Cellitinnen 1_2016

Glauben | Leben

öffentlichen Wirken in der Wüste, wie in der Heiligen Schrift berichtet wird. Die Zahl 40 verbindet auch an anderen Stellen Bedeutungs- gehalt von Buße, Erwartung und Vorbereitung, wenn man etwa an die 40 Tage der Sintflut denkt oder die 40 Tage und Nächte, die Moses auf dem Berg Sinai verbrachte.

meine Geschwister und ich haben gefastet.

oder nicht, ist jedem Muslim selbst überlassen.

Welche Bedeutung hat das Fasten für Sie? Fasten im Islam ist eine Form des Gottesdienstes. Das Fasten im Monat Ramadan gehört zu den so- genannten fünf Säulen des Islam, also zu den Hauptpflichten, die ein Muslim als Gottesdienst durchführt. Das Fasten im Islam heißt, dass der Muslim bzw. die Muslima von Beginn der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang nichts isst, nichts trinkt und sich des Bei- schlafs mit dem Ehepartner enthält. Das ist das ‚äußere‘ Fasten. Das Fasten hat aber auch eine ‚innere‘ Dimension. Der Muslim soll dem- nach im Ramadan noch mehr als sonst darauf achten, sich gänzlich von Sünde freizuhalten, das heißt nichts Verwerfliches bewusst an- schauen, nichts Schlechtes reden, auf nichts Böses hören und nichts Verabscheuungswürdiges tun. Denn Fasten heißt erkennen, dass man in Wahrheit einzig und allein von Gott abhängig ist. Zugleich soll sich der Fastende darüber klar werden, dass er sich von ver- meintlicher Abhängigkeit lossagen kann und muss. Er ist ein Pilger, der sich mit seinem Fasten zu sei- nem Schöpfer aufgemacht hat und alles, woran er gewöhnt ist, was er aber nicht unbedingt benötigt, hinter sich zurücklässt. Zudem be- schäftigt sich der Muslim, wenn er fastet, intensiver mit den Gebeten oder dem Lesen des Korans. Ob man die Regeln streng auslegen will Halten Sie die Fastenregeln streng ein? Wie fasten Sie?

Wie gehen Sie bei der Arbeit mit dem Fasten um? Die ersten Tage des Fastenmonats sind anstrengend, aber der Glaube gibt einem Kraft. In den darauf- folgenden Tagen gewöhnen sich Körper und Geist an das Fasten. Man konzentriert sich aufs Arbeiten und stellt in sich selbst fest, wie die eben angesprochenen ‚inne- ren‘ Dimensionen zum Vorschein kommen. Man beschäftigt sich in- tensiver mit dem Islam. Wie gehen die Kollegen damit um? Überraschenderweise zeigen die Nichtmuslime deutlich mehr Ver- ständnis als manche Muslime. Häufig werde ich von Muslimen kritisiert, die nicht im Ramadan fasten. Warum dies so ist, kann ich mir nicht erklären. Sie bringen fragwürdige Argumente vor wie: „Das ist nicht gesund.“ Auch Nicht- muslime argumentieren in diese Richtung. Ich erkläre dies dann so: Jeder Mensch sucht nach einer Herausforderung oder man kann es auch als ‚Kick‘ beschreiben. Wa- rum springen Menschen aus einem Flugzeug mit einem Fallschirm oder steigen auf den Mount Everest, was bringt ihnen das, außer sich in große Gefahr zu begeben? Mit Logik oder Vernunft ist dieses Ver- halten schwer zu erklären. Es ist die Herausforderung, der ‚Adrenalin- Kick‘, über sich hinaus zu wachsen. Für mich ist der Fastenmonat, der ‚spirituelle‘ Kick einerseits, da es meinen Körper und meine Seele reinigt, aber das allerwichtigste, es ist ein Gebot Allahs (Gottes).

Auch in anderen Religionen gibt es eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Fastenpraxis. Im Islam hat das Fasten imMonat Ramadan eine besondere Bedeutung. Das CellitinnenForum sprach dazu mit Dr. Hakan Ösün, der als Facharzt im Kölner Heilig Geist-Krankenhaus arbeitet. Herr Dr. Ösün, Ihre Familie stammt aus der Türkei, sie sind aber schon in Deutschland geboren. Sind Sie in Ihrer Familie mit dem Fasten groß- geworden? Ja, ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, genauer ge- sagt im Heilig Geist-Krankenhaus geboren und im Kölner Norden auf- gewachsen. Ich bin mit dem Fas- ten großgeworden, meine Eltern,

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