Cellitinnen 1_2017

ging es an die Côte d‘ Azur oder ins Schweizer Wallis, immer in eine Ferienwohnung, um selbstbestimmt zu sein. Zu Hause konnte der täg- liche Spaziergang gut und gerne drei Stunden dauern, „selbst als mein Mann schon 98 Jahre alt war“, er- gänzt Inge Klein. Schließlich wurde es Zeit für die Vorsorge, ent- schied ihr Mann zu seinem

an den Füßen operiert werden. Ihr Mann übernahm den Haushalt so gut er konnte, bis er 2013 mit 102 Jahren starb. „Ich war tief- traurig, aber ließ mir nichts anmer- ken.“ Zwei Jahre lang konnte sie ihre Wohnung wegen ihrer Füße nicht verlassen. Der Sozialdienst kümmerte sich um die Seniorin. Die Stofftiere, die Bücher, Häkel- und Stricknadeln gaben ihr Halt. Nach der letzten Operation kam Inge Klein in die Kurzzeitpflege der Hausgemeinschaften St. Augusti- nus. Doch wie sollte es danach weitergehen? Trotz Spezialschuhen war an eine Rückkehr in die eige- nen vier Wände nicht zu denken, auch wenn sie es zunächst nicht wahrhaben wollte. Dino Kierdorf, Leiter der Hausgemeinschaften St. Augustinus, konnte seinen Gast schließlich davon überzeugen, ein freigewordenes Zimmer auf Dauer zu beziehen. „Ich bat um eine Nacht Bedenkzeit, dann sagte ich zu“, er- innert sich Inge Klein. ‚Man muss das Leben nehmen, wie es kommt‘ getreu diesem Lebensmotto wurde die seit 83 Jahren von ihr bewohnte Wohnung aufgelöst. Einige Möbel, wie die Kommode und der Sessel, fanden in dem neuen Zimmer Platz. Ebenso die Zange, „damit ich die Schraubverschlüsse öffnen kann.“ Selbst ist die Frau! Ohne Gram blickt sie auf den Umzug zurück. Inge Klein hat sich in ihrem neuen Zuhause sehr gut eingelebt. Der Rhythmus hat sich wieder in ihrem Leben eingestellt: dienstags, 10:30 Uhr Fitness für Körper und Geist, nachmittags eine Stunde vorgele- senen Geschichten zuhören, denn selber lesen fällt ihr zunehmend schwer; Donnerstag um 11:00 Sin-

gen, denn Singen macht glücklich, Gymnastik, Bewegung am Ergo- meter und einmal imMonat geht es zumWochenmarkt. Malen ist gut für die Stimmung und so ist Inge Klein eine Konstante in der Malgruppe ‚Krambambuli‘. Und reicht die Wolle nicht mehr für die nächste Strick- jacke, dann geht es mit dem Taxi in die Kölner Innenstadt zu Karstadt in die Handarbeitsabteilung. Wenn man schon mal da ist, wird auch gleich der Schokoladenvorrat auf- gefüllt. „Nicht für mich, sondern für die netten Mitarbeiter in den Haus- gemeinschaften“, erklärt sie. „So kann ich mich erkenntlich zeigen für die liebevolle Fürsorge“. Inge Klein ist mittlerweile im Beirat der Ein- richtung, begrüßt neue Bewohner und muntert diese auch schon mal auf. „Ich bin sehr zufrieden mit mei- nem Leben. Das, was war und das, was ist – beides ist gut. Ich habe auch hier meine Ruhe und stricke gerne – der Lupe sei Dank. Wenn ich Gesellschaft möchte, brauche ich nur die Tür aufzumachen.“ – Wo es mir gefällt, da bleibe ich. Aufbruch zu einer der vielen Reisen des Ehepaares Klein

hundertsten Geburtstag, und man erkundete die Friedhöfe nach einer geeigneten Grabstelle. Auf dem Südfriedhof wurde das Ehepaar fündig, erledigte die Formalitäten und ließ den Grabstein aus der Normandie aufstellen. Bis dahin folgte das Leben klaren, bestän- digen Rhythmen mit wenigen Aus- schlägen nach oben oder unten.

Hindernisse

Doch dann musste Inge Klein we- gen einer Virusinfektion sechsmal

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