Blickpunkt Schule 3/2022

Auf die Lehrenden kommt es an Die Bildungspolitik muss neben der Förderung langjährig erfolgreicher Mo- delle vor allem die Aus- und Fortbil- dung von Musiklehrenden stärken. Der Musikunterricht für alle Lernenden als Zentrum des kaleidoskopartigen und faszinierenden Spielens der Musik und mit der Musik muss in Verantwortung für die nachwachsende Generation von fachlich und medial breit aufgestellten und motivierten Lernbegleitern profes- sionell gestaltet werden, denn auf die- se kommt es entscheidend an. Darüber hinaus wird sich die Schule der Zukunft aber auch grundlegend verändern müssen. Die herkömmliche Fächer-, Unterrichts- und Zeitstruktur ist durch eine flexiblere und individuellere Ord- nung abzulösen. Der unterrichtliche Dreiklang vonWahrnehmung, Handeln und Reflexion erfordert einen Rahmen, in dem sowohl Muße als auch Aktivität Raum finden. Werden diese Verände- rungen nicht entschlossen angegan- gen, »müssen wir uns wie bisher mit Leuchttürmen begnügen, die zwar die Nacht erhellen, aber die Landschaft so öd belassen, wie sie ist«. (Edelstein S. 32) Klingender Musikunter- richt für alle Lernenden Damit in Zukunft immer mehr Schü- lerinnen und Schüler im Verlauf ihrer

Schulzeit etwas von der Faszination der Musik erfahren können, muss der ’grammatikaIische Fundamen- taIismus’ bei der Vermittlung von Musik – soweit nicht schon längst geschehen – schnellstens über Bord geworfen werden. Die Gründe für diese musikpädagogische Umkehr hat der Detmolder Hochschulpro- fessor Karl Heinrich Ehrenforth am Ende seines Lebens sehr klar zu- sammengefasst: »Das trockene Begriffssystem der Musiklehre erreicht weder die Herzen der Musikhörer noch schafft sie ir- gendeine nennenswerte musikalische Prä-Professionalität. Vor allem ver- sagt sie in Gänze, wenn es gilt, einen Lichtschein in das Geheimnis der Mu- sik selbst zu werfen. Sie ist nicht Pri- mat, allenfalls Tertium. … Der Quin- tenzirkel oder das Fugenschema ist kein Portal, um eine Musik zu verste- hen und vielleicht sogar schätzen oder lieben zu lernen. ImVordergrund steht die Neugierde, was eine Musik ’für mich’ bedeuten könnte. Kann sie mir ’Freund’ werden? Oder bleibt sie mir wohl immer fremd? Dann aber bitte: warum? Erst hier werden Sach- aspekte in den Vordergrund treten. Es geht also dann um ein nachträg- liches, nie anfängliches »Begreifen dessen, was mich ergriffen hat« … und fast nie um ein (rationales) Wis- sen, von dem man irrigerweise hofft, es möge unsere Liebe zu einer Musik entzünden.«

Der Autor

Kulturelle Bildung

Rainer Böttcher war Musikleh- rer am Christian-Rauch-Gym- nasium Bad Arolsen und als Fachleiter für Musik am Studi- enseminar für Gymnasien in Kassel sowie in der Lehrerfort- bildung tätig. Seit den 1990er- Jahren regte er die schulmusi- kalische Entwicklung in Hessen als federführender Autor der gymnasialen Musiklehrpläne sowie ab 2005 als Vorsitzender der Landesabiturkommission Musik mit an. Konzertreisen mit dem Jugend-Sinfonieorchester und den Chören seiner Schule führten nach Italien, Ungarn, England, Polen, Estland, Russ- land, Israel, Mexiko und in die USA. Der Autor war bis 2020 Musik- lehrer.

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