Blickpunkt Schule 2/2021

RAU: Es sollte mehr rechtlich unbedenklich einsetzbares in- teraktives Unterrichtsmaterial geben. Zu oft ist dieses Mate- rial noch per Lizenz an den Einsatz schulischer Rechner ge- bunden. Die Schülerinnen und Schüler müssen dieses aber im Rahmen von Distanzunterricht oder – auch nach der Co- rona-Krise – perspektivisch begleitend zum Präsenzunter- richt mit ihren privaten Endgeräten bearbeiten können. SCHMITT: Das Schulportal Hessen ist in meinen Augen be- reits eine sehr umfangreiche Plattform für digitalen Unter- richt und digitale Schulorganisation. Da aber für bestimm- te Funktionen immer noch viel Eigenleistung von den schu- lischen IT-Verantwortlichen erforderlich ist, bräuchte das Team des Schulportals sehr viel mehr Ressourcen für Ent- wicklung und Support. Lehrkräfte an den Schulen sollen ihren Fokus schließlich auf dem Unterricht haben. BOCK: Es sollte zuverlässig erreichbar sein. Auch sollten für Lehrkräfte essenzielle Dinge wie der Notenclient zum Up-/Download des Noten-Clienten nicht während der Dienstzeit abgeschaltet werden müssen, weil die Server der Belastung nicht standhalten. GOTTA-LEGER: Um das Schulportal in seiner Komplexität nutzen zu können, wäre eine genaue Bestandsaufnahme wichtig, welche Bedürfnisse die einzelnen Nutzer (Schulen, Lehrkräfte, Schülerinnen/Schüler, Eltern) an das System richten. Aus dieser Perspektive könnten dann gezielte Ent- wicklungsschritte formuliert werden. Eine pauschale Ant- wort ist hier nicht möglich, da unterschiedliche Zielgrup- pen unterschiedliche Präferenzen verfolgen. Generell wäre eine zusätzliche Bedienoberfläche über eine App eine gute Ergänzung, um allen Nutzerinnen und Nutzern einen bar- rierefreien Zugang (unabhängig vommobilen Endgerät) zu ermöglichen. MEISS: An meiner Schule nutzen wir seit Langem iServ und dort gab es nur an wenigen Tage Probleme. Wenn ich dies mit Berichten über das Schulportal bzw. die Portale ande- rer Bundesländer vergleiche, kann ich mich mit iServ sehr glücklich schätzen und würde nur ungern zum Schulportal wechseln. ? Welche zusätzlichen Belastungen haben Sie für die Kolleginnen und Kollegen im letzten Jahr erkennen können? KIRCHEN: Extreme zeitliche Mehrbelastung: Das Unter- richten im Distanzunterricht ist wesentlich zeitaufwendiger als das ’normale’ Unterrichten; die ’Unterhaltungen’ und auch die schriftlichen Rückmeldungen in Lanis benötigen eine große Zeitressource; doppelte Unterrichtsvorberei- tung durch A- und B-Gruppen (Versorgung beider Gruppen mit Aufgaben, Ansprache und Erläuterungen); mehr Mit- teilungsschreiben/Telefonate mit Erziehungsberechtigten; zusätzliche Aufgaben, zum Beispiel Aufsichten und Kon- zepterstellung oder -evaluation; eigenständige Einarbei- tung in neue Programme, zum Beispiel Lanis.

Emotionale und psychische Belastungen: Sorge um die eigene Gesundheit oder die von Angehörigen, Sorge um Schülerinnen und Schüler, Sorge um Lern- und Leistungs- stand der Klasse/des Kurses, fehlende Sozialkontakte bzw. fehlender Freizeitausgleich zur Mehrbelastung. RAU: Die allermeisten Kolleginnen und Kollegen leiden da- runter, den an sie gestellten Anforderungen in der Corona- Pandemie nicht wirklich gerecht werden zu können. In kür- zester Zeit mussten sich Lehrerinnen und Lehrer in für sie weitestgehend völlig neue Unterrichtsformen einarbeiten. Inzwischen müssen sie gleichzeitig mehrere Unterrichts- formen – nicht selten auch am gleichen Tag – leisten: • Präsenzunterricht (mit ganzen oder geteilten Lerngrup- pen – oftmals auch in einer Form des Wechselmodells), • digitalgestützter Distanzunterricht (oftmals auch per Videokonferenz von zu Hause aus abgehalten, weil in der Schule überhaupt nicht die Räumlichkeiten zur Verfü- gung stehen), • Homeschooling für einzelne Schülerinnen und Schüler, die aufgrund einer Risikogruppen-Zugehörigkeit nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können, • alternative Unterrichtsformen für gerade in einer schu- lisch angeordneten Quarantäne sitzende einzelne Schü- lerinnen und Schüler (zuweilen sogar ein Viertel oder mehr einer Lerngruppe). Einerseits plädieren Lehrerinnen und Lehrer für möglichst viel Präsenzunterricht, weil sie gerne präsent unterrichten und wissen, dass die derzeit so wichtige Beziehungsarbeit mit Schülerinnen und Schülern nur im Präsenzunterricht im eigentlich erforderlichen Maße geleistet werden kann. An- dererseits stehen Kolleginnen und Kollegen dem Präsen- zunterricht kritisch gegenüber, weil sie hier ihre eigene Ge- sundheit in besonderem Maße aufs Spiel setzen müssen. Diesen ’inneren Spagat’ auszuhalten, empfinden Kollegin- nen und Kollegen zunehmend als belastend. SCHMITT: Egal ob Distanzunterricht oder Wechselunter- richt: Alle neuen Unterrichtsformen gehen mit einer Mehr- belastung einher. Erstens: Aufgaben, Materialien und Er- klärungen so aufzubereiten, dass sie auch digital einsatz- bereit sind, nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Über die Jahre erworbene Fähigkeiten und pädagogische Automatismen, eine einfache Aufgabe interessant und tiefgründig in den Unterricht zu integrieren, werden durch den Schritt ins Di- gitale pulverisiert. Zweitens: Wenn 25 Schüler eine Haus- aufgabe für den Präsenzunterricht erledigen, bespricht man diese am nächsten Tag gemeinsam. Durch die Mög- lichkeit der digitalen Abgabe und der individuellen Rück- meldung entsteht eine Erwartungshaltung, es mögen auch alle Hausaufgaben mit Feedback bedacht werden. – In bei- den Fällen liegt es bei den Lehrkräften, mit den erweiterten Herausforderungen und den Erwartungshaltungen klarzu- kommen. BOCK: Meine Kolleginnen und Kollegen an der Schule sowie bekannte Lehrkräfte arbeiteten seit Beginn des Distanz-

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