Kopenhagen

ZUR CHARAKTERISTIR. 95 beharrlichen Schrittes verfolgt er sein Ziel. Sein Charakter nimmt m itunter den Anschein von Kalte oder Mangel an Gefuhl an, und doch hat er ein warmes, fiir jede grosse Idee und fiir Kunst und Poesie offenes Herz, so wie Phan- tasie, und Begeisterung fiir das Edle und Schone ; aber ei‘ ist ein abgesagter Feind von leerem Wortschwalle, hefti- gen Exclamationen und gewaltsamen Ausbriichen jeder Art. Sein Vaterland und was dazu gehort geht ihm iiber Alles, er umfasst es, dem Auslander gegeniiber, beinahe mit demselben eifersiichtigen Gefiihle wie der Jiinghng seine erste Liebe, und diess verleiht seinem Urtheil ubei* vaterlandische Zustande manchmal einen Anstrich von Diinkel und Eitelkeit, namentlich wenn er dem Tadel eines Fremden entgegentritt. In seinen Forderungen an das Le­ ben ist der Dane im Allgemeinen massig, arbeitsam , wenn er auch gern den edleren Vergniigungen nachgeht, unter welchen die Schauspielkunst ihn besonders lockt; er liebt es, sein eigenes, mehr stilles in sich gekehrtes Leben von der Biihne herab in ein lebhafteres sich gestalten zu sehen. Er liebt auch die Natur, seine Buchenwålder und sein dun- kelblaues Meer, aber zugleich das gemuthliche, traute Fa­ milienleben, in welchem er sich freier bewegt, als in der Oeffentlichkeit. In den Provinzen hat jenes Familienleben oft einen derben Anstrich des Philistrosen, in der Haupt- stadt, wo es nicht weniger bliiht, hat es sich aber davon losgesagt. Das offentliche gesellige Leben hat in den letzten Decennien in Kopenhagen einen grossen Aufschwung ge­ nommen, wenn es sich auch bei weitem nicht wie in dem mittléren und siidlichen Europa entfaltet. Ueberhaupt sind die Einwohner Kopenhagens, wie die aller H aupt- und Residenzstadte, leichter, lebendiger und mehr genuss- siichtig als die des ubrigen Landes. Gastfrei und zuvor- kommend — dies letztere allerdings im Anfange m it einer gewissen Schiichternheit — ist der Dane iiberall, und

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