Blickpunkt Schule 1/2021

Keine vorläufige Außervollzugsetzung der Maskenpflicht im Unterricht

D as OVG Lüneburg hat ent- schieden, dass Schüler der Sekundarbereiche I und II in Niedersachsen unter bestimmten Voraussetzungen auch weiterhin wäh- rend des Unterrichts Maske tragen müssen. Nach § 13 Abs. 1 Satz 6 der Nieder- sächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 (im Folgenden: Co- rona-VO) besteht die Verpflichtung zumTragen einer Mund-Nasen-Bede- ckung an einer Schule auch während des Unterrichts der Sekundarbereiche I und II, wenn in Bezug auf das Gebiet des Landkreises oder der kreisfreien Stadt, in dem die Schule gelegen ist (Standort der Schule), die Zahl der Neuinfizierten imVerhältnis zur Be- völkerung 50 oder mehr Fälle je 100000 Einwohnerinnen und Ein- wohner kumulativ in den letzten sie- ben Tagen beträgt oder wenn eine an- dere die Schule betreffende Infekti- onsschutzmaßnahme angeordnet wurde. Gegen diese Regelung hatten sich zwei Schülerinnen von weiterfüh- renden Schulen in Oldenburg mit ei- nem Normenkontrolleilantrag ge- wandt. Sie hatten imWesentlichen geltend gemacht, die vorgeschriebe- nen Mund-Nasen-Bedeckungen seien nicht geeignet, die Verbreitung des Coronavirus zu verhindern. Die An- knüpfung an eine 7-Tage-Inzidenz von 50 sei willkürlich, da diese Inzidenz mangels Anknüpfung an die Zahl von Test-, Erkrankungs- und Todesraten keinen Aussagewert habe. Die Mas- kenpflicht greife unverhältnismäßig in ihre Grundrechte ein. Das OVG Lüneburg hat den Eilan- trag abgelehnt. Nach Auffassung des Oberverwal- tungsgerichts ist die in § 13 Abs. 1 Satz 6 Corona-VO angeordnete Pflicht, unter bestimmten Voraussetzungen im Schulunterricht eine Mund-Nasen- Bedeckung zu tragen, sei auf eine taugliche Rechtsgrundlage gestützt und sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.

Für das Oberverwaltungsgericht stehe nach seiner bisherigen Recht- sprechung fest, dass Zusammenkünf- te in geschlossenen Räumen mit einer Vielzahl von Personen und längerer Verweildauer ein signifikant erhöhtes Risiko der Infektion mit dem Corona- virus SARS-CoV-2 in sich trügen. Die- ses Risiko könne nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Er- kenntnis durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung signifikant reduziert werden. Diese allgemeinen Annahmen gelten nach den Empfeh- lungen des Robert Koch-Instituts auch in Schulen. Die anerkannten In- fektionsschutzmaßnahmen seien auch im Kindes- und Jugendalter wirksam, zumindest für ältere Kinder gut umsetzbar und ein wichtiger Bau- stein bei der Bewältigung der Pande- mie. Unsicherheiten und Herausforde- rungen bei der täglichen Benutzung und Reinigung von Mund-Nasen-Be- deckungen seien weitgehend ver- meidbar. Die hier allein betroffenen Schülerinnen und Schüler der Sekun- darbereiche I und II befinden sich in ei- nem Alter, indem ohne Weiteres selbst oder mithilfe der Eltern das notwendi- ge Wissen für die sachgerechte Be- nutzung einer Mund-Nasen-Bede- ckung erworben und die hierfür erfor- derliche Übung erlangt werden könne. Ebenso dürfe die Erkenntnis zu ver- mitteln sein, dass es sich um eine nur vorübergehend hinzunehmende Schutzmaßnahme handele, die allen- falls zeitweise die persönliche Lebens- führung und die individuelle Freiheit in geringem Umfang beeinträchtige. Darüber hinausgehenden besonde- ren gesundheitlichen Risiken der Be- nutzung einer Mund-Nasen-Bede- ckung sei durch Ausnahmeregelungen in dem gemäß § 13 Abs. 5 Corona-VO zu beachtenden ’Niedersächsischen Rahmen-Hygieneplan Corona Schule’ angemessen Rechnung getragen. Auch die tatbestandliche Anknüp- fung der Maskenpflicht an eine 7-Ta- ge-Inzidenz von mehr als 50 oder an

eine andere die Schule betreffende Infektionsschutzmaßnahme sei nicht zu beanstanden. Das Oberverwal- tungsgericht gehe ebenso wie die Niedersächsische Landesregierung in ihrem ’Handlungskonzept zur Be- kämpfung des Infektionsgeschehens in der COVID-19 Pandemie’ davon aus, dass das bloße Überschreiten ei- ner bestimmten 7-Tage-Inzidenz in ei- nem bestimmten Gebiet es nicht ohne Weiteres rechtfertige, für alle Perso- nen in einem solchen Gebiet eine ein- heitliche Gefahrenlage anzunehmen und diesen gegenüber unterschieds- los generalisierende infektionsschutz- rechtliche Maßnahmen zu treffen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. Ok- tober 2020 – 13 MN 371/20 zum Be- herbergungsverbot und Beschluss vom 29. Oktober 2020 – 13 MN 393/ 20 zu Sperrzeiten im Gastronomiebe- reich). Nach dem gesamten Rege- lungsgefüge der Corona-VO sei eine solche schlichte Anknüpfung an eine bestimmte 7-Tage-Inzidenz für die Anordnung der Maskenpflicht im Un- terricht aber nicht gegeben. Vielmehr bestehe nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Corona- VO grundsätzlich für jede Person die Pflicht, in geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Be- suchs- oder Kundenverkehrs zugäng- lich sind, eine Mund-Nasen-Bede- ckung zu tragen. Der Verordnungsge- ber habe für die Schulen bewusst eine abweichende und zugleich privilegie- rende Regelung geschaffen. Bei durchaus vergleichbarem infektiologi- schem Risiko werde zur Vermeidung der mit demTragen einer Mund-Na- sen-Bedeckung verbundenen Er- schwernisse und sich daraus ergeben- den Beeinträchtigungen für die Schü- lerinnen und Schüler vomTragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Unter- richtsräumen grundsätzlich abgese- hen. Die hiermit verbundene Besser- stellung und damit Ungleichbehand- lung der Schulen gegenüber den von der allgemeinen Regelung betroffe- nen Einrichtungen sei angesichts >>

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