Blickpunkt Schule 5/2022
Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes
Zeitschrift des Hessischen Philologenverbandes
Ausgabe 5/2022 · D 30462
SCHULE
Bildung und Sprache
… auf Talfahrt
Bild: photobility/AdobeStock [bearbeitet]
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
2023 bzw. am 20. März 2023. Weitere thematische Hefte werden sich der Geschichte des Gymnasiums und der Berufsorientierung widmen. Greifen Sie also zur Feder, teilen Sie Ihre Ge danken mit anderen und tragen Sie damit dazu bei, Blickpunkt Schule spannend zu gestalten. Wir freuen uns auf Ihre Beiträge. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre dieser Ausgabe von Blick punkt Schule . Ihnen und Ihren Familien wünsche ich ein gesegnetes und friedvolles Weihnachtsfest.
Ausgabe mit ihren Beiträgen zu berei chern. Dadurch wird Blickpunkt Schu le zum Sprachrohr des Verbandes, trägt zur innerverbandlichen Kommu nikation bei und bietet durch wissen schaftlich fundierte Beiträge eine Dis kussionsgrundlage für aktuelle bil dungspolitische Themen. Blickpunkt Schule ist offen für Be richte aus den Gremien des Verban des, für Beiträge aus den Schulgrup pen, für Kommentare, Leserbriefe und Diskussionsbeiträge. Wenn Sie sich mit einem Artikel an dem jeweiligen Thema der kommenden Hefte beteili gen wollen, sprechen Sie die Redakti on an. Die beiden nächsten Hefte werden sich mit den Themen MINT und Politische Bildung beschäftigen. Redaktionsschluss ist am 16. Januar
von CHRISTOF GANSS
2 SCHULE In eigener Sache Inhalt
ich freue mich, Ihnen eine neue Aus gabe von Blickpunkt Schule vorstellen zu dürfen, die sich einerseits thema tisch mit der Erosion des Deutschen Bildungswesens und problemati schen, ideologisch motivierten Sprachveränderungen auseinander setzt, andererseits aber auch viele Be richte aus den verschiedensten Berei chen unserer gewerkschaftlichen Ar beit vorstellt. Besonders schön finde ich, dass sich viele Autorinnen und Autoren bereitgefunden haben, diese
Herzlichst Ihr
Editorial » Die Lage ist desillusionierend ..................................................................... 3 hphv intern » Gymnasiale Bildung – Anspruch und Wirklichkeit .................................... 4 » ’Ausschuss für Gesamtschulfragen (GSA)’ heißt jetzt ’Ausschuss für Gymnasiallehrkräfte an anderen Schulformen (GAS)’ ....................... 8 » Bildungssprache – Schwerpunkt in der Sekundarstufe I .......................... 8 » Auch das noch? Sprachenvielfalt, Bildungssprache und durch- gängige Sprachbildung. Herausforderungen für jede Lehrkraft .............. 9 » Handwerkszeug und Beratung im Umgang mit schwierigen Schülerinnen und Schülern .................................................. 10 Klartext » Die beschleunigte Erosion des deutschen Bildungswesens ..................... 11 » Der Rotstift als Pädagoge? ....................................................................... 15 » Jargon des Gendersensiblen .................................................................... 16 » Wir sprechen nicht mehr die gleiche Sprache .......................................... 18 » Schreiben an Staatsminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz ........................ 22 » Belastungen der Lehrkräfte wichtiges Thema im Hauptpersonalrat Schule ................................................................... 24 » Erfahrungen imVorbereitungsdienst ....................................................... 25 Nützliche App für die Unterrichtspraxis » Das Schreibtool ’ZUMpad’ ........................................................................ 26 Außerschulische Lernorte in Hessen » Deutsches Ledermuseum Offenbach ...................................................... 27 Berichte » Vierter bundesweiter Gymnasialtag von DPhV und PhV Rheinland-Pfalz: Was bleibt nach COVID? ........................................................................... 28 » Kultusministerium stärkt Demokratiebildung an Schulen ..................... 29 » Aus dem dbb Hessen ................................................................................ 30 » Digitale Prüfungsformate – die Perspektive der Wissenschaft .............. 31 Rechtsprechung ....................................................................................32 Senioren » Der neue Seniorenbeauftragte ................................................................ 35 Personalien » Unsere Jubilare 2022 ............................................................................... 37 » Geburtstage | Wir trauern um .................................................................. 38
» hphv intern Gymnasiale Bildung –
Anspruch und Wirklichkeit
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» Klartext Die beschleunigte
Erosion des deutschen Bildungswesens
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» Berichte Digitale
Prüfungsformate – die Perspektiven der Wissenschaft
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Die Lage ist desillusionierend Die negativen Nachrichten dominieren und die Zufriedenheit der Bevölkerung sinkt
Editorial
W ir haben Krieg in Europa, die Inflation ist enorm und frisst Ersparnisse auf, weiten Tei len der Bevölkerung droht ein erhebli cher Wohlstandsverlust, die Energie krise ist dominierend, radikale politische Randgruppen verschaffen sich lautstark Gehör und es droht die Gefahr, dass sie insbesondere in den gesellschaftlichen Gruppen, die trotz Vollbeschäftigung ih ren Lebensunterhalt nicht mehr bestrei ten können, Zuspruch finden. All dies ist erschreckend, bringt viele Menschen in existenzielle Nöte, und Pro blemlösungen sind allenfalls in Ansätzen erkennbar. Die grundlegenden Probleme sind zumindest kurzfristig nicht zu lösen, zumal deren Ursachen ein gutes Stück in der Vergangenheit liegen. Nun ist der hphv kein politischer Ak teur, der sich in den oben genannten Feldern genuin engagiert. Unser Akti onsfeld ist die Bildungspolitik. Uns muss der Zustand unseres Bildungssystems und dessen Leistungsstand interessie ren. Und genau hier stellt der jüngste IQB-Bericht den Bildungsinstitutionen ein desaströses Zeugnis aus. Dies wiegt umso schwerer, als Bildung eine der we nigen Ressourcen unseres Landes dar stellt, die unserer Gesellschaft Wohl stand beschert haben. Bildungsverlust korreliert daher unmittelbar mit einem künftigen Wohlstandsverlust. Mit den Ursachen und Folgen des Bildungsverlustes beschäftigt sich der Beitrag ’Die beschleunigte Erosion des deutschen Bildungswesens und ihre verheerenden Folgen’ von Prof. Dr. H.P. Klein. Fakt ist, dass zwanzig bis dreißig Pro zent der Grundschüler nicht die Min destanforderungen im Lesen, Schreiben und Rechnen erfüllen. Diese Defizite werden auch in den folgenden Schuljah ren nicht zu kompensieren sein und sie verhindern letztlich jegliche berufliche und gesellschaftliche Eingliederung. Wenn hier die politisch Verantwortlichen nicht endlich die Reißleine ziehen und klare Bildungsziele für die einzelnen Bil dungsinstitutionen formulieren und die Umsetzung dann auch kontrollieren,
Leider verlieren wir uns zu oft in Scheindebatten und auf ’Nebenkriegs schauplätzen’. Die angeblich genderge rechte Sprache ist hierfür ein gutes Bei spiel. Auf der Vertreterversammlung des hphv hat unser Kultusminister, Prof. Dr. Lorz, dankenswerterweise deutliche Worte gefunden. Er schließt den Ge brauch der sogenannten gendergerech ten Schreibweise in offiziellen Schriftstü cken grundsätzlich aus. In Schülerarbei ten sieht er sie als Rechtschreibfehler an. Dr. Dagmar Lorenz setzt sich in ihrem Artikel ’Jargon des Gendersensiblen. – Wie Gendersprache akademisches Schreiben blockiert’ mit dem Phänomen kritisch auseinander und zeigt unter an derem, dass von einer intellektuellen Minderheit versucht wird, Sprache als Herrschaftsinstrument zu instrumenta lisieren. Dass Sprache das Bewusstsein prägt, ist unstrittig. Unstrittig ist auch, dass Sprache sich immer wieder verän dert. Dies ist aber ein organischer, fort laufender Prozess. Eine ideologisch ver ordnete Normierung, was politisch kor rekt ist, ist sicher nicht zielführend. Geradezu lächerlich wird die Debatte, wenn Apostrophen, Doppelpunkten, Schräg- oder Unterstrichen eine inhalt liche Bedeutung beigemessen wird. Ins gesamt besteht die Gefahr, dass unver ständliche Wort- und Satzungetüme entstehen, die die Rezeption der Texte zusätzlich erschweren, insbesondere für die Sprachlernenden, die aus anderen Sprachräumen zu uns kommen. Was Gendersprache in der Praxis be deutet, erläutert der Beitrag von Ober studienrat G. Haiduk aus Köln, der die Feststellungen von Dr. Lorenz ein drucksvoll in der Praxis belegt. Trotz aller belastenden Rahmenbe dingungen wünsche ich Ihnen allen ein erfolgreiches Schuljahr mit den Ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schü lern. Uns allen wünsche ich ein friedli ches Europa ohne Krieg und die Beendi gung aller kriegerischen Konflikte in der Welt. Vielleicht kann die Botschaft des Weihnachtsfestes hierzu beitragen. Bleiben Sie gesund und zuversichtlich! Ihr Christof Ganß
von CHRISTOF GANSS Chefredakteur (V.i.S.d.P.) von Blickpunkt Schule
wird die intellektuelle Verarmung der Gesellschaft nicht zu verhindern sein. Stark vereinfacht bedeutet dies für die Grundschule, dass sie vorrangig sicher stellen muss, dass alle Kinder am Ende der Grundschulzeit normgerecht lesen, schreiben und rechnen können. Dies ist die Basis für alle weiteren vermittelten Fähigkeiten und Fertigkeiten. Das Gymnasium hat in erster Linie die Studierfähigkeit der Absolventinnen und Absolventen sicherzustellen. Hierzu sind insbesondere verstärkt Transferleistun gen einzufordern. Es kann im Gymnasi um nicht genügen, vorgegebene Inhalte weitgehend korrekt wiederzugeben. Es kann schließlich auch nicht Aufgabe der Hochschulen sein, grundlegende fachli che Inhalte, die in der gymnasialen Oberstufe hätten erworben werden müssen, in Crashkursen in den beiden ersten Semestern nachzuholen. Abbre cherquoten von bis zu dreißig Prozent im Grundstudium geben einen guten Ein blick in die derzeitigen Defizite. Es liegt an uns Lehrkräften, unseren Schülerinnen und Schülern die Grund lagen zu vermitteln, mit denen sie ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben er folgreich beschreiten können. Dabei hilft weder eine ausgeprägte Rotstift- noch eine ausgeprägte Kuschelpäda gogik, da hilft nur gezieltes Fordern und Fördern. Der Leistungsgedanke sollte uns dabei nicht fremd sein. Für einen guten Teil des Bildungserfolges der Schülerinnen und Schüler tragen wir als Lehrkräfte die Verantwortung. Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen. Von der Politik dürfen wir mit Fug und Recht fordern, die Rahmenbe dingungen zu schaffen, die das ermög lichen.
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hphv intern
Die Vertreterversammlung in Frankfurt Gymnasiale Bildung – Anspruch und Wirklichkeit
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U nter dem Leitmotiv ’Gymna siale Bildung – Anspruch undWirklichkeit’ fand am 22. und 23. September die Vertreter versammlung des Hessischen Philo logenverbandes (hphv) statt. Ausge richtet vom Bezirk Wiesbaden war der Tagungsort dieses Mal Frankfurt, da das ursprünglich gebuchte Hotel in Niedernhausen wegen sicherheits technischer Mängel kurzfristig ge schlossen werden musste. Die Dele gierten beschäftigten sich an zwei Tagen mit aktuellen bildungs- und berufspolitischen Themen, verab schiedeten eine Resolution zum Thema ’Quereinsteiger in den Lehrer beruf’ und legten die verbandspoliti schen Ziele fest. Am 22. September konnte Heini Schmitt, der Vorsitzende des dbb Hes sen, begrüßt werden, der die gute und konstruktive Zusammenarbeit mit dem hphv betonte. In seinem Gruß
Wirklichkeit und Anspruch In seiner Rede am zweiten Tag bezog sich der hphv-Vorsitzende Reinhard Schwab auf das Motto der Vertreter versammlung. Die Wirklichkeit, kons tatierte Schwab, bestehe zurzeit aus einem ’Dauerkrisenmodus’: Pande miewellen, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, daraus resultie rend eine Energiekrise und eine dro hende wirtschaftliche Rezession. Lehrkräfte seien derzeit in ihrem Ar beitsumfeld permanent mit Krisen management beschäftigt: Corona maßnahmen, Unterschiedlichkeit und Lernrückstände sowie fehlende Un terrichtsreife in der Schülerschaft, unzulängliche personelle, zu hohe Unterrichtsverpflichtung, schleichen de Bildungsverflachung. Dazu würden diverse Herausforde rungen kommen, mit denen sich der hphv grundsätzlich konfrontiert sehe:
» Heini Schmitt,
Vorsitzender des dbb Hessen
wort ging er auf die noch laufenden Tarifverhandlungen ein und erläuter te, dass die Alimentation in Hessen verfassungsmäßig zu niedrig sei. Die Delegierten tagten bis zum Nachmittag und trafen sich dann in den Bezirken zu weiteren Gesprächen. Der gemeinsame Abend wurde musi kalisch von dem Duo ’Early bird and night owl’ abgerundet.
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Phänomene und Anforderungen im Zuge eines Zeitgeistes wie Inklusion und Integration, Engagement in Um weltfragen, gegenderte Kommunika tion, Cancel-Culture-Kampagnen, des Weiteren ’pädagogische Illusio nen’, etwa der Heterogenitätsansatz mit seiner Ablehnung des differen zierten Schulwesens, auch das Kon zept des eigenverantwortlichen Ler nens mit der Reduktion der Lehrkraft auf den Status eines Lernbegleiters. Im Anschluss an diesen Auszug aus der ’Wirklichkeit’ stellte Reinhard Schwab die Frage, was denn nun der ’Anspruch’ sei, und ging dabei auf Humboldts Bildungsideal ein: Eine umfassende Bildung der Schülerinnen und Schüler sei mehr als Wissens- und Kompetenzerwerb, sie beinhalte die Entwicklung von Haltung, Charak ter, Kritik- und Diskursfähigkeit, Fä higkeiten zu einer individuellen Mün digkeit und Selbstbestimmung, damit die kulturelle und gesellschaftliche Integration gelingen könne. Sie be zeichne die Entwicklung zu einem selbstverantwortlichen Menschen. Die gegenwärtige schulische Realität komme da jedoch nicht mehr mit. Reinhard Schwab konstatierte, dass Lehrkräfte die Möglichkeit haben müssten zu lehren, beruhend auf ih rem soliden Fachwissen, überzeugt vom Fachgegenstand, auf einem an gemessenen Niveau. Unterricht müs se dabei kognitiv und sozial aktivieren, Leistung wertschätzen. Lehren schlie ße aber auch menschliche Zuwen dung ein.
» Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz
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Der hphv-Vorsitzende forderte: »Wir brauchen eine Schulpolitik, die sich an der Wirklichkeit orientiert, nicht an Hypothesen und ideologi schen Luftschlössern, eine Bildungs politik, die klare, verlässliche Vorga ben und Erwartungen formuliert. Das Maßnahmenpaket zur Stärkung der Bildungssprache Deutsch, vom Kul tusministerium auf den Weg ge bracht, ist ein erster wichtiger Schritt: Die verbindliche Einführung einer ver bundenen Handschrift, eine pädago gisch motivierte Fehlerkorrektur, ein Fehlerindex zur Bewertung der Sprachrichtigkeit für alle Fächer in den Jahrgängen 9 und 10 sowie Lek türeempfehlungen sind wichtige Bau steine des Konzepts.« AmVormittag des 23. September begrüßten die Delegierten auch Kul tusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz. Mit dem Zitat »Gott gibt uns die Nüs se, aber er knackt sie nicht für uns«
begann er seine Rede, wies auf die Ausnahmesituation hin, die nun schon seit über zwei Jahren an den Schulen herrsche, und bedankte sich für die große Leistung aller an Schule Betei ligten. Das Schlimmste, was passieren könne, wäre ein weitere Pandemie winter, auf den man, zumindest in Bezug auf Hygienemaßnahmen und Tests, vorbereitet sei. Bildungssprache Deutsch, Löwenstark und Lehrerbildungsgesetz Prof. Dr. Lorz ging insbesondere auf die ’Bildungssprache Deutsch’ als ei nen Schwerpunkt der Arbeit des Kul tusministeriums ein. Die große Anzahl an geflüchteten Kindern und Jugend lichen stelle die Schulen vor Heraus forderungen, die es so noch nie gege ben habe. Alle sollten die Chance be kommen, erfolgreich an unserer Ge sellschaft teilzunehmen. Daher habe sich Hessen in der Kultusministerkon ferenz (KMK) dafür eingesetzt, Leit linien zur Bildungssprache Deutsch zu entwickeln und diese in allen Bil dungsetappen zu fördern. Der Minis ter zählte die verpflichtenden Vorlauf kurse auf, die sprachliche Förderung, die Betonung der Handschrift, die Einführung des Grundwortschatzes, die pädagogisch motivierte Fehlerkor rektur, ging aber auch auf Qualitäts offensiven in anderen Fachbereichen ein (Mathematik, Kulturelle Bildung). Der Erwerb von Basiskompetenzen sei wichtig, so Lorz, aber die Persönlich
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scheidungen hin. Verschiedene Mög lichkeiten wurden diskutiert und an den Minister zur weiteren Bearbeitung ’mitgegeben’. Nachgefragt wurde auch der Um gang des Kultusministeriums mit ’Gendersprache’ in den Schulen. So gab es den Hinweis, dass es an Univer sitäten zumTeil Punktabzüge und schlechtere Noten gebe, wenn in den Arbeiten oder Klausuren keine gegen derte Rechtschreibung verwendet wür de. In seiner Antwort verwies der Kul tusminister auf die Empfehlungen zur gendersensiblen Sprache des Rats für deutsche Rechtschreibung aus dem Jahr 2021, die die Verwendung von Gender-Sternchen, Unterstrich und anderem ausschließen. Eine gegen derte Schreibweise in Schule und in Schulverwaltung sei unzulässig ebenso wie das Einfordern einer gegenderten Rechtschreibung, so der Minister. Prof. Dr. R. Alexander Lorz stellte überdies fest, dass die Sprache und deren Regelungen sich stetig imWan del befänden und es gut sein könne, dass sich im Laufe der Zeit auch Rechtschreibregeln in Bezug auf das Gendern ändern könnten. Zurzeit gel te aber die vom Rat für deutsche Rechtschreibung vorgegebene Recht schreibung. Sollten also Lehrkräfte Schreiben von Behörden aus den Rei hen der Schulverwaltung erhalten, die gegendert seien, könnten diese an das Ministerium weitergeleitet wer den. Der Kultusminister wolle dann die Verfasser an die Rechtsnormen er innern. Dies sorgte im Plenum für Er heiterung und dem Minister wurde die Frage gestellt, wie groß sein Postfach sei, weil dieses vermutlich nicht aus reiche. Zu der Frage, ob gegenderte Texte der Schülerinnen und Schüler von Lehrkräften als fehlerhaft korri giert werden müssen, äußerte er sich nicht. Deutlich wurde in jedem Fall, dass dieses Thema die Schulen auch weiterhin beschäftigen wird. Ein ganz herzlicher Dank gilt dem Versammlungsleiter Bert Thieme und dem Bezirk Wiesbaden für die Pla nung des Rahmenprogrammes und die Besetzung des Tagungsbüros. Dr. Iris Schröder-Maiwald
keitsentwicklung müsse ebenso ge fördert werden: »Schule als Lebens raum prägt die Persönlichkeiten jun ger Menschen.« Die Kompensation coronabedingter Lernrückstände bei Schülerinnen und Schülern mithilfe des Programmes ’Löwenstark’ solle auch im Jahr 2023 fortgesetzt werden ebenso wie die Förderung der Maßnahmen zur psy chosozialen Unterstützung. Weiterhin ging Prof. Dr. Lorz auf das neue Lehrerbildungsgesetz ein, das demnächst verabschiedet werden soll. Ziel sei eine bessere Verzahnung der einzelnen Phasen der Ausbildung. Zu dem werde durch die Implementation eines Praxissemesters der frühzeitige Kontakt junger Lehrkräfte mit der Praxis gewährleistet. Landesabitur Das Abitur sei in diesem Jahr wieder gut gelaufen, stellte Prof. Dr. Lorz fest. Es seien weniger Abiturientinnen und Abiturienten als in den letzten Jahren gewesen, was vermutlich auch mit der Umstellung von G8 auf G9 zusammen hing. Die Durchfallquote von 3,5 Pro zent sei jedoch konstant geblieben und habe sich auch während der Corona Pandemie nicht verändert. Ob es den Zeitzuschlag im nächsten Jahr noch geben werde, stehe noch nicht fest, der zusätzliche Aufgabenvorschlag bleibe auch weiterhin bestehen. Bis zu diesem Jahr fanden die schriftlichen Abiturprüfungen in Hes sen immer vor den Osterferien statt. So konnten die Ferien zur Korrektur genutzt werden. Im Sinne einer Ein heitlichkeit und Vergleichbarkeit der
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» Prof. Dr. R. Alexander Lorz und Reinhard Schwab
Abiturprüfungen in allen Bundeslän dern sollen nun alle Klausuren zeit gleich nach den Osterferien geschrie ben werden. In seinen Ausführungen erkannte Prof. Dr. Lorz die Belas tungsspitzen bei den Korrekturen an, da die Osterferien nun wegfallen wür den, verwies aber auf die Möglichkei ten der Schulen, angepasste Lösun gen zu finden (Einführung von Kor rekturtagen, Entlastungsstunden). Es werde keine zentrale Vorgabe geben, sondern die Schulen sollten selber entscheiden, wie sie für Entlastungen sorgen wollen. Lorz beendete seine Rede mit einem Dank an alle Lehr kräfte für den guten Verlauf des dies jährigen Abiturs und zeigte sich zu versichtlich, dass auch in Zukunft ein gutes hessisches Abitur etabliert werde. In der anschließenden Aussprache stellten die Delegierten kritische Fra gen genau zu diesen uneinheitlichen Entlastungen und wiesen auf die Pro blematik der individuellen Schulent-
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» Die auf der Vertreterversammlung geehrten Jubilare mit dem alten [Paul Kötter 2.v.l. ] und neuen Seniorenbeauftragten [Heinz Seidel 1.v.l. ]
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Auf der Vertreterversammlung verabschiedete Resolution Quereinstieg in den Lehrerberuf nur qualifiziert und als Ausnahme U mdem Lehrermangel in den Schulen entgegenzuwirken und die Lehrerversorgung eini dieses durch das Programm Löwen stark. Es gibt Befürchtungen, dass den b) wie die Lehrerausbildung verlässlich, qualitativ gestaltet werden und ziel orientiert durchgeführt werden kann.
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germaßen sicherzustellen, werden – neben grundständig ausgebildeten Lehrkräften – vermehrt Quereinsteiger mit fachlicher Expertise und Seitenein steiger eingesetzt. Dies kollidiert mit der traditionellen Lehrkräfteausbildung. Während 2011 laut Kultusministerkonferenz bundes weit etwa 1400 Quereinsteiger einge stellt wurden, sind es zehn Jahre später bereits rund 3000 und damit fast zehn Prozent der Neueinstellungen insge samt. Inmanchen Bundesländern liegt ihre Zahl schon bei einemDrittel oder darüber. Bei befristeten Beschäftigun gen nimmt zudemdie Anzahl der Sei teneinsteiger extrem zu. Verstärkt wird
Quer- und Seiteneinsteigern aufgrund der fehlenden pädagogischen Ausbil dung und der unzulänglichen didak tisch-methodischen Kompetenz im schulischen Alltag Probleme erwachsen. Der Hessische Philologenverband kann keine transparenten und keine nachvollziehbaren Kriterien bei der Aus wahl der Personen erkennen. Der hphv vermisst ausreichende pä dagogische und fachliche Qualifikatio nen der Seiteneinsteiger. Der Hessische Philologenverband er wartet, dass die Politik zeitnah einen klaren Plan vorlegt, a) wie man junge Menschenmotiviert, den Lehrerberuf zu ergreifen und
Der Quer- und Seiteneinstieg darf für die Politik kein wohlfeiler Ausweg aus demDilemma Lehrermangel sein. Im Zentrumaller Bemühungenmuss ste hen, die Attraktivität des Lehrerberufs zu steigern, indemangemessene, ver lässliche Arbeitsbedingungen und eine verfassungskonforme Besoldung ge schaffen werden. Kontraproduktiv ist, dass das Aufgabenspektrum für die Lehrkräfte in den vergangenen Jahren permanent erweitert wurde und durch unzureichende Lernvoraussetzungen imUnterricht, aber auch durch zuneh mende Bürokratisierung, immer belas tender wird.
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’Ausschuss für Gesamtschulfragen (GSA)’ heißt jetzt ’Ausschuss für Gymnasiallehrkräfte an anderen Schulformen (GAS)’ A uf seiner letzten Sitzung am 4. Oktober im Sporthotel Grünberg hat sich der umbe
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nannte ’Ausschuss für Gymnasiallehr kräfte an anderen Schulformen’ kon stituiert und hauptsächlich die Vertre terversammlung 2022 Revue passie ren lassen. Der Ausschuss besteht ak tuell aus sechs Mitgliedern und hat sich zum Ziel gesetzt, in Zukunft aus jedem Schulamtsbezirk ein hphv-Mit glied für die Ausschussarbeit gewin nen zu können. Bislang ist er in Wies baden, Rüsselsheim, Darmstadt und Hanau vertreten. Die vom Ausschuss beantragten und mit qualifizierter Mehrheit bewilligten Satzungsänderungen wurden dabei eingehend gewürdigt und begrüßt. Der nunmehr umbenannte und ver größerte Ausschuss sieht sich künftig als Interessenvertretung aller Gymna siallehrkräfte im Hessischen Philolo genverband, die nicht an reinen Gym nasien unterrichten, sondern zum Bei spiel an einer Grundschule oder an ei nemOberstufengymnasium.
» v.l.n.r.: Jan Szymanski, Markus Stellfeldt, Borries Thiele, Steffen Auth und Felix Kremer
Auch die drei vom Ausschuss einge brachten Sachanträge wurden mit Mehrheit angenommen. So möchte sich der hphv dafür einsetzen, dass Gymnasiallehrkräfte an kooperativen Gesamtschulen nur mit vorheriger Einwilligung in mehr als einem Drittel ihrer Unterrichtsverpflichtung in an deren Schulformen eingesetzt werden dürfen. Bezüglich des Oberstufenein satzes soll eine gestaffelte Stunden entlastung gefordert werden, also ab 16 Stunden 2 und ab 23 Stunden 3 Entlastungsstunden. Und schließlich soll für den Übergang auf die gymna
siale Oberstufe künftig wieder ein No tendurchschnitt von besser als 3,0 er zielt worden sein. Nachdem der Ausschuss in diesem Jahr bereits mit Monika Roth eine Referatsleiterin im Hessischen Kul tusministerium in seinen Reihen als Gast begrüßen durfte, ist für das kommende Jahr ein Gespräch mit ei nem Vertreter des Interessenverban des Hessischer Schulleitungen e.V. geplant. Borries Alexander Thiele, Vorsitzender des Ausschusses ’Gymnasiallehrkräfte an anderen Schulformen (GAS)’
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Ankündigung der Pädagogischen Tagung des Jahres 2023 Bildungssprache – Schwerpunkt in der Sekundarstufe I
I m kommenden Jahr wird die Päda gogische Tagung, zu welchem der Pädagogische Ausschuss des hphv herzlich einlädt, am 13. und 14. Juli 2023 in Grünberg stattfinden. Im Mittelpunkt der Erörterungen soll das Thema ’Bildungssprache – Schwerpunkt in der Sekundarstufe I’ stehen. Sprache, vor allem Bildungsspra che, hat für die Umsetzung des Bil
dungs- und Erziehungsauftrags im Lehrberuf eine große Bedeutung. Prof. Dr. Helmuth Feilke und Dr. Martin Blawid, die sich beruflich seit Jahren mit demThemenfeld ’Bil dungssprache’ auseinandersetzen, haben bereits zugesagt, an der Tagung teilzunehmen, Fachvorträge zu halten und danach mit den Teil nehmerinnen und Teilnehmern ins Gespräch zu kommen.
Auch soll bei der Tagung genügend Raum gegeben sein, dass Kolleginnen und Kollegen sich untereinander über die Rolle von Bildungssprache im Schulalltag, im Fachunterricht, aber auch darüber hinaus austauschen können. Merken Sie sich schon jetzt diesen Termin in Ihrem hphv-Kalender vor!
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Der Pädagogische Ausschuss des hphv
Auch das noch? Sprachenvielfalt, Bildungssprache und durchgängige Sprachbildung. Herausforderungen für jede Lehrkraft G ut ausgebaute sprachliche Fähigkeiten sind eine Grund lage für jedes erfolgreiche
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Lernen – das ist eine Binsenweisheit. Inzwischen aber bringen Schülerinnen und Schüler an allen Schulformen, auch den Gymnasien, sehr unter schiedliche sprachliche Voraussetzun gen für das Lernen mit. Dies hat ver schiedene Ursachen – von den sozio ökonomischen Voraussetzungen der Familien bis zur familialen Mehrspra chigkeit. Und anders als vielfach an genommen, ist das für die Aneignung von Bildung notwendige sprachliche Können undWissen am Ende der Grundschule keineswegs erreicht. Auf Einladung des Hessischen Philo logenverbandes referierte Prof. Dr. Ing rid Gogolin (Hamburg) imRahmen ei ner digitalen Fortbildung am 1. Novem ber ihren Standpunkt. Sie erörterte For schungsergebnisse zur Sprachentwick lung, wobei insbesondere die Chancen der Mehrsprachigkeit fokussiert wur den. Weiterhin erläuterte sie Konzepte, mit denen es Lehrerinnen und Lehrern gelingen kann, die Sprachverschieden heit in Lerngruppen als Quelle für er folgreiches Lernen zu nutzen. Als Bei spiel dafür diente Physikunterricht im Kontext sprachlicher Diversität. Im Anschluss nahmen die teilneh menden Lehrkräfte die Gelegenheit wahr, Prof. Dr. Ingrid Gogolin zu befra gen. Durchaus kontrovers wurde hier bei die Rolle der Mehrsprachigkeit dis kutiert. Das Erlernen der Bildungs sprache Deutsch stellt laut Prof. Go golin keinenWiderspruch zum Erler nen der Herkunftssprache dar. Beides verstärkt sich gegenseitig. »Viele Chancen, auch das ökonomische Po tenzial, lassen wir hier als Gesellschaft liegen«, so Gogolin. Sie erkenne nicht, dass das Fördern der Herkunftsspra che dem Deutschen als Bildungsspra che – das sie ganz klar bewahren wolle – schade. Einigkeit herrschte in der Runde darin, dass die Jugendlichen
generell mehr Struktur und intensiver die Schriftsprache erlernen müssten, auch um sich in den digitalen Medien, die dies nicht von alleine vermitteln würden, zurechtfinden zu können. Thorsten Rohde, stellvertretender Landesvorsitzender des Hessischen Philologenverbandes, dankte imAn schluss für Vortrag und Aussprache. Weitere digitale Formate wie das hier angebotene sollen folgen, da imZuge steigender Flüchtlingszahlen der Um gangmit Sprache – nicht nur imhessi schen Bildungssystem– eine zentrale Herausforderung ist und bleiben wird. Thorsten Rohde
Die Referentin
Foto: Markus Scholz
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Prof. Dr. Ingrid Gogolin ist Se nior-Professorin für Interkultu relle und International Verglei chende Bildungsforschung an der Universität Hamburg. Sie verfügt über langjährige For schungserfahrung zu Fragen der sprachlichen Bildung unter den Bedingungen zunehmender sprachlicher, kultureller und so zialer Vielfalt. Neben wissen schaftlichen Publikationen hat sie zahlreiche Arbeiten mit Be zug zur Bildungspraxis veröf fentlicht. Beispiele dafür finden sich unter www.mehrsprachig keit.uni-hamburg.de
Info
Interessenten können sich über die Homepage des hphv über weitere Fortbildungen informie ren. Nichtmitglieder zahlen jeweils eine Teilnahmegebühr. Bei Fragen und Anregungen schreiben Sie gerne an: rohde@hphv.de.
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Sie haben Kritik oder Anregungen? Schreiben Sie uns! Mail: blickpunkt-schule@hphv.de
Fortbildung des Bezirksverbandes Marburg am 5. Oktober 2022 Handwerkszeug und Beratung im Umgang mit schwierigen Schülerinnen und Schülern
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I mmer wieder sind Lehrkräfte mit Schülerinnen und Schülern konfron tiert, die Störungen in der emotio nalen und sozialen Entwicklung haben. Diese können temporär, aber auch langfristig sein und durch traumatische Erlebnisse im schulischen und/oder privaten Umfeld ausgelöst werden, aber sie können auch krankheitsbe dingt sein. Der Bezirksverband Marburg hat daher zu einer Fortbildung in die Carl-Strehl-Schule eingeladen, um folgende Fragen zu diskutieren: •• Wie erkenne ich solche Störungen? • Sind sie kurzfristig undmit schul- pädagogischen Möglichkeiten zu lösen oder brauche ich externe Fach beratung? • Wie lange hält die Klassengemein schaft das aus? • Ist eine Förderschule eventuell der bessereWeg für das Kind? Diana Burk und Michael Röthinger bil den das Schulleitungsteaman der Julie-Spannagel-Schule in Marburg, eine Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung und eine Schule für Kranke. Das große Interesse an der Fortbil dung und die zahlreichen Fragen zu konkreten Fällen zeigte, dass die ange sprochene Problematik vor Gymnasien keinen Halt macht.
Note 6 wäre zwar formal richtig, führt aber zumNichterreichen des Klassen ziels und fördert damit nicht die Schul fähigkeit des Kindes. Hinzu kommt, dass die Schulzeit nicht beliebig ver längert werden kann. In einigen Fällen kommt hinzu, dass durch das Verhalten und die Probleme eines Kindes auch einzelne Mitschüler oder gar die ganze Klasse in Mitlei denschaft gezogen werden kann. Vor allem bei Fällen von angekündigtem Suizid oder aggressivemVerhalten, das die Mitschüler psychisch und auch physisch betreffen und ebenfalls krank machen kann. Hier ist das pä dagogische Geschick des Klassenleh rers gefragt, inwieweit er die Klasse involvieren kann oder sogar muss, um für Stabilität des einen Schülers zu sorgen, oder ob ein Wechsel des Schülers in eine andere Klasse ange messen ist. Problematisch ist hierbei, dass nicht alle Schulen über Klassen lehrerstunden verfügen und somit Fachunterricht ausfällt, der nicht wie der nachgeholt werden kann. Auch wenn die Schulen in der Regel über Schulsozialarbeiter oder Schul seelsorger verfügen, gibt es Grenzen der Schulpädagogik und bei dem, was Schulen leisten können. Pauschale Lösungswege konnten auf der Fortbildung entsprechend nicht aufgezeigt werden. Wichtig war es zu erfahren, dass man mit den Problemen nicht allein ist und dass es Grenzen gibt, wo Lehrkräfte bzw. die Schule noch etwas machen können. Hilfreich war eine Liste mit Adressen, an die sich Lehrer und Schulleitung wenden kön nen, wenn externe Hilfe notwendig wird. Auch eine entsprechende Förder schule darf keinTabu sein. Ziel der ent sprechenden Förderschulen ist es nicht, die Kinder dort zu ’verwahren’, sondern so schnell wie möglich wieder schulfähig zu machen, damit sie ihr Bildungsziel erreichen können. Dr. Christian Roos
Diskutiert wurden Fälle im Bereich Suizid, aggressives Verhalten, Identi tätstörung, Angststörung, Schul schwänzen und Schulabsentismus. Die Problematiken sind alle in ihrer Auswirkung unterschiedlich. Gemein sam ist ihnen, dass die individuelle Ar beit mit demKind und dem Elternhaus der Schlüssel zum Erfolg ist. Die He rausforderungen für die Schulen sind dahingehend, dass die Kapazitäten für eine erfolgreiche Arbeit mit den Kin dern oft nicht vorhanden sind. So kann es Schüler-Eltern-Lehrer-Gespräche, RundeTische etc. geben, aber die Um setzung der Maßnahmen ist oft schwierig. Eltern können zwar bei Schulabsentismus ihre Kinder morgens zu Schule bringen, aber in der Schule lernen können die Kinder dadurch noch nicht. Auch bei einer stundenweisen Heranführung der Kinder an den Un terricht bleibt die Frage offen, wie die Kinder in den Fächern bewertet werden sollen, die sie nicht besucht haben. Die
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Unser Service für Mitglieder: Der dlh-Ratgeber kostenfrei zum Download Nichts ist im Schulbereich beständiger als der Wandel der Vorschriften! Der dlh-Ratgeber wurde komplett aktualisiert und neu aufgelegt. Die umfangreichen und zumTeil schwer überschaubaren Dienstvorschriften im Schulbereich liegen nunmehr in der 31. Auflage vor. Die erneute veränderte Rechtslage – unter anderem bedingt durch das 3. Dienstrechtsänderungsgesetz vom 15. No vember 2021 und das neue Hessische Lehrkräftebildungsgesetz vom 13. Mai 2022, aber auch durch das zwischenzeitliche Auslaufen der Bestimmungen aus dem ersten bzw. zweiten Gesetz zur Anpassung des Hessischen Schulgesetzes und weiterer Vorschriften an die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus vom 18. Juni 2020 bzw. vom 18. März 2021 – erforderte zwingend eine erneute umfassende Überarbeitung unserer Erlasssammlung. Unsere Mitglieder finden den dlh-Ratgeber nach dem Log-in im Servicebereich unserer Website unter www.hphv.de/downloads/.
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Foto: Gorodenkoff/AdobeStock
Die beschleunigte Erosion des deutschen Bildungswesens Ursachen und Folgen der Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2021 und deren Bedeutung für die gymnasiale Bildung
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Ergebnisse des IQB- Bildungstrends 2021
Vergleich der Ergebnisse der IQB-Bildungstrends 2011-2016 und 2021 2, 3 Der IQB-Bildungstrend wurde nach 2011 und 2016 im fünfjährigen Turnus 2021 zum dritten Mal erhoben und lässt auch Vergleiche über diesen Zeitraum zu. In Lesen, Orthografie und Rechnen fallen die deutschen Viertklässler immer mehr zurück. Ver gleicht man die aktuelle Studie mit der von 2016, ist ein Bildungsabsturz festzustellen: Schülerinnen und Schü ler erreichen in allen getesteten Kom petenzbereichen im bundesweiten Durchschnitt signifikant weniger die Regelstandards und verfehlen in glei cher Deutlichkeit die Mindeststan dards. Nur in Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz blieben die Ergebnis se relativ unverändert, wenn auch auf deutlich unterschiedlichem Niveau. Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe feierte dies bei der Vorstellung als großen Erfolg seiner hanseatischen Bildungspolitik. In der Tat ist Hamburg
oder übertreffen bundesweit nur noch knapp 58 Prozent der Schülerin nen und Schüler im Bereich Lesen, etwa 59 Prozent im Bereich Zuhören und rund 44 Prozent im Bereich Or thografie den Regelstandard, den Mindeststandard verfehlen knapp 19 Prozent. 1 In Mathematik erreichen oder übertreffen den Regelstandard 54,8 Prozent, während rund 22 Pro zent nicht einmal den Mindeststan dard erreichen. In Bayern und in Sachsen fällt das Ergebnis signifikant besser aus als in Deutschland insge samt. In Bremen und Berlin werden die Regelstandards seltener erreicht oder übertroffen und die Mindest standards häufiger verfehlt als dies deutschlandweit der Fall ist. 1 In Bran denburg und Nordrhein-Westfalen fallen die Ergebnisse zum Erreichen der Regelstandards in allen Kompe tenzbereichen signifikant ungünsti ger aus, das Erreichen der Mindest standards in zwei Kompetenzberei chen liegt deutlich unter dem bun desweiten Durchschnitt. 1
Mit dem Bildungswesen in Deutsch land ist es nicht zum Besten bestellt. Das pfeifen die Spatzen längst von den Dächern. Seit PISA 2000 und an deren IQB-Studien sollte zwar vieles empirisch begleitet und dadurch bes ser werden. Das erweist sich nun als frommer Wunschtraum. Der kürzlich vorgestellte IQB-Bildungstrend 2021, der auf der empirischen Ermittlung von Daten der Kompetenzstufen in Mathematik und Deutsch am Ende der vierten Klasse beruht, hat eine signifikante Abnahme in allen Kom petenzbereichen nachgewiesen. 1 Der Zeitpunkt der Erhebung war zwischen April und August 2021 und beinhalte te eine Stichprobe von 26 844 Schü lern in den 16 Bundesländern. Weder die Optimalstandards noch die Re gelstandards und nicht einmal die Mindeststandards werden von großen Teilen der Probanden erreicht. In der aktuellen Studie von 2021 erreichen
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hinter Bayern und Sachsen auf Platz 3 vorgerückt. Die Aufstellung derartiger Rankings ist auch aufgrund der Da tenerhebung mehr als fraglich und wenig aussagekräftig, wie die Leiterin der Studie, Petra Stanat, bei der Vor stellung ausdrücklich betonte. Schließlich ist man in Hamburg kei nesfalls besser geworden, sondern weniger schlecht als die anderen Bun desländer. Interessant ist, dass imVergleich zwischen 2011 und 2016 im Kompe tenzbereich Lesen keine Veränderun gen auftraten. Lediglich im Bereich Zuhören und Mathematik erreichten oder übertrafen 2016 weniger Pro banden den Regelstandard und etwas mehr verfehlten das Erreichen der Mindeststandards. Geschlechtsbezo gene Disparitäten spielten dabei nur eine geringe Rolle. Ein Blick auf die zuwanderungsbe dingten Disparitäten zeigt allerdings ein anderes Bild. Im Jahr 2021 haben rund 38 Prozent der Kinder einen Zu wanderungshintergrund. Dies ent spricht einem signifikanten Zuwachs von vierzehn Prozent gegenüber 2011, wobei die Anteile für die ostdeutschen Länder zwischen sieben Prozent und neun Prozent und in den anderen Län dern zwischen neun Prozent und neunzehn Prozent (Bremen) liegen. Aus der Studie lässt sich ablesen, dass die zu beobachtenden Kompetenzein bußen in dieser Schülerpopulation in allen getesteten Kompetenzberei chen signifikant höher ausfielen, als bei den Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund. Mindest standards werden insbesondere dann nicht erreicht, wenn zu Hause kein oder nur wenig Deutsch gesprochen wird. Die Lernbedingungen dürften durch die coronabedingten Maßnah men des Fern- und Wechselunter richts diesen Trend verstärkt haben. Das Fazit des IQB-Trends 2021 lau tet dann auch: »Die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends liefern ein be sorgniserregendes Bild. Die negativen Trends sind erheblich und der Anteil der Viertklässler:innen, die nicht ein mal die Mindeststandards erreichen, ist zu hoch. Im Jahr 2021 liegt dieser
Anteil in Deutschland insgesamt zwi schen gut achtzehn Prozent (Zuhö ren) und etwa dreißig Prozent (Ortho grafie) , wobei die Anteile in einzelnen Ländern noch deutlich höher sind. Es dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass solche Zahlen nicht hinnehmbar sind.« 1 Die Folgen dieser Entwicklung wer den für den Einzelnen und die Gesell schaft desaströs sein. »Das holen die Kinder nie wieder auf«, äußerte sich der sonst eher sich zurückhaltende Kollege Olaf Köller, Vorsitzender der StändigenWissenschaftlichen Kom mission der Kultusministerkonferenz, in einem Interview mit der Tageszei tung DIE WELT. 4 Neben der Unfähig keit zur Berufsausbildung und mit der zu rechnenden Abschiebung in den noch funktionierendenWohlfahrtstaat wären weitere wirtschaftliche und so zialpolitische Erosionen die Folge. fragte die Wochenzeitschrift DIE ZEIT schon in ihrer Ausgabe Nr. 28 vom 7. Juli 2022 nach Vorlage der Zahlen zu Recht. 5 Die vier vorgestellten Indi viduallösungen Sportsgeist beim Le sen, Lückenlose Aufklärung, Famili enyoga gegen Schulangst und Team spiel als Taktik sicherlich nicht. Gera de beim letzten Vorschlag einer Schulleiterin aus einer Brennpunkt schule in einem Berliner Randgebiet geht es ausschließlich um die Teamar beit ihres Lehrerkollegiums, der El tern, von Sozialarbeitern, der Polizei und vielen Akteuren mehr. Hat hier nicht längst die Politik versagt, die derartige Zustände überhaupt zu lässt? Die Frage, die sich hier zwin gend stellt ist die, wie es dazu kom men konnte und ob überhaupt Abhilfe möglich ist. Kann die Schule, kann guter Unterricht, können Lehrerinnen und Lehrer, die die Förderung aller Schüler im Blick haben müssen, bei einer solch extremen Heterogenität überhaupt allen Schülern gerecht werden? Mit Binnendifferenzierung ist es hier nicht getan. Wie konnte es die Politik es zulassen, dass überhaupt »Was bremst den Bildungsabsturz?«
Brennpunktschulen entstanden sind? Boomen nicht gerade Privatschulen, weil bildungsinteressierte Eltern lieber in die Tasche greifen, um ihren Kin dern die bestmögliche Bildung in ei nem wohlhabenden Stadtteil zukom men zu lassen? Denn längst ist be kannt, dass der Wohnort und in den Großstädten die Wohngegend ent scheidend für den schulischen Erfolg sind. Schulen in Brennpunktgebieten müssen sicherlich andere Wege fin den, um ihren sozial benachteiligten Kindern wenigstens das Erreichen der Basiskompetenzen zu ermöglichen. Das ist traurig genug, denn von Ver mittlung einer grundlegenden auf Er ziehung und Wissen basierten Bildung ist hier nirgends mehr die Rede. Die Antworten sind daher vielfältig und widersprüchlich zugleich und betref fen teils völlig gegensätzliche päda gogische, didaktische, soziale bis hin zu ideologischen Maßnahmen. Auch diese Frage ist nicht nur in den Bildungswissenschaften nach wie vor umstritten. Finnland hat die Fächer weitgehend abgeschafft, was das Land in der PISA-Studie ganz offen sichtlich Spitzenplätze gekostet hat. Auch in Deutschland haben sich zu mindest in Teilen der Schullandschaft reformpädagogische Ansätze der ’Neuen Lernkultur’ durchgesetzt, in denen die neue Lehrerrolle die des Lernbegleiters sein soll und in der ein mehr offener Unterricht durch Selbst organisation, problemlösendes, for schendes und individuelles Lernen unter anderem gekennzeichnet ist. Dies gilt auch für Ausbildung im Refe rendariat in den meisten Bundeslän dern. Auch hier sei die Frage erlaubt, ob diese Konzepte durch Ergebnisse der Bildungsforschung empirisch ab gesichert sind. Auch diese Frage muss mit einem klaren »Nein« beantwortet werden. Der Neuseeländer John Hat tie hatte schon 2008 in seiner welt weit viel beachteten Metaanalyse der Funktion der Rolle des Lehrers als Lernbegleiter (teacher as facilitator) Was ist überhaupt guter Unterricht?
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eine klare Absage erteilt. 5 In mehr als 50000 untersuchten Einzelstudien fanden sich dafür keine Belege und es konnten nur geringe Effektstärken nachgewiesen werden. Demnach ist ein vom Lehrer gesteuerter Unterricht (teacher as instructor) wesentlich ef fektiver. 6 Seine Untersuchungen hat Hattie auch in den Jahren danach weiter durchgeführt und es ist nicht zu grundlegenden Änderungen in der Bewertung gekommen. Auch der da hinterstehenden konstruktivistischen Theorie erteilt Hattie eine klare Ab sage: »Constructivism is a form of knowing and not a form of teaching.« (a.a.O., S. 243). Auch Kirschner und Kollegen kommen in ihrer Metastudie zum ähnlichen Ergebnis: »Why mini mal guidance during instruction does not work. An Analysis of the failure of constructivist, discovery, problem- based, experiential, and inquiry- based teaching.« 7 Gerade Migranten kinder ohne elterliche Unterstützung profitieren von einem durch den Leh rer gesteuerten Unterricht deutlich mehr. Beim selbstständigen Lernen gehören sie zu den Verlierern, weil ih nen das ja gerade in ihren teils prekä ren Wohnverhältnissen, mit nicht oder nur wenig vorhandenen Büchern oder digitaler Ausrüstung und fehlender elterlicher Unterstützung kaummög lich ist. Ein Blick in die USA Auch die große Dame der US-ameri kanischen Pädagogik, Dianne Ravitch, berichtet in ihrem weltweit bekannten Werk »The Great American School System. HowTests and Choice are Underming Education« über schon Ende der neunziger Jahre in Bezirken in New York und später in San Diego gestarteten Bildungsoffensiven. ’Balanced Literaccy’ und ’Constructi vist Mathematics’ waren die neuen Leseprogramme, die letztlich dort kläglich gescheitert sind. 8 Auch lohnt sich ein Blick in die Pra xis in den USA, die ebenfalls je nach Bundesland unterschiedlich ist. Allein aus rechtlichen Gründen ist dort der Unterricht sowohl an Schulen als auch
den Schulen in Deutschland weitge hend verbannt. Dabei stellt es die Grundlage einer jeden Kompetenz dar! Selbstverständlich gibt es im Un terricht ein gemeinsames Lernziel. Jeder Schüler und auch die Eltern wissen genau Bescheid darüber, was inhaltlich verlangt wird, und können sich durch Erledigung der Hausauf gaben, zusätzliches Üben oder auch Nachhilfeunterricht auf die jeweiligen Inhalte fokussieren. Auch die Bewer tung ist interessant: fünf Prozent Mit arbeit, fünf Prozent Hausaufgaben und neunzig Prozent Faktenwissen! Methoden wie Gruppenarbeit und Präsentationen: null Prozent. Im Rah men eines back to the basics ist man an vielen High Schools hier schon ei nen Schritt weiter als in Deutschland und legt nach wie vor ein besonderes Augenmerk auf die Vermittlung und das wiederholende Abprüfen von grundlegenden Fachinhalten. Außer dem wird jedes Fach in vier unter schiedlichen Leistungsstufen ange boten, sodass man sich erst einmal selbst entsprechend seiner Vorkennt nissen einordnen kann. Auch die Amerikaner haben mit Zuwanderern und Teilen der afro-amerikanischen Bevölkerung durchaus ein Bildungs problem, indem es dort auf den Wohnort und den Geldbeutel an kommt, ob man eine gute Bildung er hält. Diese Entwicklung haben wir in Deutschland mittlerweile auch, vor al lem in den Städten. In teuren Gegen den liegen die Migrantenanteile bei spielsweise an einem Gymnasium vor allem bildungsferner Schichten bei unter 10 Prozent, auf der anderen Rheinseite in Köln-Kalk bei 85 Pro zent, Tendenz überall in deutschen Großstädten stark zunehmend. Für die meist tabuisierte Frage, ob ein Bil dungswesen für derartige gesell schaftliche Entwicklungen eine Art Reparaturanstalt darstellt, gibt es ei gentlich nur eine klare Antwort: Das kann Schule und können Lehrerinnen und Lehrer gar nicht leisten, es ist vielmehr ein gesamtgesellschaftli ches Problem. Auch müsste hier ent sprechend dem hoch gelobten kana dischen Vorbild ein entsprechendes
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an Hochschulen buchorientiert. Alle Prüfungsaufgaben müssen die Inhalte des Buches zumThema haben. Die Schüler haben dadurch aber die Mög lichkeit, genau zu wissen, was in den Arbeiten verlangt wird. Gerade lern schwächere Schüler können nicht ver standene Kapitel durch Hausaufga ben und vielfältiges Üben anhand vielfältiger Übungsaufgaben wieder holen. Innerhalb von rund vierzehn Ta gen werden täglich jeweils die nächs ten Seiten durchgenommen und zum Abschluss eines jeden Kapitels wird ein Test oder eine Arbeit über genau diese Seiten geschrieben. Während des Halbjahres wird so nahezu das gesamte Buch ’abgearbeitet’. 9 Der Vorteil liegt auf der Hand. Alle Schü lerinnen und Schüler wissen genau, was zu tun ist. Die Mathematikbücher sind wie bei uns in den siebziger Jah ren so aufgebaut, dass sie vorneweg an einem ausführlichen Beispiel eine neue Augabenstellung und deren Lö sung erklären. Danach folgt mindes tens eine ganze Seite mit vielen zu erledigenden Übungsaufgaben, die nach und nach höhere Schwierigkeits grade beinhalten. Ziel ist, die mathe matische Problemstellung und Lö sung durch Üben zu festigen. Schon das Wort ’Üben’ ist heutzutage aus Prof. Dr. Hans Peter Klein ist Präsident der Gesellschaft für Didaktik der Biowissenschaften, hatte bis 2018 den gleichnami gen Lehrstuhl an der Goethe Universität Frankfurt inne, ist Mitbegründer der Gesellschaft für Bildung und Wissen und war in den 80er- und 90er-Jahren Gymnasiallehrer am Städti schen Gymnasium in Rhein bach/Nordrhein-Westfalen.
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Sache bringt, sollte sie natürlich ein gesetzt werden. Das Schlusswort soll mein Kollege und Philosoph Konrad Liessmann ha ben. Nach seiner ’Theorie der Unbil dung’ folgte der zweite Band ’Geister stunde – die Praxis der Unbildung’, die die derzeitige Entwicklung auf den Punkt bringt: »Wo Kompetenzen ver mittelt, Tests ausgefüllt, imTeam ge teacht, international verglichen und modular studiert wird – dort ist die Praxis der Unbildung am effizientes ten.« 13 Quellenhinweis 1 P. Stanat, S. Schipolowski, R. Schneider, K. A. Sachse, S. Weirich & S. Henschel (Hrsg.) (2022): IQB-Bildungstrend 2021. Kompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik am Ende der 4. Jahrgangsstufe im dritten Ländervergleich. Waxmann. 2 P. Stanat, S. Schipolowski, C. Rjosk, S. Weirich, N. Haag (Hrsg.) (2017): IQB-Bildungstrend 2016. Kompetenzen in den Fächern Deutsch und Ma thematik am Ende der 4. Jahrgangsstufe im zweiten Ländervergleich. Waxmann. 3 P. Stanat, H.A. Pant, K. Böhme, D. Richter (Hrsg.) (2012): Ergebnisse des IQB-Ländervergleichs 2011. Kompetenzen von Schülerinnen und Schü lern am Ende der vierten Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik. Waxmann. 4 Olaf Köller im Interview mit der WELT vom 8. No vember 2022: Das holen die Kinder nie wieder auf. https://www.welt.de/politik/ deutschland/ plus241930689/Bildungskrise-Das-holen-die Kinder-nie-wieder-auf.html 5 J. Schoener (2022): Was bremst den Bildungs absturz? DIE ZEIT Nr. 28 6 John Hattie (2009): Visible Learning. A synthesis of over 800 Meta-Analyses Relating to Achieve ment. S. 247f. 7 J. Sweller, P. Kirschner, R. Clark (2006): Why mi nimal guidance during instruction does not work: An analysis of the failure of constructivist, disco very, problem-based, experiential, and inquiry based teaching. Educational Psychologist 41 (2), 75–86 8 D. Ravitch (2010): The Death and Life of the Great American School System: HowTests and Choice are Undermining Education. Basic Books, New York 9 Hans Peter Klein (2016): Vom Streifenhörnchen zum Nadelstreifen. Das deutsche Bildungswesen im Kompetenztaumel. ZuKlampen, Springe 10 Markus Lanz vom 12. Oktober 2022: Serap Güler kritisiert Asyl-Politik scharf – ’Das falsche Sig nal’. https://www.zdf.de/gesellschaft/markus lanz/markus-lanz-vom-12-oktober-2022 100.html 11 Hans Peter Klein (2010): Die neue Kompetenz orientierung. In: Journal für Didaktik der Biowis senschaften (F) 1, 1–8. 12 Hans Peter Klein (2018): Abitur und Bachelor für alle. Wie ein Land seine Zukunft verspielt. ZuKlampen, Springe 13 Konrad Liessmann (2014): Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung. Zsolany
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Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht werden, dass zumindest Zuwanderung aus bildungsfernen Schichten minimiert. Ähnlich äußerte sich die nordrhein-westfälische Staatssekretärin für Integration, Se rap Güler, in einer Talkshow bei Mar kus Lanz , selbst mit Migrationshinter grund. Dass wir imVergleich mit an deren europäischen Staaten vielfach höhere finanzielle Leistungen gewäh ren, sei der »falsche Weg« und sprach von einem »Pull-Effekt«. 10 Und das Gymnasium? Was hat diese Entwicklung nun mit dem Gymnasium zu tun? Seit der Jahrtausendwende hat auch dort eine kontinuierliche Erosion des Leistungs niveaus zweifellos stattgefunden. Das bestreitet heute eigentlich niemand mehr. Gründe dafür gibt es viele. Erst einmal werden die oben geschilderten Bildungsdefizite von unten nach oben durchgereicht. Zweitens sind die Abi turientenzahlen auf politischen Wunsch hin seit den neunziger Jahren in nahezu allen Bundesländern ver doppelt worden. Das geht nur über ei ne Absenkung der Leistungsanforde rungen, wie viele Untersuchungen speziell von schriftlichen Abiturarbei ten gezeigt haben. 11 Das in den meis ten Bundesländern mittlerweile gel tende Elternwahlrecht hat ein Übriges dazugetan. Trotzdem sind auf subtilen Druck von oben die Noten im Abitur kontinuierlich besser geworden, selbst in Coronazeiten, in denen man davon ausgehen kann, dass bis zu ei nem Dreiviertel Jahr Lernrückstände entstanden sind. Das Fatale ist, dass sich kein Politiker traut, dies klar nach außen auszusprechen. Stattdessen beherrscht man die Fähigkeit des Ge sundlügens in besonderem Maße. Nach dem Abitur erreichen die Defizi te dann die Hochschulen, die ihrer
seits dazu angehalten werden, jedem Studierwilligen in der Regelstudien zeit seinen Bachelor zu überreichen, womit Eltern, Schülerinnen und Schü ler, Studierende und natürlich Politi kerinnen und Politiker dann zufrieden sind. 12 Leistung wird nicht mehr ent sprechend gefördert, sondern als Ausgrenzung bewertet. Spitzenämter in der Politik werden mittlerweile nach Gruppenzugehörigkeit und nicht mehr nach Leistung vergeben. Ein fatales Zeichen, dass sich Leistung nicht mehr lohnt. Dies wird weitere wirt schaftliche und gesellschaftliche Ero sionen zur Folge haben. Hinzu kommt, dass die im Rahmen der Ökonomisierung erfolgte Umstel lung auf Kompetenzorientierung die ehemaligen gymnasialen Bildungsin halte nahezu pulverisiert hat. Von Bil dung und Wissen ist kaum noch die Rede. Am deutlichsten lässt sich dies durch die allgemeine Reduzierung des Fächerkanons und seiner Inhalte in den Kultusministerien nach dem Mot to beschreiben: »Ist das Kompetenz oder kann das auch weg?« Ursprüng lich einmal als Grundlage einer Allge meinbildung für wesentlich befunde ne Fächer wie Latein, Griechisch oder gar Altgriechisch wurden nach und nach aus dem Fächerkanon des Gym nasiums ausgedünnt und sind nur noch rudimentär oder gar nicht mehr vorhanden. Jetzt soll die Digitalisierung es rich ten. Jeder ältere Praktiker wird über so viel Enthusiasmus nur müde lä cheln. Die Digitalisierung scheint von ihren Protagonisten als Allheilmittel wahrscheinlich auch gegen die oben erwähnten Disparitäten wirksam zu sein. Dabei ist sie doch nur eine Me thode, mit der eigentlich die Inhalte verständlich den Schülern vermittelt werden sollen. Die Digitalisierung ist allerdings kein Bildungsinhalt an sich! Wo sie Vorteile zumVerständnis einer
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