Blickpunkt Schule 2/2022

2 Aufgrund der Vielzahl der Personenbezeich- nungen (Schülerinnen und Schüler, Lehrerin- nen und Lehrer etc.), die im weiteren Text auftreten, wird im Folgenden das generische Maskulinum verwendet. Dadurch wird die Lesbarkeit erheblich erleichtert. Alle weiteren Geschlechterbezeichnungen sind selbstver- ständlich einbegriffen. 3 Stellvertretend wird hier auf folgende ein- schlägige Fachbeiträge verwiesen: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung/Union der deutschen Akademien der Wissenschaf- ten (Hg.): Die Sprache in den Schulen – eine Sprache imWerden. Dritter Bericht zur Lage der deutschen Sprache. Berlin 2021; Noack, Christina: Was ist Bildungssprache? In: Pra- xis Deutschunterricht 6/2020, Seite 4-10; Gogolin, Ingrid/Lange, Imke/Michel, Ute u. a. (Hg.): Herausforderung Bildungssprache – und wie man sie meistert. Münster 2013; Feilke, Helmuth: Bildungssprachliche Kom- petenzen – fördern und entwickeln. In: Pra- xis Deutsch 39/2012, Seite 4-13 sowie Schleppegrell, Mary: The Language of Schooling. A Functional Linguistic Per- spective. Mahwah 2004. 4 Beispielhaft erfolgt hier ein Verweis auf die Forderung der IHK Frankfurt am Main nach höheren Deutschkompetenzen der Absolven- ten: https://frankfurt-main.ihk.de/berufs- bildung/ marktplatz/schulabgänger (Zugriff: 15. Februar 2022). Zudem erhielt die Schlag- zeile: »Bewerberinnen und Bewerber werden mit Rechtschreibfehlern in ihren Bewerbun- gen gar nicht erst eingeladen«, der Polizei- gewerkschaft aus dem Jahr 2016 große Auf- merksamkeit. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. Dezember 2016. 5 Als Vergleich dazu verweise ich auf den Bei- trag des Hessischen Kultusministers, von Mi- nister Prof. Dr. R. Alexander Lorz, in dem vor- liegenden Themenheft. 6 Auf die Genese und Zielsetzung, aber auch auf exemplarische Grundsatzthesen der KMK-Empfehlung geht Minister Prof. Dr. Lorz in dem zuvor genannten Beitrag umfassend ein. 7 Eine Gesamtübersicht findet sich zudem auf folgender Seite: https://kultusministerium. hessen. de/Unterricht/Bildungssprache- Deutsch/Massnahmenpaket-zur-Staer- kung-der-Bildungssprache-Deutsch (Zugriff: 15. Februar 2022). 8Vgl. Steinig, Wolfgang/Eisfeld, Katrin/Oehme, Viola/Schulze Brüning, Maria-Anna: Jedes Kindmuss eine verbundene Handschrift ler- nen! Siegener Erklärung zur Schrift in der Schule. Zit. nach: https:// www.news4te- achers.de/wp-content/ uploads/ Siegener-Erkl%C3%A4rung-zur-Handschrift- 3_final_korrOE-03.05..pdf (Zugriff: 15. Febru- ar 2022) sowie Schwellnuss, Heidi/Cameron; Debra/Carnahan, Heather: Manuscript or Cur- sive Handwriting? A Review of the Literature. In: Journal of Occupational Therapy, Schools & Early Intervention, 5/2012), Seite 248-258. 9 Thomé, Günther/Eichler, Wolfgang: Recht- schreiben Deutsch. In DESI-Konsortium (Hg.): Unterricht und Kompetenzerwerb in Deutsch und Englisch. Ergebnisse der DESI- Studie. Weinheim 2008, Seite 104-111.

Sprache – Bildung – Denken

Bild: Thomas Bethge/AdobeStock

Unterrichtest du nur oder liest du schon? Ideen für eine Re-Kanonisierung in der Deutschlehrer-Ausbildung

H aben Sie schon mal einen Ro- man von Thomas Mann gele- sen? Oder Erzählungen von Schnitzler und Hofmannsthal, von Musil und Kafka? Kennen Sie Werke von Frisch, Andersch und Böll? Und was ist mit den Gedichten Heines und Brechts? Oder Georges? Und Loer- kes? Wenn Sie dies alles bejahen kön- nen, gelten sie dann unter Ihren Kol- legen als ein »sehr belesener Deutschlehrer« – dürfte man auch sagen: als ein Sonderling, der »wahn- sinnig viel weiß« und »wahnsinnig viele Bücher zu Hause hat«? Wer vom literarischen Kanon in der Schule redet, soll von den Lehrkräften nicht schweigen. Denn um Literatur zu vermitteln, ist es nötig, sie zu kennen und zu lieben. Deutlicher gesagt: Der Deutschlehrer sollte ein Literaturken- ner sein und zugleich ein Liebhaber deutschsprachiger Literatur. So muss er die Werke – nicht nur ein Werk (!) – der für die Schule bedeutenden Schriftsteller von der Aufklärung bis zur Gegenwart gelesen haben, sich in und mit ihnen auskennen, um sie di- daktisch und methodisch für den Un- terricht gemäß Lehrplan und Curricu- lum aufbereiten und seinen Schülern vermitteln zu können. Nicht ver-

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Der Autor Dr. Jan Robert Weber (*1976) ist Vorsitzender des Landesver- bands Hessen (Fachverband Deutsch im Deutschen Germa- nistenverband), Studienrat für Deutsch und Geschichte und Fachleiter am Studienseminar Offenbach.

schweigen darf man die angedeutete Erwartung, dass zu dieser professio- nellen Kennerschaft Liebhaberei ge- hört: Das Profil einer Deutschlehrkraft sollte selbstverständlich auch vom privaten Lesen von Literatur, aber auch vom Besuch des Theaters oder der Rezeption von Hörspiel und Film, zumal wenn sie Literatur adaptieren, geprägt sein. Lektüre gehört zum Lehrer und zwar nicht nur als Pflicht, sondern auch als Passion. Ich fürchte, dass es um die Kenner- schaft und Liebhaberei von deutsch- sprachiger Literatur in den Fachkolle- gien immer weniger gut bestellt ist. Zu viele junge Kolleginnen und Kolle- gen kommen von der Universität, oh- ne dass sie ausreichend Zeit und Ge- legenheit oder genügend Ansporn und Interesse gehabt hätten, die so-

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