GOLF TIME 8/2018

HuBeRt KLeIneR Past-Präsident des deutschen Greenkeeper-Verbandes

WINTERTRAUM? gastKOMMentaR Hubert Kleiner über kalten Sprengstoff im Boden. „Bringt der Sankt Martin Sonnenschein, tritt oft ein kalter Winter ein“ (alte Bauernregel). In vielen Teilen Deutschlands gab es reichlich Sonne am 11. November, folglich müsste dann bald der zweite Teil der Regel in Kraft treten... Nicht ganz uneigennützig würde ich dafür plädieren, dass es in den kommenden Monaten zu einem kräftigen Wintereinbruch mit tiefem Bodenfrost kommen sollte. Unsere Spielflächen sind durch die hohe Belastung der vergangenen Monate sehr gestresst und verdichtet. Die Natur hat mit Väterchen Frost da ein äußerst effektives, sehr preiswertes Werkzeug parat, um zum einen das Wachstum der Gräser einzustellen und zum anderen die Lockerung des Bodens zu bewerkstelligen. Unter 5°C streikt die Transportgewerk- schaft in den Leitbahnen der Rasen- pflanzen und verordnet bis auf Weiteres Betriebsruhe. Zugleich betätigt sich das im Boden vorhandene Wasser als professioneller Sprengmeister, indem es sich beim Gefrieren im Volumen ver- größert und so verklebte und verdichtete Strukturen „sprengt“ – Grundlage für optimale Wachstumsbedingungen. Wie kontraproduktiv müssen dann die verzweifelten Versuche vieler Clubs erscheinen, den Spielbetrieb auch über den Winter auf allen Spielflächen auf- rechterhalten zu wollen? Für eine kleine Minderheit wetter- und jahreszeit- ignorierender Golfer wird die natürliche und nachhaltige Regeneration aufs Spiel gesetzt. Keine Maschine kann auch nur annähernd diese Lockerungswirkung des Frosts erreichen. Gebt demWinter – so er dann kommen mag – die Gelegenheit, seine Stärken auszuspielen! In diesem Sinne auf einen frostigen Winter, gerne mit viel Sonne!

E s ist noch nicht allzu lange her, da musste man sich als Golfer als Umweltrüpel verunglimp- fen lassen. Und nicht ganz zu Unrecht. Monokulturen, sterile Rasenflächen – auch jenseits der Grüns großzügiger Spritzmitteleinsatz, mit der Folge eines verkümmernden Lebens- raums. Aber ist der Golfkurs per se Prototyp einer für Organismen lebensgefährdenden Monokultur? Um es vorwegzunehmen: Das war einmal. Es lebt inzwischen auf Deutschlands Golf- plätzen und die Artenvielfalt steigt stetig. Mittlerweile nehmen 180 Golfanlagen – gut ein Viertel aller Plätze Deutschlands – am Umweltprogramm Golf & Natur des DGV teil. „Golf ist die einzige Natursportart, die aktiv etwas für den Umweltschutz tut“, sagt Dr. Gunther Hardt, Vorsitzender des Aus- schusses Umwelt und Platzpflege im DGV. Was Hardt, den sie den „Rasendoktor“ nen- nen, meint, ist das Quali-tätsmanagement Zertifikat Golf & Natur des DGV. Dieses beinhaltet die konsequente Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen bei gleichzeitig optimalen Bedingungen für den Golfsport. üBeR 200 PfLanzenaRten Ein Umdenken vieler Betreiber findet statt und es führt dazu, das angekratzte Image der Golfplätze zugunsten nachhaltiger Artenviel- falt zu verändern. Die Folge sind Käfer, Falter, Schmetterlinge und Libellen. Falken, Rotmi- lane, Stieglitze und der Waldrapp. Sie alle – darunter viele unter Artenschutz stehend – erobern Deutschlands Golfanlagen. Biologen kartierten gar mehr als 200 unterschiedliche Pflanzenarten. 22 verschiedene Wildbienen- und über 32 Libellen-Arten wurden gezählt. Da wird der 18-Loch-Platz nebenbei zum Tier- park. Aber keine Angst vor dem Getier, wenn Sie Ihren Ball mal wieder im Rough platzieren. „Wildbienen stechen nicht“, erklärt Michael

Weichselgartner, Präsident und Betreiber von Golf Valley im Münchener Süden. Weichselgartner muss es wissen, schließ- lich war er einer der Ersten im Golfbetrieb, der sich mit dem Thema Ökologie auf Golf- plätzen ernsthaft auseinandersetzte. Zuerst aus Imagegründen, dann aus aufrichtiger Überzeugung. Seine Anlage gilt mit 50 ha Wildbienenfläche als Vorreiter in ganz Europa. DIe MageRwIese aLs PaRaDIes Grundbedingung für die Bienen sind Mager- wiesen. Sie entstehen durch Düngerverzicht und wenig Mähen. Nur einmal im Jahr mäht man in Valley entlang der Fairways. Die Folge ist pure Artenvielfalt: Disteln, Kreuz-Enzian, Hornklee, Johanniskraut, Königskerze. Resul- tat: Bienen, Kleintiere, Falken, Lerchen. Im wahrsten Sinne sagen sich hier mittlerweile Fuchs und Hase „Gute Nacht“. stReuOBst Auch die Kultivierung von Streuobstbestän- den ist ökologisch wertvoll. Gehören sie doch zu den am stärksten bedrohten Biotopen Mitteleuropas. Der GC Schönbuch fördert sie, genau wie G&CC Seddiner See, St. Leon- Rot, der GC Escheburg und weitere Clubs im Rahmen des Projekts „Allianz – Bäume für die Zukunft“.UmdiesesökologischeErbezuerhal- ten und Golfen in intakter Natur zu ermög- lichen, werden alte Obstsorten und Wild- früchte auf dem Gelände gepflanzt. Aber auch beimRasen auf den Grüns fordert Dr. Hardt ein Umdenken: „Rasen wird nur krank, wenn er Stress hat“, ist sein Credo. Stress ist das Mähen bei Feuchtigkeit, was Pilzsporen einbringt, die dann wieder che- misch eliminiert werden. Er plädiert dafür, auch „einfach mal nicht zu mähen“ und appelliert an das Gewissen des Golfers selbst: „Alleine seine Divots zurückzulegen, schont den Rasen enorm.“ Ein kleiner Beitrag für mehr Einklang mit der Natur. GT

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GOLF TIME | 8-2018

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