Cellitinnen 4_2017_letzte_Fassung

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Den eigenen Weg nicht verlieren Aus der Reihe: Lebenswege

gaben sie ihr ‚Ich‘ nicht auf und engagierten sich entsprechend ihren Neigungen und Fähigkeiten oder blieben berufstätig, was aller- dings durch die mangelnden Mög- lichkeiten der Kinderbetreuung fast unmöglich war. Eine, die zunächst selbstbewusst im Beruf ‚ihren Mann‘ stand und später zu Hause mit vier Kindern eine Ehe auf Augenhöhe führte, ist Luzia Beckmann. In den Wirt- schaftswunderjahren besuchte die gebürtige Rheingauerin nach dem Abitur in Wiesbaden die Abend- schule, um Auslandskorrespon- dentin zu werden. Die englische Sprache hatte es ihr schon früh angetan, schließlich hatte man in den USA Verwandte. Ein Uni- versitätsstudium kam wegen der hohen Kosten nicht infrage. Bildung als Schlüssel

In dieser Zeit lernte sie ihren späte- ren Mann Paul-Heinz kennen. Hei- raten? Ja, gerne, aber noch nicht so bald. Zunächst stand die berufliche Karriere an. Die junge Frau kam bei einer amerikanischen Bank unter. Sie liebte ihren Job und die damit einhergehende Unabhängigkeit. Mit 25 Jahren traten Paul-Heinz und sie dann vor den Traualtar. Schnell kamen drei Kinder, das vierte ließ sich dann acht Jahre Zeit. 1960 zog die Familie nach Niederkas- sel bei Bonn in eine sogenannte ‚Nebenerwerbssiedlung‘. „Jeder Platz in Texas war mir bekannter als Niederkassel“, erinnert sich Luzia Beckmann. In den 14 Siedlerhäu- sern gab es 40 Kinder und wenig Anregendes für eine Frau, die sich immer für Politik, Kultur und gesell- schaftliche Themen interessierte. „Die Zeit war für mich nicht einfach, aber wegen der Kinder auch sehr schön“, erinnert sie sich.

Vor 60 Jahren war das Dasein als Hausfrau in der jungenBundesrepu- blik der ganz normale Lebensplan der meisten Frauen. Sie heirateten, bekamen Kinder und kümmerten sich um deren Erziehung, um Haus oder Hof. Viele Frauen hatten zwar einen Schulabschluss und eine ab- geschlossene Ausbildung, sie ar- beiteten als Sekretärin, Verkäuferin oder in sozialen Berufen – sobald die Kinder kamen, blieben sie zu Hause. Erinnern wir uns: Bis Mitte der Siebziger durften Frauen nicht ohne Zustimmung ihres Mannes arbeiten, der Ehemann konnte auch gegen den Willen der Frau ihre Ar- beitsstelle kündigen und seine Frau zur Arbeit im Haushalt verpflichten. Da half auch der schlichte Satz im Grundgesetz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ nichts. Viele Frauen fanden sich mit dieser Rol- lenverteilung ab oder gingen sogar in ihr auf, andere suchten sich in ihren Ehen Nischen: Bestenfalls

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