animiert magazin nummer19 winter

mystische Landschaft Richtung Fünffingerstö- cke. Oben angekommen war es dann vorbei mit der Mystik. Ein Sturm empfing uns, wir verzich- teten auf den Gipfel und machten uns stattdes- sen direkt auf den Weg zur Sustlihütte. Bei der Hütte angekommen, begrüssten uns die Hütten- warte und die Nachmittagssonne. Was macht man, wenn man bereits um 14 Uhr in der Hütte ankommt? Richtig, ein ausgedehntes Mittag- schläfchen. Am Abend kam dann etwas Wehmut auf, würden wir doch am nächsten Tag Engelberg erreichen und jeder wieder seiner Wege gehen.

Am nächsten Morgen ging es noch vor Son- nenaufgang Richtung Sustenhorn. Nach drei Stunden Aufstieg erreichten wir den Susten- horngletscher. Mächtig und gross breitete sich das schier endlose Eisfeld vor uns aus und der Gipfel war zum Greifen nah. Der letzte Aufstieg zog sich allerdings länger hin als gedacht und die Höhe sowie eine steife Brise machten es uns nicht einfacher. Das Sustenhorn hatte ich schon etliche Male vom Titlis aus bestaunt, aber als ich auf dem Gipfel des 3503 Meter hohen Berges stand, war die Perspektive eine ganz andere.

Mitten in der Nacht machte sich das letzte Bier bemerkbar und gegen zwei Uhr verlangte meine Blase nach Erleichte- rung. Die Sustlihütte liegt wunderbar vis-à-vis des mäch- tigen Sustenhorns. Da sich, wie

Ganz klein ist der Mensch und die unfassbare, zeitlose Weite zog mich in ihren Bann. Bei der Abfahrt hatte auch hier der Wind seine Spuren hinterlassen, der Schnee war knüppelhart. Vorbei an

Als Abschluss der Skitour lockt eine Abfahrt von 2000 Höhenmetern!

bei fast jeder SAC-Hütte, das WC in einer separa- ten Hütte befindet, standen ausreichend Gummi- stiefel parat, um den Weg über den Schnee sicher zu bewerkstelligen. Als ich aus der Hütte ging, empfing mich eine sternklare Nacht. Der Mond erhellte die Landschaft und die Berge schienen zum Greifen nah. Ich hätte allerdings besser auf den Boden statt auf die Berge geschaut. Denn mit einem kräftigen Rumps lag ich auf dem Rücken. Routiniert und trotz nächtlichem Sturz zum Glück unverletzt, zogen wir am nächsten Morgen unsere Felle an und nahmen die letzte Etappe in Angriff. Bei bestem Wetter bestiegen wir den Grassen (2946 m.ü.M.) und genossen die fast 2000 Höhenmeter Abfahrt nach Engelberg. Wie könnte es in Engelberg anders sein: dies- mal in feinstem Pulverschnee! Ein herrliches Gefühl, mit den Skiern nach Hause zu fahren. Auf der ganzen Tour haben wir nur einmal von Weitem zwei andere Menschen gesehen. Zwei Menschen in fünf Tagen – wilde, schöne Heimat!

riesigen Gletscherspalten wurden wir sicher zum Hotel Steingletscher geführt. Fast 2000 Höhenmeter Gletscherabfahrt und wir er- reichten am dritten Tag das erste Mal fliessend warmes Wasser und ein Innen-WC mit Spülung. Einen ausgedehnten Besuch der Toilette und eine heisse Dusche später fühlte ich mich wie neugeboren. Unser Appetit war beeindruckend und nach gemütlicher Runde lagen wir bereits gegen 21 Uhr in den Federn. Am nächsten Morgen bin ich dann extra noch etwas früher aufge- standen, um ein weiteres Mal eine Dusche zu geniessen. In der Nacht war das Wetter gekippt und nach drei Tagen Sonnenschein empfing uns eine Mischung aus Schneefall und Nebel. Mit der Zeit bekommt man beim Aufstieg eine angenehme Routine. Skitouren haben fast etwas Meditatives, ein Schritt folgt dem anderen. Mit jedem Schritt lässt man die Alltagssorgen weiter zurück und nach und nach macht sich eine wohlige Leere im Hirn breit. Der Weg ist das Ziel und so zogen wir weiter durch die weisse

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