Blickpunkt Schule 5/2022

Die Lage ist desillusionierend Die negativen Nachrichten dominieren und die Zufriedenheit der Bevölkerung sinkt

Editorial

W ir haben Krieg in Europa, die Inflation ist enorm und frisst Ersparnisse auf, weiten Tei len der Bevölkerung droht ein erhebli cher Wohlstandsverlust, die Energie krise ist dominierend, radikale politische Randgruppen verschaffen sich lautstark Gehör und es droht die Gefahr, dass sie insbesondere in den gesellschaftlichen Gruppen, die trotz Vollbeschäftigung ih ren Lebensunterhalt nicht mehr bestrei ten können, Zuspruch finden. All dies ist erschreckend, bringt viele Menschen in existenzielle Nöte, und Pro blemlösungen sind allenfalls in Ansätzen erkennbar. Die grundlegenden Probleme sind zumindest kurzfristig nicht zu lösen, zumal deren Ursachen ein gutes Stück in der Vergangenheit liegen. Nun ist der hphv kein politischer Ak teur, der sich in den oben genannten Feldern genuin engagiert. Unser Akti onsfeld ist die Bildungspolitik. Uns muss der Zustand unseres Bildungssystems und dessen Leistungsstand interessie ren. Und genau hier stellt der jüngste IQB-Bericht den Bildungsinstitutionen ein desaströses Zeugnis aus. Dies wiegt umso schwerer, als Bildung eine der we nigen Ressourcen unseres Landes dar stellt, die unserer Gesellschaft Wohl stand beschert haben. Bildungsverlust korreliert daher unmittelbar mit einem künftigen Wohlstandsverlust. Mit den Ursachen und Folgen des Bildungsverlustes beschäftigt sich der Beitrag ’Die beschleunigte Erosion des deutschen Bildungswesens und ihre verheerenden Folgen’ von Prof. Dr. H.P. Klein. Fakt ist, dass zwanzig bis dreißig Pro zent der Grundschüler nicht die Min destanforderungen im Lesen, Schreiben und Rechnen erfüllen. Diese Defizite werden auch in den folgenden Schuljah ren nicht zu kompensieren sein und sie verhindern letztlich jegliche berufliche und gesellschaftliche Eingliederung. Wenn hier die politisch Verantwortlichen nicht endlich die Reißleine ziehen und klare Bildungsziele für die einzelnen Bil dungsinstitutionen formulieren und die Umsetzung dann auch kontrollieren,

Leider verlieren wir uns zu oft in Scheindebatten und auf ’Nebenkriegs schauplätzen’. Die angeblich genderge rechte Sprache ist hierfür ein gutes Bei spiel. Auf der Vertreterversammlung des hphv hat unser Kultusminister, Prof. Dr. Lorz, dankenswerterweise deutliche Worte gefunden. Er schließt den Ge brauch der sogenannten gendergerech ten Schreibweise in offiziellen Schriftstü cken grundsätzlich aus. In Schülerarbei ten sieht er sie als Rechtschreibfehler an. Dr. Dagmar Lorenz setzt sich in ihrem Artikel ’Jargon des Gendersensiblen. – Wie Gendersprache akademisches Schreiben blockiert’ mit dem Phänomen kritisch auseinander und zeigt unter an derem, dass von einer intellektuellen Minderheit versucht wird, Sprache als Herrschaftsinstrument zu instrumenta lisieren. Dass Sprache das Bewusstsein prägt, ist unstrittig. Unstrittig ist auch, dass Sprache sich immer wieder verän dert. Dies ist aber ein organischer, fort laufender Prozess. Eine ideologisch ver ordnete Normierung, was politisch kor rekt ist, ist sicher nicht zielführend. Geradezu lächerlich wird die Debatte, wenn Apostrophen, Doppelpunkten, Schräg- oder Unterstrichen eine inhalt liche Bedeutung beigemessen wird. Ins gesamt besteht die Gefahr, dass unver ständliche Wort- und Satzungetüme entstehen, die die Rezeption der Texte zusätzlich erschweren, insbesondere für die Sprachlernenden, die aus anderen Sprachräumen zu uns kommen. Was Gendersprache in der Praxis be deutet, erläutert der Beitrag von Ober studienrat G. Haiduk aus Köln, der die Feststellungen von Dr. Lorenz ein drucksvoll in der Praxis belegt. Trotz aller belastenden Rahmenbe dingungen wünsche ich Ihnen allen ein erfolgreiches Schuljahr mit den Ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schü lern. Uns allen wünsche ich ein friedli ches Europa ohne Krieg und die Beendi gung aller kriegerischen Konflikte in der Welt. Vielleicht kann die Botschaft des Weihnachtsfestes hierzu beitragen. Bleiben Sie gesund und zuversichtlich! Ihr Christof Ganß

von CHRISTOF GANSS Chefredakteur (V.i.S.d.P.) von Blickpunkt Schule

wird die intellektuelle Verarmung der Gesellschaft nicht zu verhindern sein. Stark vereinfacht bedeutet dies für die Grundschule, dass sie vorrangig sicher stellen muss, dass alle Kinder am Ende der Grundschulzeit normgerecht lesen, schreiben und rechnen können. Dies ist die Basis für alle weiteren vermittelten Fähigkeiten und Fertigkeiten. Das Gymnasium hat in erster Linie die Studierfähigkeit der Absolventinnen und Absolventen sicherzustellen. Hierzu sind insbesondere verstärkt Transferleistun gen einzufordern. Es kann im Gymnasi um nicht genügen, vorgegebene Inhalte weitgehend korrekt wiederzugeben. Es kann schließlich auch nicht Aufgabe der Hochschulen sein, grundlegende fachli che Inhalte, die in der gymnasialen Oberstufe hätten erworben werden müssen, in Crashkursen in den beiden ersten Semestern nachzuholen. Abbre cherquoten von bis zu dreißig Prozent im Grundstudium geben einen guten Ein blick in die derzeitigen Defizite. Es liegt an uns Lehrkräften, unseren Schülerinnen und Schülern die Grund lagen zu vermitteln, mit denen sie ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben er folgreich beschreiten können. Dabei hilft weder eine ausgeprägte Rotstift- noch eine ausgeprägte Kuschelpäda gogik, da hilft nur gezieltes Fordern und Fördern. Der Leistungsgedanke sollte uns dabei nicht fremd sein. Für einen guten Teil des Bildungserfolges der Schülerinnen und Schüler tragen wir als Lehrkräfte die Verantwortung. Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen. Von der Politik dürfen wir mit Fug und Recht fordern, die Rahmenbe dingungen zu schaffen, die das ermög lichen.

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