Blickpunkt Schule 2/2021

’24/7’, Schule ohne Pause – Feriencamps, Samstagsunterricht, und was kommt dann? J a, Vorschläge darf jeder ma- chen. Und in Zeiten der Pande- mie, mit allen Herausforderun-

Klartext

schläge in diese Richtung weiter zu verfolgen. Schülerinnen und Schüler benötigen die Zeit, um Hausaufgaben zu erledigen und für die anstehenden Arbeiten und Prüfungen zu lernen. Und nicht zuletzt dient das Wochen- ende auch der Erholung, für Freizeit- aktivitäten. Letzteres ist während der Pandemie zwar deutlich einge- schränkt, aber die psychische Belas- tung hat gerade bei Kindern und Ju- gendlichen deutlich zugenommen. Laut einer Studie des Universitätskli- nikums Hamburg-Eppendorf zeigt sich, dass fast jedes dritte Kind psy- chische Auffälligkeiten hat, 85 Pro- zent fühlen sich durch die Corona- Krise belastet. Es ist keine gute Idee, Erholungszeit amWochenende weg- zunehmen, ummit (Nach-)Druck Un- terrichtsstoff in der Schule nachzuar- beiten. Daher fordert der Hessische Philologenverband zu Recht weiter- hin, dass der Unterricht wie bisher ausschließlich von Montag bis Freitag stattfindet. Nicht jedenWeg, den man beschrei- ten kann, muss man nehmen. Das gilt auch für die Einrichtung von Ferien- camps. Geradezu merkwürdig, gar un- logisch mutet es an, wenn man in Pan- demie-Zeiten Externe in die Schule holen will. Einerseits wird darauf hin- gewiesen, dass kleine und feste Lern- gruppen im Präsenz- undWechselun- terricht mithelfen sollen, die Anste- ckungsgefahr zu verringern. Lehrkräf- te sollen bei den in diesen Monaten umstrittenen Praktika nicht mal ihre Schülerinnen und Schüler besuchen dürfen, im privaten Raum soll man sich weiterhin möglichst nur mit weni- gen Menschen treffen. Pandemolo- gisch ist es daher alles andere als sinnvoll, wenn nunmehr auch noch kurzfristig Personen, die sonst gar nicht in der Schule unterrichten, Defi- zite mit den Schülerinnen und Schü- lern in den Ferien in neu zusammen- gestellten Gruppen aufarbeiten sollen. Organisatorisch sind insbesondere die

Schulleitungsteams am Anschlag, um aufgrund ständig neuer und kurzfristi- ger Vorgaben den Schulalltag planen zu müssen. Jetzt wird diese Aufgabe auch noch in die Ferien ausgeweitet. Weiterhin ist zu kritisieren, dass damit wieder mal eine Entprofessionalisie- rung unseres Berufes wenn nicht vo- rangetrieben, zumindest aber toleriert wird. Getreu demMotto, dass jeder Lehrer sein kann, wird Personal ge- sucht. Natürlich dürfen auch bereits unterrichtende Lehrkräfte gegen Ver- gütung von Mehrarbeit freiwillig ein- gesetzt werden. Doch was an Belas- tungsgrenzen für Schülerinnen und Schüler gilt, das gilt ebenso für Lehr- kräfte: Auch ohne Pandemie hat über viele Jahre eine Ausweitung der Ar- beitszeit stattgefunden, das Berufs- bild sich gewandelt: Neben der noch lange nicht als gelungen zu bezeich- nenden Einführung ’neuer’ Medien sei hier auf die Inklusion oder die deutlich gestiegene Bedeutung von Berufsori- entierung hingewiesen. Versuchen, die für uns geltende Pflichtstundenver- ordnung langsam aufzuweichen, Prä- senz in der Schule auch in den Ferien einzufordern, werden wir weiterhin ei- ne klare Absage erteilen. Geschickt wird natürlich auch in diesen Monaten an uns appelliert, wir könnten doch unsere Schülerinnen und Schüler nicht im Stich lassen, müssten uns mehr en- gagieren, mehr leisten, am besten ’24/7’, rund um die Uhr, jeden Tag in der Woche. Arbeitszeituntersuchun- gen noch vor der Pandemie, auch vor einiger Zeit durch den Philologenver- band durchgeführt, haben ergeben, dass mehr einfach nicht mehr geht. Viele Kolleginnen und Kollegen sind am Anschlag. Auch aus dieser Per- spektive sind Feriencamps eine schlechte Lösung. Perspektivisch sind Förderkonzepte wichtig, schulinterne Lernagenturen können eine Lösung sein. Feriencamps sind jedoch keine, die wir als Lehrerverband mittragen werden. Volker Weigand

gen gerade auch für die Bildungspoli- tik, ist es ein vielstimmiger Chor, der seit vierzehn Monaten eine Flut an Ideen in die öffentliche Diskussion einbringt. Es ist ähnlich wie beim Fuß- ball, wo auch jeder auf dem heimi- schen Sofa glaubt, der beste Bundes- trainer unserer Nationalmannschaft zu sein. Doch anders als dort, wo es beim abstrakten Diskutieren über mögliche Mannschaftsaufstellungen bleibt, gewinnen viele dieser Vor- schläge beängstigend schnell an Tempo. Zwei davon sind die Forderung nach Samstagsunterricht und die Ausweitung von Schule in die Ferien über Fördercamps hinein. Nicht jeder Ladenhüter taugt dazu, wieder aus der Mottenkiste geholt zu werden. Zu meiner eigenen Schulzeit gab es noch vierzehntägig Samstags- unterricht. Es muss damals nicht alles besser gewesen sein als heute. Fakt ist es jedoch, dass Schule seitdem deutlich komplexer und fordernder geworden ist. Und mit gutem Grund hat man sich dafür entschieden, dass Unterricht in der Schule von Montag bis Freitag stattfindet. Die Rolle rück- wärts nun zu wagen, indem der Sams- tag wieder in den Stundenplan aufge- nommen werden soll, wäre für alle Beteiligten keine gute Lösung. Aus Sicht der Lehrkräfte endet die Ar- beitszeit nicht am Freitag um 13:00 Uhr. Klausuren und Klassenarbeiten werden oft auch amWochenende kor- rigiert, der Unterricht wird vor- und nachbereitet. Die Verdichtung und Ausweitung der Arbeitszeit, zum Bei- spiel durch erhöhten Koordinations- bedarf mit den Kolleginnen und Kol- legen, durch mehr virtuelle Konferen- zen, durch Online-Fortbildungen, durch deutlich mehr Gespräche mit Eltern und Schülerinnen und Schü- lern, auch durch deutlich mehr Büro- kratie, verbietet es geradezu, Vor-

16

SCHULE

Made with FlippingBook - professional solution for displaying marketing and sales documents online