Blickpunkt Schule 1/2024

sellschaft mit ein, sind die Eltern folg lich nicht nur eingeladen, sondern verpflichtet, einen entsprechenden Beitrag zu leisten. Allerdings muss an dieser Stelle betont werden, dass El tern selbstverständlich in unter schiedlichem Maße dazu in der Lage sind, ihre Kinder sprachlich und litera risch zu fördern. Gleichwohl sollte es in ihrem Interesse sein, den Kindern eine bestmögliche Sprachbildung zu ermöglichen. An dieser Stelle ist die enge Zusammenarbeit zwischen dem Elternhaus und der Schule ein wichti ges Stellglied, das in beide Richtun gen funktioniert und sowohl Eltern als auch Schule in die gemeinsame Pflicht nimmt: Zahlreiche Forschungsergebnisse legen nahe, dass Erfahrungen im frühen Kindesalter langfristige Auswirkungen auf die gesundheitli che, kognitive und sozio-emotiona le Entwicklung haben. Bildungskon zepte, die Eltern bei der Erziehung unterstützen, können dazu beitra gen, ein möglichst entwicklungs förderndes Umfeld für Kinder zu schaffen. Solche Maßnahmen kön nen besonders dann langfristige Auswirkungen haben, wenn sie frühzeitig stattfinden und zu dauer haften Veränderungen im Verhalten der Eltern führen. 7 Hessen trägt dieser Tatsache seit vie len Jahren bewusst Rechnung, indem es beispielsweise durch die gesetzli che Verankerung verpflichtender Vor laufkurse für Schüler, deren Deutsch kenntnisse im Jahr vor der Einschu lung noch nicht dazu ausreichen, dem Unterricht entsprechend zu folgen, ein klares Zeichen zur Stärkung früh kindlicher Sprachförderung setzt. Die Brücke zum Elternhaus wird darüber hinaus auch im Bereich der Leseför derung geschlagen: Durch das aktive Engagement Hessens im Rahmen des ‘Nationalen Lesepakts’ in Zusammen arbeit mit über 180 Partnern – unter anderem der Stiftung Lesen – werden Programme unterstützt, die sowohl Schüler als auch Eltern ansprechen und zur Lesemotivation beitragen. Zu nennen ist hier stellvertretend der ‘Bundesweite Vorlesetag’, verschiede

Der Autor

Titelthema

Foto: Fiedels/AdobeStock

chen pro Jahr aus, an denen krank heitsbedingte Absenzen statistisch wahrscheinlich sind, so ergibt das durchschnittlich etwa 174 potenzielle Schultage pro Kalenderjahr, die je doch nur zu etwa einem Drittel (eher sechs, maximal acht Stunden netto pro Tag) tatsächlich in der Schule ver bracht werden, was zu folgender In terpretation einlädt: Der Einflussbe reich des pädagogisch angeleiteten Lernens im Kontext von Schule (Un terricht) ist zweifelsfrei wichtig, aber zeitlich spürbar begrenzt. Der weitaus größere Teil des Lebens unserer schul pflichtigen Kinder und Jugendlichen steht zumindest teilweise oder sogar vollkommen unter dem Einfluss wei terer Sozialisationsinstanzen: von Fa milie, Freunden, (sozialen) Medien und anderer. Die Verfasser unseres Grundgesetzes waren sich dieser Tat sache bewusst und formulierten kon sequenterweise in Artikel 6 (2): »Pfle ge und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staat liche Gemeinschaft.« 6 Wenn es nun um die zentralen Punkte der Deutschkompetenzen geht, die uns in den zuvor zitierten Studien und Erhebungen immer wie der als förderbedürftig präsentiert werden, beispielsweise die literarische Sozialisation oder die gezielte Sprachförderung, dann wird die Schu le diese Ziele ohne Unterstützung der weiteren Sozialisationsformen – vor allem der Eltern – nur schwerlich al lein erreichen können. Noch aus sichtsloser würde sich die Rechnung gestalten, wenn man den Aufbau bil dungssprachlicher Kompetenzen aus schließlich dem Deutschunterricht übereignen wollte. Bei der Erziehung, und das schließt die sprachliche, lite rarische und kulturelle Erziehung zu einem mündigen Mitglied unserer Ge

Dr. phil. Martin Blawid, Jahrgang 1979, Lehrer für

Deutsch, Englisch, Italienisch und Deutsch als Fremdsprache, seit 2020 Referent für Deutsch als Bildungssprache im Hessischen Ministerium für Kultus, Bildung und Chancen

5

ne Bücherkoffer-Programme oder die Initiative ‘Ich schenk dir eine Ge schichte’ im Zusammenhang mit dem ‘Welttag des Buches’. 2019 als Schlüsseljahr: KMK-Empfehlung und Maßnahmenpaket Der Schule und dem Unterricht kom men naturgemäß die Schlüsselfunk tionen in der Ausbildung bildungs sprachlicher Kompetenzen zu, die für den weiteren Schulerfolg und somit den Weg in die duale Ausbildung oder ein Hochschulstudium wegweisend sind. Mit Sprache fängt der Bildungs weg an, und durch Sprache manifes tiert er sich irgendwann in der Form standardisierter Schulabschlüsse. Die Bedeutung des Registers der Bildungs sprache, das gemeinhin als die sprach liche Stilebene verstanden wird, in der man sich Wissen und Bildung aneignet und sie zugleich zum Ausdruck bringt, ist inzwischen in der Breite und Tiefe gut erforscht 8 und gesellschaftlich konsensfähig. Auch auf der Ebene der hohen Bildungsverwaltung lässt sich das gemeinsame Bestreben dokumen tieren: Die am 5. Dezember 2019 unter

SCHULE

Made with FlippingBook Digital Publishing Software