Blickpunkt Schule 3/2023

Uns fehlen Lehrkräfte – was nun? D ie Erkenntnis scheint lang sam in den Köpfen der Regie rungsverantwortlichen ange • immer mehr Bürokratie (als Beispiel seien die Förderpläne genannt) • wenig bis gar kein Rückhalt und Un terstützung seitens des Diensther rere Schwerpunkte: Musik, MINT-Fä cher, Sport und vieles mehr. Und dazu gehören dann auch Projekte, Konzer te, Orchesterfahrten und was sonst noch alles damit einhergeht. Eine

Zur Diskussion

kommen zu sein: es gibt zu wenig Lehrkräfte, bundesweit und schul formübergreifend. Insofern reiht sich der Berufsstand nahtlos in die lange Reihe der Bereiche ein, die von be drohlichem Fachkräftemangel be troffen sind. Generell ließe sich dazu viel sagen. Man könnte zum Beispiel die Frage stellen, wie es gelingen könnte, Jugendliche vor dem Schul abbruch zu bewahren und diejenigen, die einen Schulabschluss haben, dann auch in die Erwerbstätigkeit zu brin gen. Stattdessen wird – mal wieder – die Option der Gewinnung von Fach kräften aus dem Ausland präferiert. Dies zu vertiefen, würde aber zu weit führen, daher bleibe ich bei unserem Berufsstand. Es ist wahrlich nicht neu, dass Lehrkräfte vor allem in Gymnasien seit Jahren weit oberhalb der Belas tungsgrenze arbeiten müssen. Im Gegenzug werden Bedingungen in mehrfacher Hinsicht verschlechtert. Gehen wir etwas weiter zurück, so fällt als erstes der Wegfall der Regel beförderung nach A14 auf. Es müssen seither zusätzliche Aufgaben wahr genommen werden und diese Stellen müssen überhaupt erst mal der Schule zugewiesen werden. Es wur den auch Funktionsstellen gestri chen, bekanntestes Beispiel vermut lich die Studienleitung an reinen Gymnasialen Oberstufen. (Dass es sich dabei hessenweit um eine sehr überschaubare Zahl von A15-Stellen handelt, muss wohl nicht extra er wähnt werden.) Weitere Belastungs faktoren wie die Erhöhung der Pflichtstundenzahlen, die weiterhin viel zu großen Lerngruppen und dies bei zunehmender Heterogenität der Schülerschaft werden seit Jahrzehn ten mit dem Argument der Nicht- finanzierbarkeit nicht angegangen. Die nun folgende Liste der weiteren Belastungsfaktoren erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit:

ren (Stichwort Angriffe und Bedro hungen gegenüber Lehrkräften, Schmähungen des gesamten Be rufsstands in der Öffentlichkeit) • sehr schnell wird ‘die Schule’ sprich die Lehrerschaft verantwortlich ge macht für alles, was so in der Ge sellschaft schiefläuft; Lehrkräfte sollen erziehen, Sozialarbeit ma chen, am besten auch gleich psy chologisch und therapeutisch tätig werden, sie sollen die verschiedens ten Dinge organisieren (Fahrten, Projektwochen etc.) und so ganz nebenher sollen sie auch noch un terrichten, aber Bitteschön nach den neuesten Erkenntnissen (selbst wenn diese nicht im entferntesten evidenzbasiert als sinnvoll bewertet werden können) • dazu kommen Konferenzen, päda gogische Tage, Betreuung der Prakti ka, Berufsorientierung und und und. Ohne sagen zu wollen, dass früher al les besser war, sei dennoch ein Blick zurück gestattet. In erster Linie fand Unterricht statt. Fachunterricht, von dafür ausgebildeten Lehrkräften. Wie in allen Berufen, gab es bessere und weniger gute, ja auch richtig schlech te Lehrerinnen bzw. Lehrer. Das ist nun einmal der Faktor Mensch. Über viele Wochen floss der Schulalltag in einem ziemlich ruhigen Fahrwasser dahin, zumindest für die Personen, die keine Schulleitungsaufgaben oder Ähnli ches hatten. Übrigens galt das auch für die Schülerschaft: Schule war ein Ort des Lernens, Ablenkung gab es wenig, vielleicht ein Schulfest im Jahr – eine ziemlich zwanglose Angele genheit ohne große Vorführungen, in manchen Klassenstufen eine Fahrt, ein paar Wandertage, bei denen tat sächlich überwiegend gewandert wurde, und die alljährlichen Bundes jugendspiele. Heute sieht Schule ganz anders aus. Da muss ein umfangrei ches Profil her, am besten gleich meh

Schule hat langsam mehr Ähnlichkeit mit einem Unternehmen aus der En tertainment-Branche als mit einem Ort des Lernens, der Reflexion und der Heranbildung von mündigen, selbst ständig denkenden Menschen. Dabei braucht es doch in dieser immer kom plexer werdenden Welt genau diese! Es wird oft und gerne von ‘Entrümpe lung’ der Lehrpläne gesprochen. Wie wäre es, wenn man mal diese außer unterrichtlichen Angebote einer sehr kritischen Überprüfung unterziehen würde und an die erste Stelle mit ab soluter Priorität wieder die originäre Aufgabe des Unterrichtens stellte? Wenn der Terminkalender nicht so voller Ereignisse wäre, dass kaum noch Optionen für Lernkontrollen welcher Art auch immer gegeben sind, mit der Folge, dass sich diese dann prompt in den wenigen verbleibenden Zeitfenstern ballen? Wenn einfach mal über Wochen kontinuierlich Un terricht nach Stundenplan stattfinden könnte, sodass man in den einzelnen Fächern auch an den Themen effizient arbeiten kann, ohne Unterbrechun gen oder unvollständige Lerngruppen (weil zum Beispiel gerade mal wieder das Orchester für einige Tage weg fährt, um zu proben)? Ein weiterer Entlastungsfaktor ist ganz klar in den Tätigkeiten zu sehen, die im Grunde keiner ausgebildeten Lehrkraft bedürfen. Ein Beispiel wäre die Organisation von Klassen- bezie hungsweise Kursfahrten. Natürlich gibt es da eine pädagogische und/oder fachliche Komponente, aber diese Eckdaten lassen sich vor geben. Einholen von Angeboten, Ver träge schließen, Überprüfung des Zahlungseingangs und schließlich die Abrechnung anhand der Belege erfor dern keine Lehramtsausbildung. Na türlich ist es wichtig, dass den Unter richt betreffende Entscheidungen im

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SCHULE

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