GOLF TIME 4/2017

TRAINING | SPORTPHYSIO

KRAFTEINSATZ OPTIMIEREN

DR. CHRISTIAN HAID Biomechaniker, Universitätsklinik Innsbruck

RHYTHMUS Die richtige Power hat nicht wirklich etwas mit Muskelkraft zu tun. V iel Muskelkraft wird im Golfschwung eingesetzt. Das soll unsere Bewe- gung beschleunigen. Häufig hat Krafteinsatz jedoch die gegenteilige Wirkung. Hier einige Beispiele, bei denen Krafteinsatz bewegungshemmend wirkt:

» Unsere Beugemuskeln und Streckmuskeln arbeiten gegeneinander (Koaktivierung der Antagonisten). Das stabilisiert zwar in den Gelenken, verlangsamt jedoch die Bewe- gungsdurchführung. » Wir kontrollieren den Bewegungsablauf, „führen den Schläger“ und verlangsamen dadurch die Schlägerkopfgeschwindigkeit . Wir glauben, dadurch mehr Kontrolle zu haben, das ist jedoch nicht der Fall. » Wir bewegen uns mit falschem Rhythmus , unsere Kraft unterstützt nicht die natürliche Bewegung, die z. B. aufgrund der Physik gegeben ist, sondern behindert sie. » Wir führen Bewegungen durch, um unseren Krafteinsatz besser zu spüren. Strecken z. B. das Handgelenk zu früh (Angel auswerfen). Dadurch erhöhen wir den Bewegungs- widerstand und erschweren die Bewegung . Um zu lernen, unsere Kraft optimiert einzuset- zen, ist es hilfreich, einige Vorübungen durch- zuführen. So eigenartig es klingen mag, wir müssen uns beim optimierten Golfschwung zuerst mit dem Gefühl der „Kraftlosigkeit“ an- freunden. Die Bewegung soll nicht schwer sein, sondern schnell. Als Erstes daher: Wie kommt es zur Kraftentfaltung durch Muskelkraft? Jede Muskelfaser enthält Aktin- und Myosin- filamente, die für die Kontraktion verant- wortlich sind. Diese Filamente (fadenförmige Gebilde) haben Kontaktstellen, an denen sie sich verbinden. Bei einer Muskelkontraktion bindet das Myosin an das Aktin und die „Ver- bindungsbalken“ erzeugen eine mechanische Wegveränderung. Dadurch gleiten die Aktin- und Myosinfilamente aneinander vorbei. Das führt zur Verkürzung des Muskels. Ursprung und Ansatz des Muskels kommen näher zusammen, wir verändern dadurch die Winkel- stellung im betroffenen Gelenk.

Locker vom Hocker: Amy Yang schwingt mit perfektem Rhythmus

zusätzliche Dehnung. Man entwickelt auf diese Art die höchste Muskelkraft.

Es gibt unterschiedliche Arten der Muskelkon- traktion. Am häufigsten hören wir von der iso- metrischen Muskelanspannung. Hierbei wird ein Muskel angespannt, ohne dass eine Bewegung im Gelenk erfolgt (z. B. beim Bodybuilding). Heben wir einen Gegenstand auf und beugen dabei im Ellbogen, dann verkürzt sich der Muskel und man nennt diese Form der Kontraktion konzentrisch. Man spricht von exzentrischer Muskel- kraftentfaltung, wenn z. B. der M. biceps (Beugemuskel im Ellenbogengelenk) ange- spannt ist und gegen die Spannung des Mus- kels, Ursprung und Ansatz auseinandergezo- gen werden. Der Winkel im Ellbogengelenk vergrößert sich somit, obwohl die Muskelan- spannung versucht, das zu verhindern. In die- sem Fall hat der Muskel bereits eine Zugkraft entwickelt. Diese Zugkraft erhöht sich durch die

Die Größe der entstehenden Muskelkraft hängt also auch davon ab, welche Bewegung in ei- nem Gelenk während der Muskelanspannung stattfindet. Das können wir beim Golfschwung ausnützen. Wir benötigen muskuläre Vorspan- nung und müssen uns so bewegen, dass wir die exzentrische Muskelkraft in den verschie- denen Gelenken nützen können. Somit muss unser Bewegungsverhalten und der Aufbau von Muskelspannungen aufeinander abge- stimmt werden. Spitzensportler nützen immer die optimierte Kraftentfaltung der exzentri- schen Muskelspannung. Bei allen Tourspielern erkennt man die entsprechenden Bewegungs- muster. Diejenigen, die das weniger nützen, sind auch diejenigen, die die geringeren Schlagweiten aufweisen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Golf- schülern diese Bewegungsdetails aufzuzeigen und beizubringen (Healthy-Swing.at). Das geschieht mit einfachen, leicht durchführbaren Übungen, die nicht unbedingt am Golfplatz durchgeführt werden müssen. Da wir den exzentrischen Muskelkrafteinsatz nicht als anstrengend empfinden, führt das immer zu einem Gefühl der Leichtigkeit und erhöht trotz- dem die Schlagweiten. GT INFO christian.haid@i-med.ac.at

Kontraproduktiv: Trotz ihrer Athletik gehört Sandra Gal nicht zu den Long- hittern auf der Tour

102 GOLF TIME | 4-2017

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