Hör zu und sag's richtig!

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Norbert Sommer-Stumpenhorst

Hör zu und sag ’ s richtig!

Lesen + Rechtschreiben: Strukturiertes Training zur Lautanalyse und -synthese

Graf Orthos RECHTSCHREIB WERKSTATT

Inhalt

1 Sprache und Schriftsprache 1.1 Wörter, Laute und Buchstaben

4 4

1.2 Sprach- und Rechtschreibschwierigkeiten

2 Welche Schwierigkeiten treten auf? 2.1 Schwierigkeiten im Anfangsunterricht 2.2 Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten 2.3 Nicht alles hilft jedem!

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3 Hinweise für Eltern 3.1 Ziel der Übungen 3.2 Helfen will gelernt sein!

9 9 11

3.3 Zusätzliche Arbeit anerkennen

4 Aufbau der Übungen 4.1 Durchführung der Übungen 4.2 Übungsfolge 4.3 Übersicht über die Übungen

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5 Anleitungen zu den Übungen zur Lautanalyse und -synthese 5.1 Anlaut hinzufügen 5.2 Anlaut weglassen 5.3 Auslaut hinzufügen 5.4 Auslaut weglassen

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5.5 Anlaut ersetzen 5.6 Auslaut ersetzen 5.7 Laut (Vokal) im Wortinneren ersetzen 5.8 Laut (Konsonant) im Wortinneren einfügen 5.9 Laut im Wortinneren weglassen 5.10 Laute verbinden 5.11 Laute einfügen 5.12 Laute benennen (buchstabieren) 5.13 Einzellaute isolieren 5.14 Neue Wörter suchen 5.15 Übungsspiele – spielerische Übungen 5.16 Jonglieren 5.17 Wörterschlangen

2

6 Weitere Übungsmöglichkeiten 6.1 Lautübungen mit der Lautkartei 6.2 Lautübungen mit einer Bildkartei 6.3 Lautübungen am Computer 6.4 Lesehilfen 6.5 Rechtschreibhilfen 6.6 Wie geht es nun weiter?

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7 Materialien für die praktische Durchführung 34 Übungen Prüfbogen: Laute heraushören Lesewörter – Vokal und stimmhafter Konsonant Modellwortschatz Teil 1 Protokollbogen: Laute heraushören Auswertungsbogen Ergänzende Literatur

40 75 77 80 84 85 86

3

1

Sprache und

Schriftsprache

1.1

Wenn wir jemandem zuhören , ist unsere Aufmerksamkeit auf die Be- deutung, auf den Inhalt des Gesprochenen ausgerichtet. Hier interessiert uns der Tonfall und der Inhalt. Auf dieser Ebene erfahren Kinder Sprache und lernen sprechen. Erst wenn sie in die Schule kommen, wird ihre Aufmerksam- keit auf die Bestandteile der Sprache, auf die Laute gelenkt. Im Kindergarten war für sie am Wort „Mama“ bedeutsam, was die eigene Mutter machte ( mich zum Kindergarten bringen, mit mir schmusen, Essen kochen usw. ). Im Sprachun- terricht der 1. Klasse wird nun die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass das Wort „Mama“ aus den Lauten [m] , [a] , [m] und [a] zusammengesetzt ist. Die Kinder lernen, diesen Lauten bestimmte Buchstaben zuzuordnen, und sie ler- nen die zu den Lauten passenden Buchstaben kennen und zu schreiben. Im umgekehrten Prozess, dem Lesen, lernen die Kinder, Buchstaben in Laute zu übertragen und mehrere Laute zu einem Wort zusammenzuziehen. Für die Lehrerinnen und Lehrer in der Grundschule ist es immer wieder faszinierend zu beobachten, wie Kinder die komplexe Zuordnung von Lauten und Buchstaben lernen. Wie genau das Lesen- und Schreibenlernen funktio- niert, können die Wissenschaftler noch nicht umfassend erklären. Nur einige wenige Bedingungen sind heute bekannt. Für einen „glatten“ Verlauf des Le- sen- und Schreibenlernens ist es hilfreich, wenn ein Kind  deutlich sprechen kann,  ein Wort auf seine Laute hin abhören kann,  ähnliche klingende Laute voneinander unterscheiden kann. Des Weiteren ist es hilfreich, wenn es dem Kind gelingt,  Laute und Buchstaben einander zuzuordnen,  Buchstaben bewegungsrichtig und automatisiert zu schreiben. Den meisten Kindern gelingt dies in der 1. Klasse ohne besondere Schwie- rigkeiten. Einige Kinder lernen es sehr schnell, andere brauchen dafür etwas mehr Zeit. Es gibt aber auch einige wenige Kinder, denen z. B. das Abhören von Lauten zunächst überhaupt nicht gelingt und die sehr große Schwierig- keiten haben, einem Laut den entsprechenden Buchstaben zuzuordnen. Auch hier ist noch nicht genau bekannt, warum das so ist. Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass es Zusammenhänge zwischen den Fähigkeiten (Laute her- aushören und unterscheiden, Buchstaben zuordnen und bewegungsrichtig schreiben) einerseits und Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten andererseits gibt.

Wörter, Laute und Buchstaben

1.2

Sprach- und Rechtschreib­ schwierigkeiten

4

Unter den Kindern, bei denen Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten beob- achtet werden, sind immer wieder auch solche zu finden, die vor der Einschu- lung Schwierigkeiten in der Sprachentwicklung hatten. Die in diesem Heft beschriebenen Übungen sind vornehmlich für Kinder gedacht, die Schwie- rigkeiten beim Heraushören und Unterscheiden von Lauten haben (auditive Analyse). Diese Übungen sind also nicht für alle Kinder bei Lese- und/oder Rechtschreibschwierigkeiten sinnvoll (siehe Kapitel 2). Es gibt Kinder, die erst spät sprechen lernen und auch noch mit fünf Jahren bestimmte Laute und Lautverbindungen nicht bilden können. Manche Kinder sprechen noch lange in einer unverständlichen Babysprache. Sie sind nicht in der Lage, die richtige Lautfolge für ein Wort herzustellen. Einigen Kindern ge- lingt die feine Abstimmung der Muskelbewegungen der Artikulationsorgane nicht (Zunge, Kehlkopf, Mund und Lippen) – sie ersetzen einen bestimmten Laut durch einen anderen (z. B. d durch t oder g durch k ). Andere Kinder können die Gedanken und die Sprache noch nicht koordinieren: Sie sprechen hektisch und schnell, ihre Sprache klingt undeutlich und gelegentlich lassen sie Wortteile oder ganze Wörter weg. Wieder andere Kinder sprechen noch lange in grammatisch unrichtigen Sätzen. Einige Sprachschwierigkeiten scheinen mit der Spezialisierung der beiden Ge- hirnhälften zusammenzuhängen (simultane vs. sequenzielle Verarbeitung). Sie entstehen dann dadurch, dass es dem Gehirn noch nicht perfekt gelingt, die zum Sprechen notwendigen Muskelbewegungen genau aufeinander abzustim- men (Zunge, Kehlkopf, Lippen etc.): Die Kinder verstehen zwar, was gesagt wird, und haben auch die Antwort richtig „im Kopf“. Sie können die Wörter je- doch nicht richtig artikulieren. Ihr Problem ist also kein Hörproblem! Vielmehr gelingt es ihnen nicht, richtig Gehörtes in passende Lautfolgen zu zerlegen. Beim Lesenlernen weisen einige Kinder ähnliche Schwierigkeiten auf: Es gibt Kinder, denen es nicht gelingt, Buchstaben zu einem Wort zusammenzuzie- hen. Einzeln können sie die verschiedenen Buchstaben lesen – es fällt ihnen dann aber schwer, aus einer Buchstabenfolge ein Wort zu bilden. Ähnliches lässt sich (meist bei denselben Kindern) auch beim Schreibenlernen beobachten. Hier gelingt es einigen Kindern nicht immer, die richtige Buch- stabenfolge eines Wortes aufzuschreiben: Einzelne Buchstaben werden ausge- lassen oder vertauscht und manche Kinder reihen Buchstaben aneinander, die gar nicht oder nur wenig mit dem gesprochenen Wort übereinstimmen.

Die Zeitspanne der Entwicklung der Sprache ist sehr groß und nicht alles, was Kinder spät entwickeln, ist auch „verspätet“. Wir wissen heute noch recht wenig über die Prozesse, die in unserem Gehirn ablaufen, wenn wir sprechen. Wir wissen auch noch recht wenig darüber, warum es bei manchen Kindern in der Sprachent- wicklung zu Schwierigkeiten kommt.

Im nächsten Kapitel ist beschrieben, wie sich feststellen lässt, ob die Übungen zur lautsprachlichen Durchgliederung von Wörtern für ein Kind hilfreich sind.

5

2

Welche Schwierigkeiten treten auf ? 2.1

Wörter auf ihre Laute hin abzuhören , ist für fast alle Kinder der 1. Klasse neu. Wenn ein Kind (bei sonst normaler Sprachentwicklung) im 1. Halbjahr der 1. Klasse den Anlaut und Auslaut eines Wortes noch nicht im- mer treffend benennen kann, so ist dies ganz normal und kein Grund zur Besorgnis. Anlautübungen (siehe Kapitel 4) können diese Fähigkeit fördern und dazu beitragen, die Aufmerksamkeit des Kindes auf die einzelnen Laute eines Wortes auszurichten. Mit Hilfe des Prüfbogens zum Heraushören der „Laute amWortanfang“ (siehe Kapitel 7) lässt sich feststellen, wie weit ein Kind fortgeschritten ist. Zum Vergleich:  Zum Schulbeginn machen bei dieser Überprüfung noch rund 90 % aller Kinder mehr als 4 nicht korrekte Ankreuzungen.  Sechs Wochen nach Schulbeginn machen bei dieser Überprüfung etwa 65 % aller Erstklässler mehr als 4 Fehler.  Zur Mitte des Schuljahres sind es nur noch etwa 25 % der Kinder.  Am Ende der 1. Klasse haben noch knapp 5 % der Kinder deutliche Schwierigkeiten (mehr als 4 Fehler) beim Heraushören der Anlaute.

Schwierigkeiten im Anfangsunterricht

Diese letzte Gruppe braucht zusätzliche und differenzierte Hilfen, um das Heraushören von Lauten zu lernen

2.2

Beim Schreiben werden Laute in Buchstaben und beim Lesen Buchsta- ben in Laute übertragen, die dann zu einem Wort zusammengezogen werden müssen. Kinder, denen es schwerfällt, verschiedene Laute voneinander zu unterscheiden oder die Lautfolge eines Wortes herauszuhören, können keine eindeutige Laut-Buchstaben-Zuordnung vornehmen. Am Anfang des Schreibenlernens ist dies ganz normal. Wenn Kinder in der 1. Klasse unbekannte Wörter schreiben, so finden wir nicht selten Wortfrag- mente sowie Auslassungen und Vertauschungen von Buchstaben vor. Diese Schreibweisen nehmen ab Mitte der 1. Klasse immer mehr ab. Die Kinder schreiben unbekannte Wörter dann zunehmend weitgehend lautgetreu.

Lese- und Rechtschreib­ schwierigkeiten

6

Wortfragmente

Wenn das Wort so gesprochen wird, wie es geschrieben wurde, ist keine annä­ hernde Übereinstimmung zum richtigen Wortklang vorhanden.

Überprüfen Sie bei dem, was ein Kind schreibt (freie Texte), ob folgende Ver­ schreibungen gehäuft vorkommen: 

Beispiele: hrda statt Häuser Ato statt Affe

Auslassungen von Buchstaben

Einzelne Buchstaben, die beim gespro­ chenen Wort deutlich hörbar sind, wer­ den ausgelassen.

Beispiele: hefen statt helfen gen statt gern (aber nicht komt statt kommt )

Vertauschungen von Buchstaben

Die (hörbare) Reihenfolge einzelner Buchstaben wird nicht korrekt einge­ halten.

Beispiele: Burder statt Bruder legne statt legen

Ersetzungen von Buchstaben

Ein Buchstabe wird durch einen anderen, der sich deutlich anders anhört, ersetzt.

Beispiele: gegen statt geben stielt statt spielt (aber nicht unt statt und , Könik statt König oder Korp statt Korb )

Zum Vergleich: In der gesamten 1. Klasse sind sol- che Schreibweisen noch ganz normal und nicht beängstigend. Wenn in der 2. Klasse etwa 10 % aller Verschreibungen auf solche Vertau- schungen von Buchstaben etc. zu- rückzuführen sind, entspricht dies noch der normalen Rechtschreibent­ wicklung. Sind es deutlich mehr als 10 %, dann wird das Kind von den in diesem Heft beschriebenen Übungen profitieren können. Kommen bei einemKind in der 3. und 4. Klasse noch viele Vertauschungen von Buchstaben vor, so wird es eben- falls von diesen Übungen profitieren können.

Hinzufügungen von Buchstaben

Es werden im Wort einzelne, hörbare Buchstaben hinzugefügt.

Beispiele: tretene statt treten Varter statt Vater

(aber nicht falsche Setzungen von Schär­ fungs- und Dehnungskennzeichen wie z. B. Wahgen statt Wagen , schlaffen statt schlafen oder bauhen statt bauen ) Laute werden nicht den richtigen Buch­ staben zugeordnet. Dies gilt insbeson­ dere für Laute, die durch eine bestimmte Buchstabenfolge abgebildet werden.

Falsche Zuord­nungen von Buchstaben

Beispiele: schpielen statt spielen Kwark statt Quark

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2.3

Um das Lesen und Rechtschreiben zu lernen, brauchen Kinder viele verschiedene Fähigkeiten, so z. B.:  Konzentration und Merkfähigkeit  Feinmotorik, motorische Koordination und Gleichgewicht  Sprachkompetenz, Sprechen, Aussprache  Heraushören und Unterscheidung von Lauten  Unterscheiden von Schriftzeichen  Lernfreude und Motivation zum Lesen und Schreiben Schwierigkeiten in diesen Bereichen können sich auch negativ auf den Lese- und Schreiblernprozess auswirken. Die Förderung der vorhandenen Fähigkei- ten und der Abbau von Lese‑ und Rechtschreibschwierigkeiten müssen diese Lernbedingungen mit einbeziehen. Je gezielter eine Förderung die spezifischen Lernbedingungen eines Kindes aufgreift, desto effektiver wird sie verlaufen und desto schneller wird das Kind seine Schwierigkeiten abbauen können. Daraus folgt, dass nicht jedes Förderprogramm bei allen Lese- und Recht- schreibschwierigkeiten wirksam werden kann. Es hat keinen Sinn, ein Kind bei massiven motorischen Schwierigkeiten vornehmlich Sprachübungen durchführen zu lassen. Dieses Kind braucht schreibmotorische Hilfen, so wie ein Kind bei Schwierigkeiten in der Konzentration Hilfen zum Aufbau von Konzentrationsfähigkeit braucht. Daher ist es wichtig und notwendig, bei Schwierigkeiten eines Kindes vor Be- ginn mit den hier beschriebenen Übungen eine genaue Analyse durchzufüh- ren. Eltern sollten sich dazu der fachlichen Unterstützung durch die Lehrerin oder den Lehrer ihres Kindes versichern oder sich Hilfe bei erfahrenen Schul- psychologinnen oder Schulpsychologen holen (für alle Regionen zu finden unter: www.schulpsychologie.de ).

Nicht alles hilft jedem!

Die in diesem Heft beschriebenen Übungen sind in erster Linie für Kin- der konzipiert, die Schwierigkeiten beim Heraushören von Lauten und bei der Bildung der Lautsynthese haben. Ein Kind, das keine Schwie- rigkeiten hat, Buchstaben zu einem Wort zusammenzuziehen, und in dessen Diktaten und freien Texten keine Auslassungen, Vertauschungen oder Ersetzungen von Buchstaben vorkommen, braucht andere Hilfen als in diesem Heft beschrieben.

8

3

Hinweise für Eltern Richtig üben gezielt unterstützen

3.1

Wenn Ihr Kind normgerecht schreiben soll , muss es ein Wort zu- nächst in seine Laute zerlegen können. Den einzelnen Lauten werden dann Schriftzeichen zugeordnet, die nun aufgeschrieben werden müssen. Gelingt Kindern die Lautanalyse und -synthese nicht, kommt es beim Schreiben oft zu Wortfragmenten sowie zu Auslassungen, Vertauschungen und Ersetzun- gen von Buchstaben. Ihr Kind soll durch die in diesem Heft beschriebenen Übungen lernen, Wörter „im Kopf“ in Laute zu zerlegen. Es soll die Laute eines Wortes unterscheiden und die richtige Lautfolge erkennen. Damit wird bei Ihrem Kind eine wichtige Lernvoraussetzung für das Lesen- und Schreibenlernen geschaffen. Ursprünglich sind die in diesem Heft aufgeführten Übungen für Fach- leute gedacht (Lehrer, Logopäden, Psychologen, Sprachheiltherapeuten). Lei- der gibt es von diesen Fachleuten viel zu wenige. Wenn Sie mit Ihrem Kind üben wollen, sollten Sie einiges bedenken. Voraussetzung für ein erfolgreiches Üben mit Ihrem Kind ist, dass Sie Ihr Augenmerk nicht mehr darauf aus- richten, was Ihr Kind nicht kann und welche Verschreibungen es macht. Als Beispiel kann die Sprachentwicklung von Kindern dienen: Die Sprache ist für uns Menschen das wichtigste Verständigungsmittel. Wir werden nicht als sprechende Menschen geboren, sondern müssen das Spre- chen und Verstehen von Sprache erst lernen. Das Neugeborene äußert sich durch Schreien. Aus dem Schrei wird später „apapa“, dann „happa“, dann „hunna“ oder „hunga“, noch später „ich Hunger Eis“ und zum Schluss: „Ich habe Hunger auf ein Eis.“ Keine Mutter käme auf die Idee, ihr Kleinkind so zu verbessern: „Das heißt nicht ,happa‘ , sondern ,ich habe Hunger‘ .“ Eltern sind sich sicher, dass ihr Kind richtig sprechen lernen wird, auch wenn die Sprache des einjährigen Kindes noch nicht der Sprache der Erwachsenen entspricht und kaum zu verstehen ist. Kinder lernen sprechen, indem sie ihre Sprache ganz allmählich an die Regeln der Erwachsenensprache annähern. Die Kinder orientieren sich in ihrer Sprachentwicklung an den Sprachvorgaben der Er- wachsenen. Sprechen diese z. B. in einem Dialekt, so werden auch die Kinder diesen Dialekt übernehmen.

Ziel der Übungen

3.2

Helfen will gelernt sein!

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9

Ganz ähnlich lernen Kinder schreiben. Die nicht normgerechte Schreibung der Erstklässler(innen) ist keine Katastrophe, sondern der Versuch, sich schriftlich auszudrücken und sich der Rechtschreibnorm zu nähern.

So, wie alle Kinder früher oder später sprechen lernen, lernen auch alle Kinder das richtige Schreiben.

Sie können ganz sicher sein: Ihr Kind wird lesen und richtig schreiben lernen!

Wenn ein Kleinkind bei jedem Sprechversuch korrigiert wird ( Das ist falsch, das heißt richtig ... ), verliert es die Lust am Sprechen, traut sich nichts zu und fängt nur zögerlich an zu sprechen.

Rücken Sie nicht die Schwierig­keiten in den Mittelpunkt Ihrer Aufmerksamkeit, sondern das, was Ihr Kind bereits kann!

Achten Sie bei dem, was Ihr Kind schreibt, einmal darauf, wie es schreibt! Vieles ist für uns selbstverständlich, ohne dass wir wissen, warum. Ihr Kind schreibt z. B. „Fert“ anstatt „Pferd“. Das ist schon ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Rechtschreibung. Ihr Kind hat hier nämlich bereits verstanden, dass bestimmte Laute durch bestimmte Buchstaben abgebildet werden kön- nen (hier: der Laut [f] durch den Buchstaben f ). Solange Ihr Kind schreibt und Lust auf das Schreiben hat, ist es auf dem rich- tigen Weg. Sie sollten Ihr Kind auf diesemWeg ermutigen! Wenn Sie es immer nur auf Fehler aufmerksam machen, wird es zwangsläufig die Lust am Schrei- ben verlieren, immer weniger aus eigenem Antrieb heraus schreiben und mit der Zeit eine ablehnende Haltung dem Schreiben gegenüber entwickeln ( Das lerne ich sowieso nicht. ). Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das, was Ihr Kind bereits kann! Auf diese Weise schützen Sie sich auch davor, selbst entmutigt zu werden. Wenn Sie Ih- rem Kind nichts zutrauen, werden Sie es auch nicht mehr ermutigen können. Sie können Ihr Kind bei der Förderung unterstützen, allerdings: Lernen muss es selbst! Diese Arbeit können und dürfen Sie ihm nicht abnehmen. Geraten Sie mit Ihrem Kind bei den Hausaufgaben schnell in Streit oder „drückt“ es sich, wenn Sie mit ihm üben wollen, oder ist das zusätzliche Üben für Sie oder Ihr Kind eher eine Qual als eine Freude, dann sollten Sie mit Ihrem Kind nicht üben. Ihre Zuversicht und Ihr Vertrauen sind die beste Ermutigung für Ihr Kind!

Üben Sie mit Ihrem Kind nur dann, wenn es das auch selbst will!

Wichtiger als die Hilfe beim Üben ist, dass Ihr Kind in Ihnen Halt und Sicher- heit erfährt. Bedenken Sie, dass es jeden Tag in der Schule mitbekommt, dass

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ihm das Lesen und Schreiben viel schwerer fällt als den Mitschülerinnen und Mitschülern. Diese Erfahrung ist bedrückend und entmutigend. Ein Kind, das Schwierigkeiten beim Rechtschreiben und Lesen hat, muss jeden Tag, in jeder Schulstunde, Misserfolge und Enttäuschungen einstecken.

Ihr Kind braucht von Ihnen umso mehr Lob und Ermutigung, je mehr ­Misserfolge es in der Schule ein­stecken muss!

Reagieren Sie nach einer schlechten Arbeit nicht verärgert (z. B. mit Vorhaltun- gen oder Schimpfen)! Für Ihr Kind ist der Misserfolg schon schlimm genug. Ihre wichtigste Aufgabe bei der Förderung besteht darin, Ihrem Kind immer wieder Mut zu machen.

3.3

Sie sollten es nicht als selbstverständlich ansehen, dass Ihr Kind zusätz- lich zu den Hausaufgaben übt. Manchen Kindern fällt dies leicht, andere sind froh, wenn die Hausaufgaben fertig sind. Wenn Ihr Kind sich auf eine zusätzliche Arbeit einlässt, sollte es abschätzen können, wie lange dieses zusätzliche Üben dauern wird. Es hat sich in diesem Zusammenhang bewährt, die geplanten Übungen für Kinder überschaubar zu machen. Eine Möglichkeit hierfür ist der „Protokollbogen: Laute heraushören“ (siehe Kapitel 7). Dort können Sie für jede durchgeführte Übung einen Klebe- punkt aufkleben oder ein Kreuz machen und das Datum eintragen. So sieht Ihr Kind, was es schon geschafft und welche Übungen es noch vor sich hat. Die Übungen zur Lautanalyse und -synthese kann Ihr Kind nicht allein durch- führen. Hierbei braucht es Unterstützung. Wenn Sie mit Ihrem Kind üben, be- deutet das auch für Sie zusätzliche Arbeit und Anstrengung. Sie müssen sich Zeit nehmen und gelassen bleiben, auch wenn Ihnen ganz anders zumute ist. Vereinbaren Sie mit Ihrem Kind für die Übungen eine feste Zeit, die vor al- lem Sie selbst einhalten können. Wenn die Übungen immer wieder ausfallen, weil etwas anderes „dazwischengekommen“ ist, wird Ihr Kind den Eindruck haben, dass Ihnen die Übungen nicht so wichtig sind. Das beeinträchtigt die eigene Motivation Ihres Kindes ganz erheblich und es wird dann immer we- niger Lust auf das gemeinsame Üben haben. Achten Sie also darauf, dass die vereinbarten Übungszeiten eingehalten werden. Führen Sie die Übungen nicht nur immer zur gleichen (vereinbarten) Zeit, sondern auch immer am gleichen Ort durch. Damit fällt es Ihrem Kind leich- ter, sich schnell auf die Übungssituation einzustellen. Achten Sie auch darauf, dass keine ablenkenden Dinge das Üben beeinträchtigen (Fernseher, Radio, Spielzeug usw.) und dass keine Unterbrechungen zu erwarten sind. Hierzu gehört z. B., dass Ihr Kind vorher zur Toilette geht, etwas zu trinken bereit- steht und das Telefon ausgeschaltet ist.

Zusätzliche Arbeit anerkennen

Die in diesem Heft vorgestellten Lautübungen bilden die Grundlage für das Lesen- und Schreibenlernen. Erwarten Sie hierdurch keine direk- ten Verbesserungen des Lesens und der Rechtschreibung. Eine Verbes- serung wird sich erst in den darauf aufbauenden Lese- und Schreib- übungen zeigen (siehe Kapitel 6.4 und 6.5).

Vergessen Sie nicht, auch sich selbst für Ihren Einsatz zu belohnen: Gön- nen Sie sich etwas als Ausgleich für die aufgewendete Zeit!

11

Zu diesem Heft Viele Untersuchungen haben in den letzten Jahren gezeigt,

dass auditive Kompetenzen (phonologische Bewusstheit)

­wichtige Bedingungen dafür sind, dass Kinder den Lese-

und Schreiblernprozess erfolgreich bewältigen können.

Eine wichtige Grundlage für das Lesen- und Schreibenlernen

Der Autor Norbert Sommer-Stumpenhorst ist Diplom-Psychologe und arbei­ tet als Schulpsychologe in der Schulpsychologischen Beratungs- stelle des Kreises Warendorf. Ein Arbeitsschwerpunkt ist seit 1981 die Beratung und Förderung bei Lernschwierigkeiten in der Grund- schule.

ist, die Laute in einem Wort heraushören und unterscheiden

zu können. In diesem Heft sind Übungen beschrieben, mit

denen diese grundlegende Kompetenz trainiert werden kann.

Das Heft richtet sich an Eltern , die ihre Kinder in diesem

­Bereich unterstützen möchten. Es bietet Lehrerinnen und

­Lehrern Hinweise für die grundlegende Förderung von

Kindern bei Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten. Das Heft

ist auch für Erzieherinnen und Erzieher geeignet, die im

­vorschulischen Bereich Kinder auf den Schulanfang vorbereiten.

Graf Orthos Rechtschreibwerkstatt GmbH & Co. KG Marienstraße 33 59269 Beckum

Telefon: 02521 82786-55 Telefax: 02521 82786-53 E-Mail: info@rechtschreibwerkstatt.de www.rechtschreibwerkstatt.de

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