Cellitinnen 4_2017_letzte_Fassung

Kultur | Freizeit

Land und Leute

Wochenmarkt der Hamer und Benna

werden 60 Leute benötigt um ein Haus zu versetzen. In der Weberei der Dorze konnten wir bei der Her- stellung der im ganzen Land be- kannten Stoffe zusehen und diese auch kaufen. Eine Kaffeeplantage lag direkt an unseremweiteren Weg und so nutzten wir die Möglichkeit, diese zu besichtigen. Wir sahen, wie die Bohnen in mühevoller und zeitaufwendiger Handarbeit be- arbeitet werden, bevor wir unsere Tasse Kaffee genießen können. Mit einem Ausflug zum und einem Blick vom Kraterrand des Mount Wenchi (3.386 Meter) auf den wunderschönen Kratersee und die mittendrin liegende Klosterinsel nahmen wir Abschied von diesem faszinierenden Land, denn um Mitternacht ging unser Flug zurück nach Deutschland. Drei Wochen des Reisens durch Nord- und Südäthiopien waren vergangen. Die Fülle an besuchten Orten, Sehenswürdigkeiten und Be- gegnungen ermöglichte faszinieren- de Einblicke in den landschaftlichen, kulturellen und historischen Reich- tum des Landes. Mit einem tiefen Gefühl für die erstaunliche Vielfalt, Unvergessliche Eindrücke

die anrührenden Verschmelzungen, aber auch spannungsreichen Kon- traste Äthiopiens versehen, konnten wir nicht glauben, dass wir in dieser Zeit nur ein Land besucht haben. In historischer Hinsicht wandelten wir auf den Spuren einer mehrtau- sendjährigen Kultur-, Religions- und Staatsgeschichte und unternahmen eine Zeitreise, die uns von den alter- tümlichen Palastruinen und Stelen imReich der Königin von Saba, über die beindruckenden Felsenkirchen des äthiopischen Mittelalters in Lalibela zur höfischen Kultur der Gondar-Zeit, bis hin zur modernen Nationalstaatswerdung führte. Landschaftlich verlief unser Weg durch das zerklüfteteAmhara-Hoch- land, die trockenheißen Halbwüsten der Nordprovinz Tigray, das insel- artige, fruchtbare Klima der Graben- bruchseen und die lebenswidrigen Dornbuschsavannen imGebiet des unteren Omo-Flusses. Genauso ab- wechslungsreich wie die Gegenden, waren die Menschen sowie ihre Kul- turen und Lebensweisen. Besuche von Dörfern, Familiengehöften und Wochenmärkten oder einfach nur Stopps am Straßenrand ermöglich- ten eine Vielzahl von interkulturellen Begegnungen und ein Verständnis für den Alltag.

Egal, ob wir die Hamer, Mursi, Karo, Konso, Dorze und die anderen Völ- ker besuchten, gegenseitige Hem- mungen waren schnell abgebaut. Das betraf auch die vielen Begeg- nungen bei kurzen Stopps zu einem spontanen Marktbesuch. Schnell waren wir von zehn bis zwanzig Kindern und Jugendlichen umringt; reine Neugier – auf beiden Seiten. Ein Foto war fast immer möglich. Unbeschreiblich lebhaft dann die Reaktionen nach einem Blick auf das Display des Fotoapparates mit dem eigenen Abbild. Die tiefe Religiosität der Amharen und Tigriner, die riesigen Rund- häuser der Halaba und Gurage, der anstrengende Terrassenfeld- bau der Konso und der reiche Körperschmuck der Mursi, Hamer und Karo im Omo-Gebiet sowie die unnachahmliche Vielfalt des Landes sind dabei nur einige der Erfahrungen, die uns ins Staunen versetzten. Insgesamt war die Reise durch Nord- und Südäthiopien ein vollkommen gelungenes Erlebnis, das mir immer in Erinnerung bleiben wird.

Doris Strehlow, ehem. Chefarztsekretärin Heilig Geist-Krankenhaus

58 CellitinnenForum 4/2017

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