Blickpunkt Schule 1/2021
D as VG Osnabrück hat sich in einem Einstellungsbeschluss zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung für den Anspruch eines Schülers auf die Befreiung vom Präsenzunterricht aufgrund der Zuge- hörigkeit eines Elternteils zu einer Ri- sikogruppe geäußert. Das ursprünglich anhängige Eilver- fahren konnte eingestellt werden, weil die im Emsland liegende Schule dem Antrag der Eltern letztlich nachge- kommen war. Nach Auffassung des Verwaltungs- gerichts reicht die Vorlage eines ärzt- lichen Attestes, aus dem die Zugehö- rigkeit eines Elternteils zu einer Risi- kogruppe im Sinne der Definition des Robert Koch-Instituts hervorgeht, zur teilen, unter welchen gesundheitli- chen Beeinträchtigungen sie leiden. Das VG Braunschweig hat den Eil- antrag abgelehnt. Nach Auffassung des Verwal- tungsgerichts besteht eine Masken- pflicht für Schüler der Sekundarbe- reiche I und II, wenn es in dem be- treffenden Landkreis oder der be- treffenden kreisfreien Stadt 50 oder mehr Neuinfektionen je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner in den letzten sieben Tagen gegeben hat (§ 13 Abs. 1 Satz 6 der Nieder- sächsischen Verordnung über Maß- nahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 30. Oktober 2020). Gesetzliche Grund- lage für die Regelungen in der Ver- ordnung sei das Infektionsschutzge- setz (im Einzelnen: § 32 Sätze 1 und 2 IfSG in Verbindung mit §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28 a Abs. 1 IfSG). Auch Schüler könnten zwar auf- grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung oder einer Vorerkrankung von der
Maskenpflicht befreit sein. Dafür sei aber erforderlich, dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung we- gen der Beeinträchtigungen unzu- mutbar sei und dies mit ärztlichem Attest glaubhaft gemacht werde. Das Attest müsse die Schule und im Streitfall das Gericht durch nach- vollziehbare Angaben in die Lage versetzen zu prüfen, ob die Voraus- setzungen für eine Ausnahme vorlä- gen. Daher sei rechtlich nicht zu be- anstanden, wenn die Schulen ver- langen, dass sich der ärztlichen Be- scheinigung die beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Unter- richt zu erwartenden gesundheitli- chen Beeinträchtigungen sowie eventuelle Vorerkrankungen entneh- men lassen. Außerdem dürften die Schulen verlangen, dass im Regelfall erkennbar werden müsse, auf wel- cher Grundlage die attestierende Ärztin oder der attestierende Arzt zu ihrer oder seiner Einschätzung ge- langt sei. Diese Anforderungen er- fülle das von den Antragstellern vor-
gelegte Attest nicht. Grundrechte der Schüler sowie das Datenschutz- recht stünden dem nicht entgegen. In der derzeitigen Phase der Pande- mie gehe es auch um die Grund- rechte der Mitschüler und der Lehr- kräfte, nämlich um deren Rechte auf Leben und Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 GG. Die Schulen trügen inso- weit eine herausgehobene Verant- wortung. Die Maskenpflicht diene dazu, andere Personen vor einer An- steckung mit dem Coronavirus zu schützen und die Ausbreitungsge- schwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren. Persön- lichkeitsrechte der Antragsteller müssten in dieser Situation zurück- stehen. Die Rechtsgrundlage dafür, dass Schulen die in einem ärztlichen Attest enthaltenen personenbezo- genen Daten von Schülern verarbei- ten dürfen, ergebe sich aus dem Niedersächsischen Schulgesetz (§ 31 Abs. 1 und Abs. 10 Nr. 1 NSchG). Quelle: Pressemitteilung des VG Braunschweig vom 24. November 2020
20 Rechtstipps SCHULE
Befreiung vom Präsenzunterricht wegen Corona-Pandemie: Anforderungen an Glaubhaftmachung
Glaubhaftmachung aus. Genau dies fordere der Erlass des Niedersächsi- schen Kultusministeriums »Befreiung vom Präsenzunterricht für Schülerin- nen und Schüler, die mit Angehörigen in häuslicher Gemeinschaft zusam- menleben, bei denen gemäß Definiti- on des Robert Koch-Instituts das Risi- ko eines schweren Krankheitsverlaufs besteht« vom 28. Oktober 2020. Der Erlass knüpfe außerdem (unter ande- rem) an eine 7-Tages-Inzidenz von 35 oder mehr am Standort der Schule oder amWohnort des Schülers sowie die fehlende Möglichkeit der inner- häuslichen Isolation an. Entgegen der Ansicht der Landes- schulbehörde und auch einer anderen Kammer des Verwaltungsgerichts sei
die Nennung einer konkreten Diagno- se nicht erforderlich. Das VG Osnabrück hat offengelas- sen, ob es die genannten (unterge- setzlichen) Grundlagen für die Ent- scheidung der Schule über die Be- freiung vom Präsenzunterricht an- gesichts der im Niedersächsischen Schulgesetz verankerten Schul- pflicht für ausreichend erachtet. Es hat aber angedeutet, dass die Be- freiung derzeit im Niedersächsischen Schulgesetz selbst keine Grundlage finden dürfte und es Aufgabe des Gesetzgebers sei, hier für Klarheit zu sorgen. Quelle: Pressemitteilung des VG Osnabrück Nr. 33/2020 vom 23. November 2020
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