Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2014 (Juli 2014)

Der Sicherheitsgurt in der Psychopharmakotherapie

maka. Die Therapietreue nimmt line- ar zusammen mit dem Grad der Aufklä- rung der Patienten zu, bei bestehenden Bedenken oder zunehmenden Nebenwir- kungen sinkt sie ab. 5 Jede zusätzliche Ir- ritation sollte daher unterbleiben. Sei- tens der Apotheke besteht eine gesetz- lich festgeschriebene Substitutionspflicht, allerdings nur, solange im Einzelfall kei- ne Gründe gegen den Austausch spre- chen. Reagiert ein Angstpatient auf den möglichen Austausch mit Verunsicherung oder gar Panik, ist offensichtlich, dass in diesem Fall eine Substitution nicht ohne massive Folgen möglich ist. Die patienten- orientierte Pharmazie motiviert die Apo- theke, bereits bei den geringsten Anzei- chen der Beeinträchtigung der Therapie- treue korrigierend einzugreifen. Erhärtend wirkt folgendes Beispiel: ein Patient erhält zur Ersteinstellung einer Depression ein aktivierendes Antidepres- sivum (zum Beispiel Citalopram). Beson- ders zu Therapiebeginn kann die Suizid- neigung durch den antriebssteigernden Effekt zunehmen, so dass ein dämpfendes Pharmakon wie Lorazepam zusätzlich verordnet wurde. 6 Präparatezentrierung Grundlage für die Austauschbarkeit sind Kriterien der Arzneimittelsicherheit (AMS), dazu gehören Wirkstoffgehalt, vergleichbare Darreichungsform, etc. Die- se Kriterien sind objektiv nachvollziehbar, geraten in der alltäglichen Versorgungs- praxis allerdings schnell an ihre Grenzen. Wenn der Rabattvertrag dazu führt, dass etwa das Medikament Tavor® gegen ein Generikum mit deutlich abweichendem Namen (zum Beispiel Lorazepam XY-Phar- ma) ausgetauscht wird, muss zwingend darauf geachtet werden, dass der Patient nicht an der Vergleichbarkeit der Präpa- rate zweifelt - trotz aller Erklärungsbe- Präparat oder Patient im Mittelpunkt?

Um Ihnen ein Gespür für die Vielfalt an Problemfeldern sowie den teils einfachen Lösungsinstrumenten zu vermitteln, wer- den Ihnen praxisbewährte Strategien zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesi- cherheit (AMTS) im Rahmen der Psycho- pharmakaversorgung vorgestellt. Im Fol- genden werden diese ausgewählten As- pekte vertieft: • Therapietreue: Austauschen um jeden Preis? • Interaktionen I: Grenzen der Selbstme- dikation • Interaktionen II: Torsade-de-pointes- Arrhythmien • Spieltrieb: Trockenübungen mit der ABDA-Datenbank • Selbstoptimierung: Anwendung des PDCA-Zyklus Im Verlauf von Beratungsgesprächen kön- nen Unsicherheiten des Patienten deut- lich werden, so kann bereits die Anspra- che eines Austausches eines bisher sicher angewendeten Arzneimittels stark verun- sichernde Wirkungen entfalten. Psychisch erkrankte Menschen können auf empfun- dene „Zwangsaustausche“ sehr empfind- lich reagieren, nicht wenigen mangelt es aufgrund der Erkrankung an Durchset- zungskraft und den nötigen Ressourcen für langwierige Diskussionen (welche es Ihnen zu ersparen gilt). Einzelne Erkran- kungen oder intensive Nebenwirkungen machen es dem Patienten aus intellek- tuellen Gründen unmöglich, die korrekt vorgebrachten Argumente zu verstehen oder darauf eingehen zu können. Wel- che Lösungen kann die Apotheke anbie- ten, etwa bei einem Patienten mit ei- ner Angststörung? Es klingt so einfach: nur eingenommene Medikamente kön- nen auch die erwünschte Wirkung ent- falten. Non-Adhärenz ist ein großes Pro- blem, auch im Bereich der Psychophar- Therapietreue – Austauschen um jeden Preis?

werden kann. Wesentliche Grundlage für die Beurteilung der Gesamtsituation sind unter anderem die Organfunktionen (vergleiche LADME-Modell, Nieren- und Leberinsuffizienz), die Anzahl der paral- lel eingenommenen Medikamente und Begleiterkrankungen sowie das Lebens- alter (vergleiche Pädiatrische Dosistabel- len und Priscus-Liste 2 ). Der Medikations- prozess enthält häufig Schnittstellen und zählt auch deshalb zu den Hochrisikopro- zessen: Unkenntnis und Auslassungen, so- wie Fehler oder Irrtümer können zu teils massiven arzneimittelbezogenen Proble- men führen, dies gilt verschärfend für den Bereich der Multimedikation. 3 Kon- sequenzen sind die einerseits die Beein- trächtigung der Lebensqualität des Pa- tienten mit vermeidbarem zusätzlichen Pflegebedarf, andererseits bleibende Schäden bis hin zum letalen Ausgang. Die Entstehung von Medikationsfehlern lässt sich am Beispiel der Folgen einer unbe- kannten Dosierung verdeutlichen (Abbil- dung 1). Beratende Apotheker/Innen sind Mana- ger oft schwieriger Therapieszenarien. Grundlegend für Bewertungen und Emp- fehlungen ist die möglichst vollständige Erfassung der jeweils vorliegenden Situ- ation. Um die Möglichkeiten hilfreicher Instrumente, wie der ABDA-Datenbank optimal ausschöpfen zu können, sind bei- spielsweise die klärenden W-Fragen über- aus hilfreich. 4 Vielen Patienten unter Po- lypharmazie fällt es schwer, die benötig­ ten Informationen wie Präparatenamen zu behalten oder gar mitzuteilen. Von Di- agnosen und Organinsuffizienzen ganz zu schweigen. Für einen tieferen Einblick zu Stellenwert und Möglichkeiten eines Medikationsmanagements inklusive der Erstellung eines Medikationsplans gibt vgl. Waltering, Journal Dez. 2013. Proaktives Fragen versus Informations- defizit

24 Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe – l de Apothek kammer Westfalen-Lippe

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