Blickpunkt Schule 2/2022

der Bildung des Wissens. Und in ge- nau diesem Sinn handelt es sich um Bildungssprache. Für das Verständnis der Bildungs- sprache wichtig sind also drei Ebe-

nen, die Abbildung 4 noch mal ver- einfacht zusammenfasst. Sie sollten auch die Logik und den Aufbau einer Didaktik der Bildungssprache be- stimmen:

rung nach einer durchgängigen Sprachbildung betrifft horizontal das Verhältnis der Fächer zueinander und vertikal das Verhältnis der Schulstu- fen zueinander. Für das Verhältnis der Fächer zueinander ist zum Beispiel zu fragen: Welche Interaktionsformate, welche Formen des Umgangs mit Tex- ten, welche Schreibformen bieten sich für ein fächerübergreifendes Sprach- lernen an? Zu denken ist hier an • Textsorten (zum Beispiel Experi- mentprotokoll, Konstruktionsbe- schreibungen im Mathematikunter- richt, Quellenanalyse im Ge- schichtsunterricht etc.) • Interaktionsformate (zum Beispiel Präsentation und Diskussion) • oder einzelne Textprozeduren (Be- schreiben und Interpretieren von Grafiken und Tabellen). Der vertikale Aspekt betrifft die Durchgängigkeit über Bildungsstufen hinweg, also schon das Verhältnis von Elternhaus und Schule und den Übergang von einer dominant münd- lich bestimmten familiären Sprach- praxis zur Schule und den Erwartun- gen konzeptioneller Schriftlichkeit. So zeigt etwa die Untersuchung von Vivien Heller und Miriam Morek im Akademiebericht, dass Elternhäuser in sehr unterschiedlichem Maß die Fähigkeit der Schüler herausfordern, kommunikativ initiativ und zum Bei- spiel beim Argumentieren oder Er- klären ausführlich und explizit zu werden (Deutsche Akademie 2021, S. 43 ff.). Wie kann der Unterricht schon in der Grundschule Gelegen- heiten für den Erwerb der Fähigkeit schaffen, Zusammenhänge erklä- rend oder argumentativ ausführli- cher darzustellen. Auch im Verhältnis der Grundschule zu weiterführenden Schulen, von Unterstufe und Mittel- stufe sowie im Übergang zur Sekun- darstufe II wäre jeweils zu fragen, welches Konzept der Progression bil- dungssprachlicher Fähigkeiten zu- grunde gelegt werden soll. Hierauf sollte auch bei notwendigen Überar- beitungen der Bildungsstandards für die Grundschule und den mittleren Schulabschluss in Zukunft reagiert werden.

Abbildung 4: Ebenen der Bildungssprache

Sprache – Bildung – Denken

Zwei in der Diskussion oft anzutref- fende Vereinfachungen seien noch kurz angesprochen, weil sie auch für Fragen der Förderung relevant sind: Oft werden Zweitspracherwerb, Mehrsprachigkeit und Bildungs- spracherwerb in einen sehr engen Zu- sammenhang gebracht. Das ist nur eingeschränkt sinnvoll. Bildungs- sprachliche Kompetenzen betreffen nicht den Spracherwerb des Deut- schen schlechthin. Vielmehr geht es um den Erwerb von Handlungssche- mata und dafür einschlägigen Gram- matik- und Formulierungsformen, bei denen auch Schüler mit der Erstspra- che Deutsch oft noch Schwierigkeiten haben (Heppt 2016). Auch umgekehrt zeigt sich, dass von einer Förderung bildungssprachlicher Fähigkeiten im Deutschen Schüler mit Deutsch wie mit Türkisch als Erstsprache profitie- ren (Wenk u.a. 2016) Deshalb kann ei- ne Didaktik der Mehrsprachigkeit – auch wenn sie aus anderen Gründen erstrebenswert ist – keine Antwort auf Erwerbsprobleme im bildungssprach- lichen Handlungsfeld des Deutschen geben. Priorität sollte deshalb eine Didaktik der Bildungssprache haben, von der alle Schüler in gleicher Weise profitieren. Oft werden auch Wortschatzlernen und Bildungsspracherwerb in eins ge- setzt. Zwar ist bekannt, dass Begriffe wie Arbeit, Kraft oder Weg in der Phy- sik eine andere Bedeutung haben als in der Alltagssprache (vgl. Härtig u.a. 2015). Das aber betrifft zunächst Pro- bleme der Physikdidaktik, nicht des

fächerübergreifenden Sprachlernens, wie sie das Beispiel illustriert hat. Es geht bei den für das Lernen wichtigen bildungssprachlichen Kompetenzen auch nicht primär um den sogenann- ten klassischen und modernen Bil- dungswortschatz (Augst 2019/2021) mit Bildungsversatzstücken wie Me- netekel, Präliminarien, einen Gessler- hut grüßen, den Rubicon überschrei- ten, Hotspot, superspreader etc. . Die- se Aspekte sind zwar auffällig und po- pulär, betreffen aber nicht den Kern des Themas. Der liegt weniger bei den spektakulären Bildungsvokabeln als in den für Distanzkommunikation und Wissensbildung notwendigen Sprach- praktiken, den textbezogenen Sprach- handlungen und den für das fächer- übergreifende Sprachlernen ge- brauchten Sprachformen, wie sie Ab- bildung 3 exemplarisch illustriert hat. 3. Förderung bildungs- sprachlicher Kompe- tenzen Sehr viele Punkte müssten angespro- chen werden, wenn es um die Förde- rung geht. Ich möchte hier nur einen allgemeinen schulentwicklungsbezo- genen und zwei weitere Aspekte auf- greifen, die fächerübergreifende As- pekte der Förderung betreffen. Durchgängige Sprachbildung als Schulentwicklungsaufgabe Dieser Punkt ist schulentwicklungsbe- zogen und auch forschungsseitig lei- der noch Zukunftsmusik. Die Forde-

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SCHULE

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