GOLF TIME 4/2017

GÖTZ ZITAT

Das passiert alles nur in meinemKopf

E igenartiges Gefühl in der Magen- gegend. Irgendetwas zwischen flau und das Fischcurry vom Inder bereitet sich auf seine Reinkarna- tion vor. Bei den Probeschwüngen vor dem Turnierstart scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Nicht gut. Ist das überhaupt der richtige Golfplatz? Das Fairway wirkt vom Abschlag so beengt wie meine Kehle, in der ein Kloß von der Größe eines Golfballs zu stecken scheint. Hoffent- lich ist es kein teures Modell. Habe Angst zu schlucken. Ich melke den Griff meines Drivers mit Hingabe. Sergio García würde weinen vor Glück. Vielleicht kaufe ich mir mal eine Kuh. Das würde meiner Grifftechnik sicher gut- tun. Hastig packe ich den Driver weg. Das Fair- way weist nun die Enge eines Bleistiftstriches auf. Ich erwürge erst mein Holz 3, dann läuft das Eisen 5 blau an. Ich frage mich, was so ein Putter vom Tee zu leisten imstande ist? Verwerfe den Gedanken. Die Getränke- preise im Clubhaus sind nicht von schlechten Eltern. Sind das Urlauber, die sich da im Sand- hindernis um die besten Liegeplätze balgen? Was heißt da Sandhindernis? Das ist ein Strand. Und ganz bestimmt kein kleiner. Ich habe ein Handtuch an meiner Golftasche befestigt. Wenn ich jetzt loslaufe, schaffe ich es vielleicht, mir noch vor den Engländern einen guten Platz zu sichern. Warum redet niemand mehr mit mir? Ach richtig, beim Abschlag müssen alle schwei- gen. Etikette. Sehr wichtig. Beim Blick in die Runde kann ich den Alterungsprozess

meiner Mitspieler beobachten. Aus dem jungenMannwird ein älterer, gebeugterHerr. Trotzdem bewegt er sich nicht. Die Dame neben ihm wagt nicht einmal zu blinzeln. Seit Stunden, seit Tagen, seit Jahren. Ich bin tief beeindruckt. Plötzlich fliegt mein Ball schnurgerade davon und zerteilt das Fairway wie ein heißes Messer eine Kugel Vanilleeis. Dabei kann ich mich an keinen Schlag erinnern. Die Wolken am eben noch tristen, grauen Him- mel reißen auf. Gleißende Sonnenstrahlen schießen auf uns herab wie Laserblitze im Krieg der Sterne. Möge die Macht mit mir sein. Tausende Zuschauer johlen entlang der Absperrseile. Mein Schläger, mein Schwung, mein Ball, der Platz, das Loch – wir sind alle eins. Ich habe den Zielcomputer ausge- schaltet. Obi Wan hat es mir befohlen. Ein Birdie-Gewitter bricht über mich herein. Auf meiner Scorekarte tummelt sich mehr Federvieh als im Weltvogelpark Walsrode. Die Geschichtsbücher müssen umgeschrieben werden. Breaking 70? Also bitte! Breaking 60? Alter Hut! Breaking 50! So schaut es mal aus! Wo ist ein Mitarbeiter von Guinness, wenn man ihn braucht? Auch der Speedgolf- Rekord wird heute gebrochen. 18 Loch in gefühlten 60 Sekunden. Usain Bolt platzt vor Neid. Ich wache schweißgebadet auf. Durch meinen Kopf schwirren vereinzelte Wortfetzen. Ich erinnere mich an eine Bruttorede, die live auf n-tv übertragen wurde. Der Wecker zeigt 5 Uhr 48 an. In vier Stunden schlage ich beim Monatspreis ab. Mein Magen rumort schon wieder. Dabei hatte ich gar kein Fischcurry … GT

GÖTZ SCHMIEDEHAUSEN Seit 2011 Mitarbeiter bei GOLF TIME. Vertritt die These, dass Golfer ab einem gewissen Grad des Wahnsinns auch ohne bewusstseinserweiternde Substanzen in den Genuss von Träumen kommen können, die dem Kopf von Salvador Dalí entsprungen sein könnten.

»Ich melke den Griff meines Drivers mit Hingabe. Sergio García würde weinen vor Glück. Vielleicht kaufe ich mir mal eine Kuh. Das würde meiner Grifftechnik sicher guttun«

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