Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2014 (Juli 2014)

Dr. Dorothee Dartsch

sition für den Fetus ist das Verschlucken des Fruchtwassers, für das gezeigt wur- de, dass es klinisch relevante Konzentra- tionen einiger Antidepressiva, Antibioti- ka und Antikonvulsiva enthält, wenn die Mutter mit diesen Wirkstoffen behandelt wird. 17 Nebenbei: Der plazentare Transfer von Arzneistoffen, die der Mutter gegeben werden, wird manchmal genutzt, um fe- tale Arrhythmien, eine stauungsbedingte Herzinsuffizienz, Infektionen und andere Erkrankungen zu behandeln. Bedeutung hat die in-utero-Behandlung mit Korti- kosteroiden erlangt, die die fetale Lun- genreifung verstärken und angewendet werden, wenn eine Frühgeburt erwartet wird. Damit erreicht man eine 40 prozen- tige Reduktion der Mortalität bei Frühge- burten. Die begrenzenden Faktoren ei- ner Behandlung des ungeborenen Kindes durch die Mutter sind die Sicherheit und Verträglichkeit für die Mutter. Zum Bei- spiel werden kardiovaskuläre Wirkungen von Arzneistoffen von der werdenden Mutter mit einem gesunden Herz-Kreis- lauf-System oft nicht oder nur in begrenz- tem Maß toleriert. Der Wirkstoff mit dem besten Nutzen-Ri- siko-Verhältnis ist gefunden. Aber kann er in der Standarddosis gegeben werden? Einer der Grundsätze für die Arzneimit- teltherapie in der Schwangerschaft ist: so wenig wie möglich. Das bezieht sich sowohl auf die Zahl der Arzneimittel als auch auf die Dosis jedes einzelnen Medi- kaments. Aber die Wirkung erfordert im- mer eine gewisse Menge an Wirkstoff am Wirkort. Also zwar so wenig wie möglich, aber doch auch so viel wie nötig. Die physiologischen Anpassungsvorgänge der Schwangerschaft verändern die Phar- makokinetik der Arzneistoffe. Absorpti- Wieviel und wie oft?

TIPP: Der vor allem in der späteren Schwangerschaft erhöhte Dosisbedarf widerspricht dem intuitiven Bestreben, aus Vorsicht lieber weniger einzunehmen. Für die Be- ratung ist daher wichtig zu erklären, dass das Arzneimittel durch die Verände- rungen in der Schwangerschaft schneller ausgeschieden wird, weshalb eine Dosis­ erhöhung notwendig ist, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Patientinnen sollten gebeten werden, besonders aufmerksam darauf zu achten, ob Symptome der Erkrankung oder Anzeichen unerwünschter Wirkungen auftreten. Falls ein TDM durchführbar ist oder unerwünschte Wirkungen an bestimmten Laborpa- rametern erkannt werden können, ist mit dem verordnenden Arzt zu klären, ob dies geschieht.

on, Distribution, Metabolisierung und Ex- kretion von Arzneistoffen können daher von den allgemeinen Erfahrungswerten abweichen. Ein geeignetes Therapiemo- nitoring ist in dieser Zeit besonders wich- tig, um die Dosis an die veränderte Kine- tik anzupassen. Die gastrointestinale Absorption kann in der Schwangerschaft durch eine verzö- gerte Magenentleerung und herabge- setzte Darmmotilität verlangsamt sein. Die dadurch um 30 bis 50 Prozent erhöhte intestinale Transitzeit wirkt sich auf Dau- ertherapien nicht in relevanter Weise aus. Sie kann aber bei Einmalgabe die Wirk- samkeit herabsetzen, wenn für die Wir- kung das Erreichen eines bestimmten Mi- nimalspiegels innerhalb einer bestimmten Zeit wichtig ist, wie beispielsweise bei ei- nigen Analgetika (Paracetamol und ande- re) oder Antiemetika. Durch verminder- te Säuresekretion und erhöhte Schleim- produktion erhöht sich der Magen-pH. Schwache Säuren werden dadurch stärker ionisiert und weniger absorbiert. Ein grö- ßeres Problem für die Absorption stellt das schwangerschaftsbegleitende Erbre- chen dar. Daher sollte den Patientinnen geraten werden, die Medikamente einzu- nehmen, wenn die Übelkeit am schwäch- sten ist (meistens abends). 18

dass der Verteilungsraum deutlich zu- nimmt, besonders das wässrige Kompar- timent. Das Plasmavolumen ist um etwa 50 Prozent vermehrt, die Herzleistung ge- steigert, die regionale Durchblutung ver- ändert: Der Uterus, die Nieren, die Le- ber, die Haut und die Milchdrüsen wer- den stärker, die Skelettmuskulatur dafür weniger stark durchblutet. Durch das er- höhte Herz-Zeit-Volumen ist der Blutfluss durch die Haupteliminationsorgane, Le- ber und Niere, gesteigert. 19 Diese gesteigerte Leberperfusion und die im 3. Trimenon hinzukommende Indukti- on der Cytochrom P450-Enzyme 2C9, 2D6 und 3A4 durch Estrogen und Progesteron erhöht die Clearance vieler hepatisch eli- minierter Wirkstoffe. Zum Beispiel Prote- ase-Inhibitoren, Midazolam und Fluoxe- tin müssen daher zum Ausgleich höher dosiert werden. Dagegen werden CYP 1A2 und 2C19 durch die erhöhten Hor- monspiegel inhibiert, so dass die Clea- rance von zum Beispiel Theophyllin und Phenytoin verringert ist. Für solche Wirk- stoffe muss die Dosis reduziert werden. 20 Die glomeruläre Filtrationsrate steigt bis zum Ende der Schwangerschaft durch das erhöhte Plasma- und Herz-Zeit-Volu- men um etwa 50 Prozent an. Im gleichen Zug nimmt die renale Clearance für Wirk- stoffe wie Penicillin, Lithium und Digo-

Für die Verteilung im Körper ist relevant,

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