Cellitinnen 3_2018_finale_Version 30.7.2018

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der Geburtsstation auch für das sogenannte Kinderzimmer zustän- dig war. Schwester Rita betreute und versorgte dort die Säuglinge, während sich die Frauen auf ihren Zimmern ausruhten und sich von der Geburt erholten. „Eine Seele von einem Menschen“, sagt Mechtild Schröter. Liebevoll habe sie über ihre Schützlinge gewacht, war warmherzig gegenüber ihren Mit- arbeiterinnen und habe tatkräftig mitgearbeitet. Zu dieser Zeit war in der Geburtshilfe viel im Wandel. Immer öfter kamen auch die Männer zur Unterstützung der Frauen mit in den Kreißsaal. Anders als heute mussten die Be- gleitpersonen aber noch Kittel und Kopfschutz tragen und die Entbin- dungszimmer waren, was das In- terieur anging, eher kühl und steril gehalten „Unsere Kreißsäle sind heute farbenfroh gestaltete Räu- me, die Geborgenheit und Wärme ausstrahlen. In den siebziger und achtziger Jahren war der Kreißsaal noch ein Ort, der – grün gekachelt – sehr viel mehr nach Krankenhaus und Operationssaal aussah.“ Das war auf den Geburtsstationen zu dieser Zeit grundsätzlich so. Auch das Selbstbewusstsein der Frauen in Bezug auf die Geburt habe sich geändert, so Schröter weiter. Heute werde viel mehr über das Ereignis Geburt gesprochen als da- mals. Viele Schwangere informier- ten sich vorab sehr gut und wollten möglichst eine selbstbestimmte Ge- burt erleben. Die Hebamme beglei- tet und unterstützt dabei und greift nur ein, wenn es notwendig ist. Der sogenannte ‚Hebammenkreiß- saal‘ in der Frauenklinik am Heilig Geist-Krankenhaus, der in diesem Jahr eingeführt wurde, kommt ge- nau diesem Bedürfnis vieler Frauen

entgegen. Auch dass Mutter und Kind direkt nach der Geburt auf dem Kreißsaalbett liegen und Haut- zu-Haut-Kontakt haben, ist heute Standard. In den siebziger Jahren war das noch anders, da wurde das Baby von den Hebammen erst einmal gewaschen, gewogen und eingepackt, bevor es der Mutter in die Arme gelegt wurde. Doch nicht nur schöne Momente halte die Arbeit als Hebamme bereit. In seltenen Fällen kommt es nicht so, wie es eigentlich vorgesehen ist. Es gebe Erlebnisse, die blieben einem im Gedächtnis, erzählt die Hebamme. Zum Beispiel die fünf- fache Mutter, die vor Jahren hoch- schwanger auf die geburtshilfliche Station kam und sagte: „Ich glaube, mein Kind lebt nicht mehr.“ Leider bestätigte sich der Verdacht. Das Kleine litt unter einem seltenen Gen- defekt und war nicht lebensfähig. Mechtild Schröter half der Frau, das Kind zur Welt zu bringen. Ohne de- ren Mann, der sollte bei den übrigen Kindern bleiben. Der Schmerz, den der Verlust eines Kindes mit sich Auch traurige Momente im Kreißsaal

bringt, gehe einem unter die Haut, egal wie lange man den Beruf aus- übt, sagt Mechtild Schröter nach- denklich. Man komme den Familien im Kreißsaal emotional sehr nah. Ihr eigenes Kind hat sie auch am Heilig Geist-Krankenhaus entbun- den, begleitet von einer befreun- deten Kollegin. Auch war sie selbst die betreuende Hebamme bei der Geburt ihrer über 35 Jahre jüngeren Kollegin Tanita Hanowski, ein wirk- lich erstaunlicher Zufall. „Ein schö- nes Gefühl, zu wissen, dass einen die eigene Kollegin mit auf die Welt begleitet hat“, sagt die junge Heb- amme dazu. Sie habe noch einiges von ihr lernen können. Leider ist die kurze gemeinsame Zeit schon vor- über. Mechtild Schröter hat andere Pläne. Sie wird mit ihrem Mann an die See ziehen. Ein lang gehegter, gemeinsamer Traum, den sie sich nun erfüllen wollen. Der Abschied vom Kreißsaal und den Kolleginnen fällt trotz der Freude über den neuen Lebensabschnitt schwer. „Und die Geburten“, sagt sie, „die werde ich vermissen. Einem Kind auf die Welt zu helfen und das Glück der Eltern zu sehen, ist schon etwas Groß- artiges.“

Zwillinge himmeln Schwester M. Rita an

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