AKWL-Geschäftsbericht 2016

Editorial | AKWL Geschäftsbericht 2016

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Editorial

Sehr geehrte Damen und Herren,

der 19. Oktober 2016 wird als ein Schwarzer Mittwoch in die Ge- schichte der Apothekerschaft eingehen. Ohne jedwede Rücksicht- nahme auf sinnvolle nationale Regelungen im Gesundheitswesen, die – so lautete einer der Grundgedanken der Europäischen Union – nicht von Brüssel aus reguliert werden sollten – entschied der Euro- päische Gerichtshof: Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel sind ausländischen Versandapotheken, die Patienten in Deutschland beliefern, gestattet. Die Begründung für dieses Urteil kann man nur als krude und hanebüchen bezeichnen: Ein Preisvorteil für den Patienten durch ei- nen Bonus sei die einzige Möglichkeit für die ausländischen Versen- der, um auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Denn ansonsten seien die Vor-Ort-Apoteken ja den Versendern in jeglicher Hinsicht überlegen. Auf den Sport bezogen, würde das in etwa heißen: Weil die niederländische Nationalmannschaft nie eine Chance hat, gegen das DFB-Team zu gewinnen, dürfen sich ihre Spieler ab sofort nicht nur den Ball mit dem Fuß oder Kopf zuspielen, sondern auch zuwer- fen, damit sie ab und an mal ein Tor erzielen. Aber diese neuen Re- geln gelten nur für die Niederlande. Deutsche Fußballer, die den Ball mit der Hand werfen, sind nach wie vor dafür zu bestrafen. Mit dem Richterspruch aus Brüssel endet zugleich eine gut fünf- jährige Phase, in der die Gesundheitspolitik in unserem Lande den Leistungserbringern, aber auch den Patienten, vergleichsweise we- nige Zumutungen bescherte. Keine Spargesetze im Halbjahrestakt, weitgehend stabile Ausgaben bei den Krankenkassen: All dies ist aber weniger mutigen und weitgehenden Konzepten der Gesund- heitspolitik geschuldet, sondern letztlich nur ein Ergebnis der guten Konjunkturlage mit einem enormen Außenhandelsüberschuss, sin- kenden Arbeitslosenzahlen und steigenden Zahlen an sozialversi- cherungspflichtigen Beschäftigten. Da liegt die Frage auf der Hand, warum sich die Apothekerschaft und ihre Standesvertretungen darüber ereifern, dass jetzt auch die ausländischen Versandapotheken ein wenig stärker im rezeptpflich- tigen Bereich die Versorgungslandschaft aufmischen sollen. Es muss doch wohl möglich sein, dass es auch im Lande des Exportweltmeis- ters zu einwenigmehrWettbewerb kommt. Denn von den sinkenden Preisen profitieren doch alle, insbesondere natürlich die Versicherten, allen voran die chronisch Kranken. Wer so argumentiert, hat nicht

Dr. Andreas Walter Hauptgeschäftsführer

Michael Schmitz Geschäftsführer Kommunikation, IT und Neue Medien

verstanden, auf welcher Grundidee das deutsche Gesundheitswesen basiert und worauf seine weltweit anerkannte besondere Stärke und Leistungsfähigkeit fußt. Das deutsche Gesundheitswesen ist kein Markt, auf dem Schnäppchenjäger, Preisoptimierer und Gewinnmaximierer reüssie- ren wollen. Nein, insbesondere das System der Gesetzlichen Kran- kenversicherung ist vom Solidarprinzip getragen. Nach dem Urteil des EuGH ist aber folgendes Szenario nicht zu verhindern: Wenn ein zuzahlungsbefreiter Patient bei einer ausländischen Versand- apotheke ein Rezept einreicht, muss er keine Zuzahlung leisten und erhält einen Bonus. Dieser Patient würde also nicht nur nichts für ein Medikament bezahlen, sondern zusätzlich einen geldwerten Vorteil erhalten. Damit werden zuzahlungsbefreite Patienten nicht nur komplett auf Kosten der Solidargemeinschaft versorgt – sondern sie könnten durch das Einlösen eines Kassenrezeptes auch noch Geld verdienen. Das wäre eine Perversion des Systems, das dafür sorgt, dass jeder Kranke unabhängig von seinem Einkommen die notwen- digen Arzneimittel aus der Apotheke seiner Wahl erhält. Gegen die- se Verwirrung und Verirrung gibt es nur ein wirksames Therapeuti- kum: Ein Rx-Versandhandelsverbot. Diese Kammer hat und wird sich mit aller Macht weiter dafür einsetzen.

Dr. Andreas Walter

Michael Schmitz

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