Blickpunkt Schule 2/2021

fallen dieser direkten Kontakte im realen Leben ist eine (zu) große Belastung für die Kinder, Jugendlichen und jungen Er- wachsenen. Ich wünsche mir, dass durch eine gezielteTes- tung und Impfung aller Akteure im schulischen Umfeld, ein Regelunterricht bzw. ein wieder regelmäßiger Präsenzunter- richt für die Schülerinnen und Schüler möglich ist, damit sie diese wichtigen sozialen Kontakte pflegen können. MEISS: Lange wurde mehr individueller Unterricht gefor- dert mit eigener Zeiteinteilung. Genau dies kam und es zeigte sich, dass nur die Oberstufe gut damit zurecht- kommt. Einige Schülerinnen und Schüler benötigen eine enge Führung, die schulischerseits wegfiel und die von Eltern nicht zu leisten war. Diesen, aber auch vielen anderen Schülerinnen und Schülern, wurden und werden wir nicht gerecht. Damit be- ziehe ich mich nicht (nur) auf Fachinhalte, sondern auf die Persönlichkeitsentwicklung und das akademische Voran- schreiten. ?? Welche dauerhaften Bildungsdefizite sehen Sie für Ihre Schülerinnen und Schüler (Stichwort: ’Generati- on Corona’) KIRCHEN: Lässt sich schwer abschätzen – es trifft vor al- lem SuS aus bildungsferneren Schichten und Kinder, die ohnehin seelisch instabil waren. RAU: Seit dem Buchtitel ’Generation Golf’ sprechen wir allzu gerne und in immer kürzeren Abständen von verschie- denen ’Generationen’ – nicht selten in dramatisierender Weise. Als Geschichtslehrerin möchte ich eine vielleicht merkwürdig anmutende These für die Zukunft wagen, je- doch verbunden mit einem kleinen historischen Rekurs: Dauerhafte Bildungsdefizite werden die Schülerinnen und Schüler durch die Corona-Krise m. E. sicher nicht davon- tragen! Auch wenn der Präsenzunterricht in der Corona- Pandemie nicht im regulären Umfang stattgefunden hat bzw. stattfindet, so sollte man die mittels digital gestütz- ten Distanzunterrichts erworbene Bildung nicht als so ge- ring einschätzen, wie dies vielfach in den Medien und in der Öffentlichkeit erfolgt. Sowohl in inhaltlicher als auch in methodischer Hinsicht können die Schülerinnen und Schü- ler im digital gestützten Distanzunterricht diverse in den Kerncurricula ausgewiesene Kompetenzen und Inhalte er- lernen, beispielsweise im Bereich der eigenständigeren Er- arbeitung von Lerninhalten sowie der Medienkompetenz. – Zudem sollte man bedenken: In den letzten achtzig Jahren haben in Deutschland aus unterschiedlichen Gründen Schülerinnen und Schüler das Abitur erworben, die nicht die eigentlich einst vorgesehene Zeit im Präsenzunterricht haben verbringen können. Es sei hier nur an drei Beispiele erinnert: • Schülerinnen und Schüler, die aufgrund der Zeit des Zweiten Weltkrieges keine auch nur annähernd vollstän- digen Schuljahre hatten, weil kriegsbedingt der Unter- richt zum Erliegen gekommen war;

• 3. und 4. Stunde Präsenzunterricht Q2 • 5. und 6. Stunde Videounterricht (von Zuhause, die schulische Internetleitung reicht nicht aus) • 7. Stunde Mittagspause, schnell essen und wieder zurück in die Schule • 8. und 9. Stunde Präsenzunterricht Q4 zur Abitur- vorbereitung • abends Rückmeldungen für den Distanzunterricht schreiben ?? Wodurch wurden die Schülerinnen und Schüler be- sonders belastet? KIRCHEN: Homeschooling ohne vorherige Einweisung/ Übung, fehlende Sozialkontakte, teilweise zu viele/zu we- nige Aufgaben, parallele Nutzung von vielen verschiedenen Kommunikationsmedien. RAU: Das Alter, die jeweilige persönliche Disposition sowie das häusliche Umfeld der Schülerinnen und Schüler sind hier von entscheidender Bedeutung. Schülerinnen und Schüler sind in Zeiten der Corona-Pandemie extrem gefor- dert, ihren Alltag in hohem Maße selbst zu strukturieren und selbstständig zu arbeiten. Wem dies gelingt, der schätzt die häufig recht freie Zeiteinteilung durch zum Bei- spiel Wochenplanarbeit. Wem dies jedoch nicht gelingt oder bei wem das häusliche Umfeld dies deutlich er- schwert, der ist hohen Belastungen ausgesetzt. Eigentlich alle Schülerinnen und Schüler leiden unter dem nicht vorhandenen direkten Kontakt zu anderen Schülerinnen und Schülern. SCHMITT: Die gesellschaftliche Schere zwischen bildungs- fernen und bildungsnahen Elternhäusern zeigte sich mir in dieser Zeit umso deutlicher: Einige Kinder waren völlig ab- gehängt, sei es durch fehlende technische Ausstattung oder fehlende familiäre Rahmenbedingungen. Gerade die- jenigen mit massiven Problemen beim Lernen im häusli- chen Umfeld und die sich der Wichtigkeit ihrer Schullauf- bahn bewusst sind, sind der Verzweiflung nahe. Sie tun mir wirklich leid und ich wünsche ihnen die baldige Rückkehr in den Präsenzunterricht, sofern noch nicht geschehen. Dabei muss aber auch gesehen werden: Ich habe Schülerinnen und Schüler, die mit dem häuslichen Lernen tatsächlich besser zurechtkamen. BOCK: Die Schülerinnen und Schüler sind vor allem durch das Verbot direkter sozialer Kontakte belastet und auch durch die plötzliche Umstellung auf den Distanzunterricht mit all seinen technischen wie motivationalen Facetten. Viele meisterten diesen Umstieg mithilfe ihrer Eltern sehr gut. An meiner Schule hatten die Schülerinnen und Schüler das Glück, bei Bedarf Geräte für den digitalen Dis- tanzunterricht ausleihen zu können. GOTTA-LEGER: Der persönliche Kontakt der Schülerinnen und Schüler in der Klasse und auf dem Schulhof sind zentra- le Momente der Interaktion und des Austauschs. Das Weg-

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