Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2014 (Juli 2014)

Dr. Dorothee Dartsch

Arzneimittel in der Schwangerschaft Gut gerüstet in die Beratung

trächtigte Mutter-Kind-Beziehung möglich. 5

Frau Meyer, in der 8. Woche schwanger, steht vor Ihnen in der Apotheke. Sie war gestern schon einmal da und hat ein An- tibiotikum abgeholt, das sie wegen eines Harnwegsinfekts verordnet bekommen hatte. Sie legt die Packung auf den HV- Tisch und sagt: „Ich habe den Beipack- zettel gelesen. Da steht drin, dass die- ses Mittel in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft nur nach strenger Indi- kationsstellung angewandt werden darf. Was heißt das denn? Darf ich das nun nehmen oder nicht?“ Die einfache Antwort wäre „Wenn der Arzt das so verordnet hat, dann ist das in Ordnung.“ Um einen aktiven Beitrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit zu leisten, sollten jedoch einige Aspekte hinterfragt werden, bevor die Patientin wieder „ent- lassen“ wird. Hinsichtlich der Arzneimitteltherapie in der Schwangerschaft stellen sich verschie- dene Fragen: • Ist die Erkrankung behandlungs- pflichtig, weil sie ein Risiko für die Patientin und/oder das ungeborene Kind darstellt? • Wurde der Wirkstoff mit dem besten Nutzen-Risiko-Profil gewählt? • Wurde die Dosis an die schwanger- schaftsbedingt veränderte Pharma- kokinetik angepasst? Frau Meyer aus dem vorangestellten Bei- spiel hat einen Harnwegsinfekt. Dieser bedeutet nicht nur für die werdende Mut- ter eine Beeinträchtigung und das Risiko einer Ausweitung der Infektion, sondern in der Schwangerschaft zusätzlich auch noch die Gefahr einer Frühgeburt bzw. Riskante Erkrankungen

Weniger klar ist der Sachverhalt bei vo- rübergehenden Beschwerden wie Kopf- schmerzen, Husten, Allergien etc. Für de- ren Behandlung wird daher ein deutlich geringeres Arzneimittelrisiko in Kauf ge- nommen. Mit anderen Worten: Für ei- nen Hustenlöser muss die Sicherheit des Wirkstoffs für das ungeborene Kind sehr gut belegt sein, während man für ein gut wirksames Antibiotikum bei einem kom- plizierten Infekt der Mutter ein größeres Risiko akzeptieren würde, wenn nötig. Frauen in gebährfähigem Alter, die eine chronische Arzneimitteltherapie erhalten, sollten bestärkt werden, bei bestehen- dem Kinderwunsch rechtzeitig mit dem behandelnden Arzt oder auch dem Apo- theker darüber zu beraten, ob eine Um- stellung der Therapie schon vor Eintritt der Schwangerschaft bei gleichem thera- peutischen Nutzen eine größere Sicher- heit für die Entwicklung eines Kindes bie- ten würde. Tipp: Ziel der Beratung ist es, der wer- denden Mutter eine informierte Entscheidung zu ermöglichen, wie sie mit ihrer Situation bestmöglich umgehen sollte. Dass Arzneimittel in der Schwangerschaft ein Risiko darstellen, ist weithin bekannt, dass aber eine unbehandelte Erkran- kung unter Umständen ein größeres Risiko bedeutet, kann ein wichtiger Beratungsaspekt sein, der einen verantwortungsvollen Umgang mit der Situation fördert. Ist unter einer bereits laufenden Arznei-

Tod des ungeborenen Kindes. 1 Die Indika- tion zur Arzneimitteltherapie ist also ein- deutig gegeben. In der Regel müssen alle behandlungs- pflichtigen Erkrankungen auch während der Schwangerschaft weiterbehandelt werden, nicht selten, weil sie auch das un- geborene Kind gefährden. Das gilt zum Beispiel für • Diabetes mellitus: bei schlechter gly- kämischer Einstellung erhöhtes Risi- ko von Fehlbildungen und Spontan­ abort 2,3 • Asthma: Sauerstoffmangel des Fetus während eines Asthma- bzw. epilep- tischen Anfalls möglich 4 • Psychosen: Wachstumsretardierung, geringes Geburtsgewicht, beein- Dorothee Dartsch (Hamburg) ist als Ge- schäftsführerin der CaP Campus Pharma- zie zuständig für alle pharmazeutischen Fragen im Rahmen des firmeneigenen Online-Fortbildungsangebots in pati- entenorientierter Pharmazie für Apo- theker. Sie ist promovierte Apothekerin und hat an der Universität Hamburg die Klinische Pharmazie in Forschung und Lehre aufgebaut.

Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 5

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