werden können bzw. eine solche Vor­ gehensweise praktisch realisierbar ist, müssen die Wohnungseigentümer unter- einander klären. 2. Beschlüsse über die Abänderung vereinbarter Tierhaltungsregelungen Grundsätzlich sind die Wohnungseigen- tümer gem. § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 1 WEG befugt, im Rahmen einer Hausord- nung oder allgemein im Rahmen einer sog. Gebrauchs- und Nutzungsregelung

i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG die Tierhaltung durch (Mehrheits-)Beschluss zu regle- mentieren. Besteht indes bereits eine diesbezügliche Vereinbarung, so stellt sich die Frage nach der erforderlichen Beschlusskompetenz, da die Regelung des § 15 Abs. 2 WEG die Möglichkeit eines Mehrheitsbeschlus- ses ausdrücklich nur für den Fall eröffnet, dass nicht bereits eine abweichende Ver- einbarung (imRahmen der Gemeinschafts- ordnung) existiert. a) Welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn die Wohnungseigentümer durch Mehr- heitsbeschluss eine vereinbarte Ge- brauchs- und Nutzungsregelung bzw. Hausordnung abändern, die einen Be- standteil der Gemeinschaftsordnung bil- det, ist in Rechtsprechung und Literatur heftig umstritten und höchstrichterlich bis dato ungeklärt. Dabei kann zum einen die Auffassung vertreten werden, dass es sich bei einer in der Gemeinschaftsordnung einer Woh- nungseigentümergemeinschaft enthaltenen Hausordnung um eineVereinbarung i.S.d. §§ 15Abs. 1, 10Abs. 2 u. 3WEG handelt, die demgemäß nur durch Vereinbarung, nicht aber durch Beschluss geändert wer- den kann, dies mit der Folge der absolu- ten Nichtigkeit des Beschlusses mangels Regelungskompetenz. Demgegenüber kann die Auffassung vertreten werden, dass es sich bei den in der Gemeinschafts- ordnung verankerten Regelungen einer Hausordnung lediglich um eine sog. „be- schlussoffene“Vereinbarung handelt, die einer Änderung durch einfachen Mehr- heitsbeschluss i.S.d. § 15 Abs. 2 WEG zugänglich ist. Letztlich ist diese Frage nach h.M. nur durch eine Auslegung des Inhalts der Gemeinschaftsordnung zu klären (vgl.: Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 10

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BEIRAT AKTUELL 55/II-20

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