Blickpunkt Schule 1/2024

hessischer Federführung ausgespro chene Empfehlung der Kultusminister konferenz zur Stärkung bildungs sprachlicher Kompetenzen in der deut schen Sprache fasst diesen Aspekt un ter Punkt 2 zusammen: »Sprachliche Bildung ist Querschnittsaufgabe aller an schulischer Bildung Beteiligten und durchgängiges Unterrichtsprinzip in allen Fächern, Lernbereichen und Lernfeldern […]«. 9 In der Konsequenz der KMK-Emp fehlung entstand in Hessen ein Maß nahmenpaket zur Stärkung der Bil dungssprache Deutsch, das die unter schiedlichen Teildisziplinen bildungs sprachlicher Fertigkeiten thematisch abbildet, sie mit entsprechenden Res sourcen hinterlegt und durch ein dif ferenziertes Fortbildungsprogramm für Lehrer begleitet. Beispielhaft sol len an dieser Stelle einige Maßnah men zur Rechtschreibförderung, zu dem ausgewählte Bausteine des Be reichs ‘Leseförderung und Literatur’ und schließlich einige Aspekte aus dem Spektrum der Fortbildung be trachtet werden. Beispiel 1: Rechtschrei bung ja – aber bitte von Anfang an regelgeleitet Eines der bildungssprachlichen The menfelder, das in der öffentlichen Diskussion zuweilen etwas stiefmüt terlich behandelt wird, ist die Frage nach der Korrektheit in der deutschen Schriftsprache – die Rede ist im We sentlichen von Orthografie und Gram matik. Jedem fallen dazu anekdoti sche Erinnerungen ein, den sicheren Rechtschreibern vermutlich angeneh mere als denjenigen, die sich nie voll kommen kompetent damit gefühlt haben. Dabei sind gerade die aktuell gültigen Rechtschreibregeln der deutschen Sprache alles andere als unüberschaubar: Insbesondere die vielbesprochenen Reformen der Or thografie um die Jahrtausendwende haben sich rückblickend als wirkliche Vereinfachung und phänomengeleite te Vereinheitlichung der Schreibwei sen erwiesen: an klaren Regeln orien tiert, Ausnahmen reduzierend und da

mit für Lerner prinzipiell gut hand habbar. Eine Tatsache wurde durch die Reform jedoch nicht aufgehoben: die Notwendigkeit, die vorhandenen Re geln zu lernen, in der Praxis zu üben und somit zu einer kompetenten An wendung zu gelangen, die von der Sprachdidaktik gemeinhin als ‘Recht schreibfertigkeit’ bezeichnet wird. 10 Wie auch in anderen Disziplinen, die das Beherrschen einer bestimmten Technik voraussetzen, beispielsweise dem Erlernen des Klavierspiels oder der Ausführung des Vorhandschlags beim Tennisspiel, kommt dem An fangsunterricht auch in der Vermitt lung von Orthografie eine nicht zu überschätzende Bedeutung zu. Hier werden Grundlagen für das weitere Lernen gelegt, wird über Beobach tung, Nachahmung und Vorbilder er fahren und gelernt, sind Rückmeldun gen entscheidend für die weitere Lernprogression. Umso erstaunlicher mag es manchem geneigten Leser er scheinen, dass eine pädagogisch mo tivierte, konsequente Korrektur von Fehlern zuweilen immer noch man cherorts als ‘Rotstiftpädagogik’ diffa miert und nicht als das erkannt wird, was orthografische Korrekturen von Anfang an leisten: als Hilfe im Lern prozess. Hessen hat sich glücklicher weise für diesen Weg entschieden. Die Handreichung zum Grundwortschatz Hessen umfasst insgesamt rund 850 Worteinheiten, die in den unter schiedlichen Jahrgangsstufen einge übt werden. Zudem enthält sie einen ausführlichen Kommentarteil mit or thografischen Phänomenen und di daktischen Hinweisen zur Gestaltung des Unterrichts. Ab dem zweiten Halbjahr der ersten Jahrgangsstufe in der Grundschule erhalten Schüler in schriftlichen Rückmeldungen eine pä dagogisch motivierte Korrektur durch ihre Lehrer, anfangs durch die konse quente Ergänzung der korrekten Schreibung, im weiteren Lernfort schritt zunehmend durch Korrektur zeichen und den Hinweis auf bereits behandelte orthografische Phänome ne und Regeln. Diese Rückmeldungen dürfen nicht als Engführung des Lern prozesses verstanden werden:

Jeder, der eine Sprache lernt und sich im Übungsprozess darin befin det, gerät irgendwann an einen Punkt, an dem ihm Fehler unterlau fen. Das ist vollkommen natürlich und gilt seit vielen Jahren aus lern psychologischer und fachdidakti scher Perspektive als Hinweis auf den Lernstand der einzelnen Schü lerinnen und Schüler. Ebenso natür lich sollte es jedoch sein, dass es dabei nicht bleiben darf. Nicht der Fehler selbst sollte als Ziel des Lernprozesses wahrgenommen werden, sondern eine möglichst korrekte Sprachverwendung. Dies umfasst sowohl muttersprachliche als auch fremdsprachliche Erwerbs prozesse, mündliche wie schriftliche Kommunikation und natürliche und angeleitete Erwerbsszenarien. 11 Um den entscheidenden Schritt in Richtung einer selbstständigen, kom petenten Sprachverwendung zu gehen, benötigen Schüler insbesondere in den ersten Jahren des Schriftspracher werbs Hilfe in der Form von korrektem Sprachinput – einem korrekten Sprachvorbild, wie es die Fremdspra chendidaktik gerne formuliert. Hier zeigt sich einmal mehr der enge Zu sammenhang zwischen bildungs sprachlichen Kompetenzen und Bil dungsgerechtigkeit: Nicht allen Schü lern ist es möglich, jene Rückmeldun gen auch zu Hause zu erhalten. Ent sprechend bedeutsam ist die Spiegelung der korrekten Schreibweise in der Schule. Karin Kleppin hat dies bezüglich einmal sehr pointiert formu liert: »Wenn man als Lehrer im schrift lichen Bereich Fehler nicht anmerkt, muss der Lernende davon ausgehen, dass kein Fehler vorliegt. Woher soll er denn wissen, dass man – aus welchen Gründen auch immer – etwas nicht anstreicht?« 12 Folglich haben wir die pädagogisch motivierte Korrektur bis einschließlich Jahrgang 6 an den wei terführenden Schulen verbindlich fest gelegt, wenngleich eine Korrektur in den höheren Jahrgängen sicherlich vermehrt auf Korrekturzeichen und die Bewusstmachung behandelter Regeln und Phänomene zurückgreifen wird als in den ersten Jahren.

Titelthema

6

SCHULE

Made with FlippingBook Digital Publishing Software