3_2017

NACHHALTIGKEIT BEI DER IT-BESCHAFFUNG

über ihr Rechenzentrum PAIR ange- schlossen sind, nicht nur von Kostenein- sparungen, die je nach Produkt und Menge bis zu 50 Prozent ausmachen. «Der Austausch unter den Mitgliedern, der Zugang zu Kontakten und die Erfah- rungen von PAIR werden von uns sehr geschätzt», erklärt Gemeindeschreiber Fredy Huber. PAIR nutzt ausserdem sei- nen Einfluss als grosse Einkaufsorgani- sation, um das Thema Nachhaltigkeit bei den IT-Herstellern voranzutreiben. Mehr als Energieeffizienz verlangen PAIR beschäftigt sich seit 2010 intensiv mit der Integration von sozialen und ökologischen Themen in seinen Aus- schreibungen.Während PAIR früher von den Anbietern bloss eine Selbstdeklara- tion zur Einhaltung von gewissen sozia- len und ökologischen Aspekten ver- langte, müssen sie heute spezifische Fragen zu ihrer Produktionskette beant- worten und vor allem im ökologischen Bereich über Labels verfügen oder bele- gen, dass ihre Produkte dieselben Krite- rien erfüllen. «Es ist wichtig, sich zuerst über die sozi- alen und ökologischen Herausforderun- gen von IT-Hardware zu informieren», ist Valérie Bronchi von der Abteilung Nach- haltige Entwicklung im Departement für Infrastruktur und Personalwesen des Kantons Waadt überzeugt. Sie hat bei der Erarbeitung der Nachhaltigkeitskri- terien für PAIR massgebend mitgewirkt. Die ökologischen und sozialen Heraus- forderungen sind vielfältig und komplex, wenn man den gesamten Lebenszyklus von Rohstoffabbau bis Entsorgung be- trachtet: Umweltverschmutzung, ge- sundheitsschädliche Chemikalien, men- schenunwürdige Arbeitsbedingungen, mangelhafte Arbeitssicherheit, über- mässiger Energieverbrauch, Konflikt- mineralien und illegaler Bergbau sind nur einige Beispiele. Als Informationsquelle greift Valérie Bronchi auf Expertenberichte in diesem Bereich zurück, wie sie beispielsweise im Rahmen der Kampagne «HighTech – No Rights?» von Brot für alle und Fastenop- fer erarbeitet wurden. Als Nächstes

übersetzt sie die ökologischen und sozi- alen Herausforderungen in Ausschrei- bungskriterien. «Dabei ist es wichtig, dass diese klar definiert sind und sich überprüfen lassen», fährtValérie Bronchi fort. Die Zusammenarbeit im Beschaf- fungsnetzwerk PAIR zwischen Experten in den Bereichen IT-Technik, Anbieter- markt und Nachhaltigkeit vereinfacht die Formulierung der Ausschreibungskrite- rien. Waadt hat Vorreiterrolle PAIR verfolgt bei seinen Ausschreibun- gen einen pragmatischenAnsatz: Ökolo- gische und soziale Anforderungen, die inzwischen auf dem Markt weit verbrei- tet sind, werden als Ausschlusskriterien unter den technischen Spezifikationen oder als Eignungskriterien aufgeführt. Hingegen werden Bestrebungen, die von Anbietern noch nicht oder selten er- füllt werden, unter den Zuschlagskrite- rien aufgeführt. So führt PAIR beispiels- weise die Energieeffizienzanforderungen gemäss den Labels EPEAT Gold, Energy Star oder TCO Certified unter den tech- nischen Spezifikationen, weil diese Um- weltstandards schon weit verbreitet sind. Das Engagement der Anbieter für weniger Umweltverschmutzung in den Produktionsländern wird dagegen erst unter den Zuschlagskriterien bewertet. Dasselbe gilt für das Engagement der Anbieter für bessere Arbeitsbedingun- gen, sofern dieses einen genügenden Bezug zum Auftrag hat. Valérie Bronchi zählt nicht nur auf das Netzwerk von PAIR, wenn sie Ausschreibungskriterien zu sozialen und ökologischen Aspekten formuliert. Sie nutzt auch Onlineplatt- formen, welche Informationen zur nach- haltigen Beschaffung und konkrete Hilfsmittel für die Definition von Aus- schreibungskriterien zurVerfügung stel- len. Seit 2016 ist der Kanton Waadt als erste öffentliche Institution Mitglied von Electronics Watch. Diese Initiative über- wacht die Produktionsbedingungen von EDV-Anlagen. Mit dieser Mitgliedschaft will der Kanton die Berücksichtigung so- zialer Kriterien in seiner IT-Beschaffung stärken (siehe Infobox).

Auch in der Deutschschweiz befassen sich bereits einige Gemeinden mit der nachhaltigen Beschaffung von Compu- tern. Häufig wird IT-Hardware über Rechenzentren eingekauft, doch im Gegensatz zur Romandie existiert in der Deutschschweiz noch kein mit PAIR vergleichbarer regionaler Zusammen- schluss. Ein solcher Zusammenschluss wäre aber gewinnbringend – sowohl wegen der Kosteneinsparungen wie auch in Bezug auf ökologische und sozi- ale Aspekte. • Labelinfo.ch: Die Label-Datenbank der Stiftung Pusch bietet Informatio- nen zu mehr als 150 Gütesiegeln und Deklarationen (www.labelinfo.ch). • Guide des achats professionels res- ponsables: Der Leitfaden für profes- sionelle Einkäufer von Behörden und Unternehmen bietet Werkzeuge zur Integration von Nachhaltigkeitskrite- rien (http://achats-responsables.ch). • Electronics Watch: Die unabhän- gige Monitoringorganisation unter- stützt die öffentlichen Auftraggeber darin, ihre Verantwortung für den Schutz der Arbeitsrechte in der globa- len Lieferkette der Elektronikindustrie wahrzunehmen (eletronicswatch.org/ de). Nachhaltige IT-Beschaffung online Hier finden Gemeinden und KMU Informationen und Unterstützung: • Kompass Nachhaltigkeit: Die Inter- netplattform der Stiftung Pusch und der ÖBU, des Netzwerks für nachhal- tiges Wirtschaften, stellt der öffentli- chen Hand und KMU Informationen zur nachhaltigen Beschaffung zurVer- fügung (www.kompass-nachhaltig- keit.ch).

Flavia Fries Marianne Stünzi, Pusch

Rohstoffe

Herstellung

Gebrauch

Entsorgung

Arbeitsbedingungen und Arbeitssicherheit Freisetzung Schadstoffe

Konfliktmineralien Illegaler Bergbau Abfall/Verschmutzung

Freisetzung Schadstoffe

Energieverbrauch

Lebenszyklus von IT-Hardware.

Illustration: F. Fries

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SCHWEIZER GEMEINDE 3 l 2017

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