Blickpunkt Schule 3/2022

Theater und Darstellende Kunst für ALLE in ALLEN Schulen Hessens möglich machen »Darstellendes Spiel macht frei, bietet unter anderem Zuflucht vor stressigem Schulalltag, so was um den Dreh auf jeden Fall« 1

Kulturelle Bildung

gewesen, weil ich einfach ICH sein konnte. Man beschäftigt sich auto- matisch mehr mit sich selbst. Beson- ders die Themen Performance oder Postdramatik sind sehr auf das Indivi- duum und seine Gefühlswelt/Gedan- kenwelt fokussiert. Man beschäftigt sich mit kleinen Dingen, aber auch mit großen Dingen, mit wichtigen Fragen der Gegenwart. Mit DSP setzt man Statements, Fragen und aktuelle Dis- kussionen künstlerisch, kreativ und individuell um. DSP ist einfach Kunst und Inspiration. Besonders bei jünge- ren Gruppen kann es (denke ich mal) helfen, die eigene Persönlichkeit und seine Fähigkeiten zu stärken.« 5 Und ein Mitschüler ergänzte: »Im Gegen- satz zu Theater-AGs, in denen aus- schließlich Stücke erarbeitet werden, wird in DSP der wichtige Aspekt der Theatertheorie behandelt, so erfah- ren wir auch, was hinter unseren dra- matischen Methoden steckt und wie deren Wirkung erzielt wird.« 6 Theater in der Schule, egal in wel- cher Form, wirkt in der Verwobenheit von eigener künstlerischer Praxis, den gemeinsamen Erfahrungen und der Reflektion dieser Spiel- wie auch Seh- erlebnisse wie ein Modell oder eine Probe gesellschaftlichen Zusammen- lebens, in dem junge Menschen sich spielerisch mit sich selbst, anderen und der Welt auseinandersetzen und sich die Welt imTheaterspielen sub- jektiv anverwandeln. Theater in der Schule fördert so vor allem über die leibliche und symbolische Aneignung von Welt die schöpferische Auseinan- dersetzung mit Wirklichkeit. Theater in der Schule lenkt den Blick auf die eigenen Stärken wie die möglichen Veränderungspotenziale in der Welt und bereitet auf Zukunft vor, wenn es die erfahrbare Welt im Rahmen eines Theaterprojekts wahrnimmt, gestal-

Hinweis der Redaktion

T heater, Schultheater, Darstel- lendes Spiel, Darstellen und Gestalten, Darstellende Küns- te – das Theater in der Schule hat in der Bundesrepublikanischen Bil- dungslandschaft vielfältige Namen und Formen sowie eine flächende- ckende Verbreitung gefunden, wenn auch längst nicht so verlässlich und strukturell verankert, wie es Landes- verbände der Theaterlehrenden oder der Bundesverband Theater in Schulen fordern und die Enquete-Kommission ’Kultur in Deutschland’ empfiehlt. 3 In Hessen ist das Fach Darstellen- des Spiel seit 1998 in der gymnasialen Oberstufe als eines der drei mögli- chen belegpflichtigen künstlerischen Fächer neben Kunst und Musik einge- führt. Seither steigt die Anzahl von Schülerinnen und Schülern in diesem Fach an hessischen gymnasialen Oberstufen stetig. Für die Schülerin- nen und Schüler bietet sich seit 2009 auch die Option, Darstellendes Spiel als viertes oder fünftes Abiturprü- fungsfach zu wählen. Inzwischen ha- ben Tausende Schülerinnen und Schüler in Hessen von dieser Möglich- keit Gebrauch gemacht und erfolgrei- che Prüfungen abgelegt. 4 Was dieses Fach in der gymnasialen Bildung bedeuten kann, fasste eine meiner Schülerinnen so zusammen: »DSP ist eines der coolsten Fächer Der folgende Text war in Teilen gegendert. Im Sinne der gelten- den Rechtschreibregeln und im Sinne der einheitlichen Darstel- lung haben wir die gegenderten Begriffe in die weibliche und männliche Form umgewandelt. Wir bitten umVerständnis.

tet und reflektiert. Im Kontext von Bil- dungsgerechtigkeit und Diversitäts- bewusstsein wohnt der Theaterkunst an der Schule eine immense inklusive Kraft inne. Mehrsprachigkeit, Fremd- heitserfahrungen, körperliche oder psychische Abweichungen von Nor- men sind imTheater ein Gewinn und ein Anlass für eine produktive Ausei- nandersetzung. Die multidimensiona- len Herangehensweisen erlauben es allen Teilnehmenden, eine Sensibilität für (auch sprachliche) Zeichensyste- me zu entwickeln und Wege zu er- obern, ihre Geschichten und Themen für andere zum Ausdruck zu bringen. Besonders in den letzten beiden krisengeschüttelten Jahren wurde an den Schulen der Wert der kulturellen Bildung und des Darstellenden Spiels spürbar. Einerseits zeigten Leerstellen überall dort, wo schulische Theater- angebote wegfielen, weil sie nicht strukturell als Fach oder konzeptionell wie personell fest verankert waren, schmerzhaft auf, was fehlt, wenn die Kultur fehlt. Andererseits zeigten Schulen und Koordinatorinnen und Koordinatoren der kulturellen Bildung gerade in der Pandemie durch ihre un- ermüdlichen Bemühungen darum, Kindern und Jugendliche Plattformen des Austauschs und der Verarbeitung, Ausdrucksmöglichkeiten, gedankliche Freiräume und kreativen Ausgleich zu bieten, was die kulturelle Bildung

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SCHULE

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