Vitamin K 2_2022

Titelthema

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Und wenn mir das schwer fällt? Jan Frerichs: Dann hilft es zum Beispiel, raus in die Natur zu gehen. Draußen sind wir einfach wie wir sind. Bäume bewerten uns nicht. In der Natur hat das Vergleichen und Verbessern-Wollen wenig Platz, da bist du einfach du selbst. Und dann entsteht ein Raum für Dankbarkeit – für das Große und das Kleine. Trotzdem hat ja jeder im Alltag mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Dann ist das mit der Dankbarkeit nicht so ganz einfach durchzu halten. Jan Frerichs: Übung macht die Meisterin. Ich kann für das Kleine dankbar sein, wie beispielsweise die leckere Marmelade heute Morgen auf dem Brötchen. Ich kann auch im Blick auf mein Leben sagen: Das ist mein Abenteuer und so weit bin ich gekommen, das habe ich alles ge schafft. Und dann kann ich mich von der Dankbarkeit führen lassen, auch durch Katastrophen hindurch, die das Leben vielleicht mit sich bringt. Jan Frerichs: Auf jeden Fall. Das weiß ich von mir selbst und ich höre es auch immer aus den Rückmeldun gen der Menschen, mit denen ich ar beite. Wenn wir dieses tägliche Ritual üben – drei Dinge, für die ich heute dankbar bin – dann verändert sich der Blick. Ich sehe dann plötzlich, was alles auch noch da ist – für mich und für andere. Natürlich fehlen mir Dinge und die kann ich mir auch weiter wünschen. Aber ich nehme das, was ist, und bewerte nicht alles nur aus der Perspektive des Mangels. Verändert Dankbarkeit das Leben?

Warum findet Dankbarkeit so wenig Platz in unserem Bewusst sein, in unserem Alltag? Jan Frerichs: Vielleicht, weil wir besser darin sind, die Defizite zu sehen. Und das ist ja im Grunde auch nicht schlecht. Wir profitieren davon, ein Defizit wahrzunehmen, weil wir dann etwas verbessern, etwas ändern können. Etwas zu verbessern macht zu frieden. Aber wenn diese Fokus sierung auf das Defizit unbewusst zur Lebenshaltung wird, dann stellen wir doch irgendwann fest, dass wir eben nicht zufrieden sind. Jan Frerichs: Unsere Kultur ist auf Wettbewerb, auf Vergleichen, auf Optimierung ausgerichtet, da stecken wir nun mal drin. Wir haben Vorstel lungen davon, wie die Dinge zu sein haben und mit diesen Vorstellungen laufen wir dann herum. Aber ich kann ja trotzdem sehen, was gut ist – und dafür dankbar sein. Indem ich mich zu einem positi ven Denken zwinge? Und daraus entsteht dann Dankbarkeit? Jan Frerichs: Nein, Dankbarkeit kann man nicht befehlen. Dankbar zu sein, bedeutet auch nicht, sich nun mit allem zufrieden zu geben. Dankbarkeit ist etwas, was tiefer liegt. Es ist eine Haltung, eine Einstel lung, eine Qualität – etwas liebevoll anschauen, staunen, den Grund berühren. Kann man Dankbarkeit lernen? Jan Frerichs: Ja, man kann es ein üben. Du kannst jeden Tag damit beginnen, drei Dinge zu notieren, für die du jetzt dankbar bist. Das ist eine ganz einfache kontemplative Übung.

Übungen zur Dankbarkeit . Jeden Tag beginnen mit einer kurzen Meditation: 3 Dinge, für die ich dankbar bin. . Tagebuch schreiben und notieren, wofür ich dankbar sein kann. . Den Tag beenden mit einer kleinen Dankmeditation oder einem Gebet. Wer mehr über die Franziskanische Lebensschule wissen möchte: www.barfuss-und-wild.de

Vitamin K – Das Gesundheitsmagazin für Köln – Ausgabe 2.2022

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