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Die Suche nach der guten Form

• UND ETWAS ÜBER DESIGN Die eigentliche Geschichte des Design begann mit der Industriel- len Revolution. Bis dahin wurde alles in Werkstätten und Manu- fakturen von Hand gefertigt. Bis ins 19. Jahrhundert hinein war der Handwerker zuständig für Idee, Konzeption und Herstellung der Objekte. Die Revolution brachte eine tiefgreifende Umgestal- tung der Lebensumstände und Arbeitsbedingungen mit sich. Sie zerriss die vorhandene Einheit zwischen Entwurf und Ausführung. Als Gegenströmung propagierte die „Arts and Crafts“- Bewe- gung in England eine stilerneuernde und sozialreformerische Rückbesinnung auf die Qualität des Handwerks und dessen in- newohnender Schönheit. Einfachheit und ernsthafter Umgang mit dem Material waren angesagt. Die Bauhaus-Idee Undenkbar wäre der Begriff des Design ohne die Idee des Bau- hauses, das unter der Leitung von Walter Gropius 1919 in Wei- mar entstand und schließlich zum zentralen Ausgangspunkt der weiteren Design-Entwicklung wurde. Der Leitgedanke von Gropius war, dass im Bauhaus Technik und Kunst eine neue, zeitgemäße Einheit bilden sollten. Die Devise war - „Die Technik braucht die Kunst nicht, aber die Kunst benötigt sehr wohl die Technik“. Ange- knüpft wurde an die Lebensreform-Bewegung der Jahrhundertwen- de, die sich insbesondere mit der Wohnkultur auseinandersetzte. Der Muff des 19. Jahrhunderts mit seinen schwülstigen Möbeln in dunklen Räumen sollte von neuen Formen des Wohnens abgelöst werden. Moderne Menschen des 20. Jahrhunderts sollten in hel- len, klaren Räumen neue Lebensformen entwickeln. [1,2] Nicht zuletzt wegen seiner Internationalität hat das Bauhaus uni- verselle Bedeutung erlangt. Walter Gropius als Direktor besaß die Fähigkeit, Talente für das Projekt zu begeistern, darunter die Ungarn Marcel Breuer und Lázló Moholy-Nagy, der Russe Was- sily Kandinsky und der Österreicher Herbert Bayer. Die Künstler- gruppe De Stijl beschäftigte sich mit der Übertragung konstrukti- vistischer Ideen auf die Architektur. Mit seinen Gastvorlesungen über „radikale Gestaltung“ löste der Theoretiker Theo van Does- burg einen Funken aus – und man sprach nun von „industrieller Formgebung“. Das Bauhaus wuchs zu einem Labor für Gestal- tungs-Experimente und zur ersten Hochschule für modernes De- sign. Die Professoren nannten sich „Formmeister“. [1,2]

Eine neue Generation sollte ausgebildet werden, die den Alltag revolutionieren und eine neue bessere Welt gestalten kann.

Keineswegs war das Bauhaus eine isolierte Erscheinung. Die neue Sachlichkeit – zunächst eine Angelegenheit von Avant- gardisten – wurde um 1930 in Deutschland der führende Stil der Zeit. Mit der Weißenhofsiedlung in Stuttgart entstand die schnelle Verbreitung jener Bewegung, die man heute „klassische Moderne“ nennt. In dieser Tradition stehend beschreibt Dieter Rams (geb.1932, Tischler, Architekt, Industriedesigner) seine De- signphilosophie mit „Weniger Design ist mehr Design“. Er knüpft damit unmittelbar an das „Less is more“ (weniger ist mehr) von Mies van der Rohe, dessen Bekenntnis zum internationalen Stil insbesondere prägend für die Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg wurde.[1,2] Raymond Loewy (1893-1986, französisch-amerikanischer Industriedesigner, einer der bedeutendsten Gestalter und Pro- tagonisten in den USA). Er beeinflusste von 1925-1980 die industrielle Formgestaltung Nordamerikas durch seine De- sign-Philosophie, z.B. „Schönheit durch Funktion und Vereinfa- chung“. Mehrere Generationen fanden durch ihn ihren eige- nen Geschmack und ihren eigenen Lebensstil, den „American Way of Life“. Loewy verstand Design als Marketing-Faktor: „Von zwei Produkten, die in Preis, Funktion und Qualität nichts unterscheidet, wird das mit dem attraktiveren Äußeren das Ren- nen machen.“[5] In der Design-Ausbildung Deutschlands waren nach 1945 ver- schiedene Schwerpunkte zu erkennen. In den Fünfziger Jahren die Ergonomie, in den Sechziger Jahren die Planung und Me- thodologie, in den Siebziger Jahren die sozialen Aspekte, in den Achtziger Jahren die Sinnlichkeit.[2] Nach dieser 80iger-Jahre-Blütezeit wurde das deutsche Produkt- und Industriedesign mit den Auswirkungen ökologischer und struktureller Veränderungen konfrontiert. Die weitere Gestaltungs- arbeit veränderte sich unter der dramatischen Gesamtentwick- lung. Ein einheitliches Bild des Design von heute zu zeichnen, gelingt kaum – so vielschichtig und mehrdeutig sind derzeitige Strömungen und Tendenzen. [2]

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