Blickpunkt Schule 1/2024

Zentrale Befunde

deutsam, da die PISA-Ergebnisse in bildungspolitischen Debatten nicht selten als Begründung für die ver schiedensten Forderungen heran- gezogen werden. Die Teilnahme an PISA ist Bestand teil der Gesamtstrategie der Länder zum Bildungsmonitoring. Seit 2009 ist die Stichprobe so gewählt, dass Aussagen auf gesamtstaatlicher Ebe ne möglich sind; bis zur Einführung des ‘IQB-Ländervergleichs’ (heute ‘IQB-Bildungstrend’) konnten die Er gebnisse auf die Länder herunterge brochen werden. An PISA 2022 nah men in Deutschland zwischen April und Juni 2022, also etwa zwei Jahre nach Beginn der Pandemie, 257 Schu len mit 6116 Schülerinnen und Schü lern in allen 16 Ländern teil. Weltweit konnten 81 von ursprünglich 88 Staa ten die Haupterhebung mit rund 680000 Schülerinnen und Schülern durchführen. Die Standards für die Durchführung von PISA sind in allen teilnehmenden Staaten identisch; neue Staaten werden erst zugelassen, wenn sie die Fähigkeit zur Durchfüh rung nachgewiesen haben. 2022 wur de PISA in weit mehr als 100 Sprachen durchgeführt. Getestet werden alle Schülerinnen und Schüler, die in ei nem bestimmten Zeitfenster fünfzehn Jahre alt sind, lernzielgleich unter richtet werden, die Testumgebung be dienen können und seit mindestens einem Jahr in der Unterrichtssprache, die der Sprache der Testung ent spricht, unterrichtet werden. In Deutschland wurden damit auch die meisten Schülerinnen und Schüler getestet, die zwischen Ende 2015 und Anfang 2017 fluchtbedingt nach Deutschland gekommen und zum Testzeitpunkt 15 Jahre alt waren. Lesekompetenz in PISA 2022 Lesen als grundlegende und flexible Kulturfertigkeit für einen fächerüber greifenden Wissens- und Kompetenz erwerb und Teilhabe in der Gesell schaft ist seit Beginn von PISA ein Hauptbestandteil der Studie. Das für 2009 und 2018 überarbeitete Rah

menkonzept definiert Lesekompetenz als die Fähigkeit, »Texte zu verstehen, zu nutzen, zu bewerten, über sie zu reflektieren und sich mit ihnen ausei nanderzusetzen, um die eigenen Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial zu entwickeln und an der Gesellschaft teilzunehmen«. Der Ent wicklung zum verstärkten Lesen von digitalen Texten folgend, beinhaltet der aktuelle PISA-Test verschiedene digitale Textformate und berücksich tigt stärker den Prozesscharakter des Lesens, indem die Leseflüssigkeit ge messen wird. Auch werden Lesestra tegien getestet, die bei digitalen Tex ten erforderlich sind, wie der Umgang mit großen Textmengen und die Bewertung der Glaubwürdigkeit von Texten. Das in der Testung erreichte Kom petenzniveau wird in Punkten ausge drückt, wobei der Punktwert von 500 den in der ersten Runde von PISA er reichten internationalen Mittelwert darstellt, der somit noch immer eine Orientierung bietet. Die Punktwerte werden aufsteigend sechs Kompe tenzstufen zugeordnet (I a/b/c bis VI), wobei Schülerinnen und Schüler, die höchstens die Kompetenzstufe I erreichen (d.h. maximal 407 Punkte), als leistungsschwach gelten. Diese Jugendlichen sind laut OECD-Defini tion nicht in der Lage, »die Grundidee eines Textes von mittlerer Länge zu erkennen« und können keine »Zu sammenhänge verstehen und die Be deutung eines begrenzten Textteils interpretieren, … indem sie grundle gende Schlussfolgerungen ziehen«. Schülerinnen und Schüler, die min destens Kompetenzstufe V erreichen (626 und mehr Punkte), gelten als leistungsstark und können definiti onsgemäß unter anderem mindestens »lange Texte verstehen und heraus finden, welche Informationen im Text relevant sind, auch wenn die relevan ten Informationen leicht übersehen werden könnten«. Trotz konzeptionel ler Ähnlichkeiten sind die PISA Punktwerte nicht direkt mit den an den Bildungsstandards orientierten Werten des IQB-Bildungstrends ver gleichbar.

Gegenüber früheren Runden von PISA sind die Kompetenzwerte der Fünf zehnjährigen in Deutschland teils er heblich zurückgegangen, was so ähn lich in den meisten anderen OECD Staaten zu beobachten ist, jedoch weicht die Situation in Deutschland in einigen Punkten ab. Nachdem die mittlere Lesekompe tenz der Fünfzehnjährigen in Deutschland seit 2000 kontinuierlich angewachsen war und 2015 einen Hö hepunkt erreichte, der klar über dem damaligen Mittelwert der OECD lag, nahm sie zu 2018 deutlich ab und liegt nach einem nochmals größeren Rückgang um 18 Punkte 2022 nur noch bei 480 Punkten und damit sta tistisch nur noch in Höhe des OECD Mittelwerts [s. Abbildung 6.5 Haupt bericht] . Der Rückgang zwischen 2018 und 2022 war nur in wenigen OECD Staaten stärker, darunter den meisten skandinavischen Staaten und den Niederlanden. Eine Steigerung der Lesekompetenzwerte gelang lediglich Japan. Im Vergleich zu 2012 gelang es allerdings in 2022 keinem der 37 OECD-Staaten, bessere Ergebnisse bei den Lesekompetenzen zu errei chen. Innerhalb der OECD hatte die mittlere Lesekompetenz bereits 2003 einen Höchststand erreicht und war seit 2012, vor allem aber ab 2018, zu rückgegangen, sodass auch auf OECD-Ebene der Mittelwert von 476 im Jahr 2022 einen neuen Tiefstand markiert. Deutschland gehört 2022 zu den Staaten, in denen die Ergebnisse besonders stark nach oben und unten streuen, die also eine besonders gro ße Heterogenität der Kompetenz werte zeigen. Der Rückgang des mittleren Kom petenzwertes in Deutschland geht einher mit einer Verschiebung hin zu den unteren Kompetenzstufen. Der Anteil der leistungsschwachen Schü lerinnen und Schüler in Deutschland stieg 2022 auf etwa ein Viertel (25,5 Prozent) und liegt damit zwar etwa in Höhe des OECD-Wertes, jedoch galt noch 2018 nur ein Fünftel der deut schen Fünfzehnjährigen (20,7 Pro

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