BeiratAktuell-52

f) In grundrechtlicher Hinsicht gilt es also sicherzustellen, • dass mögliche vorrangige Schutz- oder Vorsorgemaßnahmen geringerer Ein- griffsintensität, insbesondere die Instal- lation der Attrappe einer Videokamera oder sonstige Abschreckungsmaßnah- men erfolglos ergriffen wurden, • dass die räumliche Ausdehnung des überwachten Bereichs auf das Notwen- dige beschränkt wird (z.B. auf den Ein- gangs-/Torbereich), • dass die Fertigung dauerhafter Bildauf- zeichnungen auf ein Mindestmaß be- schränkt wird. 4. Wohnungseigentumsrechtliche Vo- raussetzungen Ferner muss die Installation einer Video- überwachungsanlage in wohnungseigen- tumsrechtlicher Hinsicht den Grundsätzen ordnungsmäßigerVerwaltung entsprechen. a) Die Regeln für den Betrieb einer Video- überwachungsanlage müssen durch Be- schluss der Wohnungseigentümerver- sammlung verbindlich festgelegt werden, damit der Umfang der Überwachung und ihre Bedingungen für jeden transparent und jederzeit verifizierbar sind (vgl.: BGH Urt. v. 24.05.2013 - V ZR 220/12, ZWE 2013, 363). Hierzu reicht, auch bei einstimmigem Beschluss, das Interesse an einer Effizi- enz der Verwaltung allein nicht aus. Das Gemeinschaftsinteresse an der Überwa- chung muss mit den Interessen einzelner Wohnungseigentümer und betroffener Dritte ausdrücklich (zu Protokoll) abge- wogen werden (vgl.: Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 22 Rn. 285a). Ausdrücklich durch Beschluss zu regeln sind insbesondere die konkreten Zwecke der Überwachung, die Begrenzung des Umfangs der Überwachung auf den wirk- lichen Bedarf, der Umfang der Aufzeich- nungen, die Dauer ihrer Aufbewahrung, der Zugang zu den Aufzeichnungen, de- renVerwendung sowie die Kontrolle und Sicherstellung dieser Vorgaben (vgl.: KG, Beschl. v. 26.6.2002 - 24W 309/01, ZMR 2002, 864).

meidung von Straftaten eher zulässig sein, eine darüber hinausgehende Überwachung des gesamten Treppenhauses einschließ- lich der Wohnungstüren aber nicht, da dies für die Verhinderung von Straftaten durch Unbefugte nicht zwingend notwen- dig ist (vgl.: BGH, Urt. v. 24.05.2013 - V ZR 220/12, ZWE 2013, 363). Beim Einbau einer Videoüberwachungs- anlage muss ferner sichergestellt sein, dass weder angrenzende öffentliche Be- reiche noch benachbarte Grundstücke oder ein gemeinsamer Zugang zu diesen erfasst wird, sofern nicht ein das Persön- lichkeitsrecht der Betroffenen überwie- gendes Interesse des Betreibers der An- lage im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann (vgl.: BGHUrt. v. 24.05.2013 - V ZR 220/12, ZWE 2013, 363). bb) Mit Blick auf eine Tiefgaragenanlage ist somit zu bedenken, dass sich eine Video- überwachung nicht auch auf den Bereich der im Sondereigentum stehenden Tiefga- ragenstellplätze erstrecken darf. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Wohnungseigen- tümergemeinschaft nicht befugt ist, das Sondereigentum zu überwachen. Hierzu fehlt dieVerwaltungs- und Beschlusskom- petenz, da die Überwachung des Sonderei- gentum (entsprechendes gilt für Sonder- nutzungsrechte) ausschließlich Sache des jeweiligen Sondereigentümers ist (vgl.: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.1.2007 – I-3 Wx 199/06, MDR 2007, 946; OLG Mün- chen, Beschl. v. 11.3.2005 – 34Wx 002/05, NZM 2005, 668; AG Hamburg-Blanke- nese, Urt. v. 9.1.2013 – 539 C 7/12, ZMR 2014, 59; Jennißen/Hogenschurz, WEG, 5. Aufl. 2017, § 14 Rn. 4c). Auch ist für den Fall der Videoüberwa- chung einer Tiefgaragenanlage zu beden- ken, dass es sich um einen allgemein zugänglichen Bereich handelt, der zur zweckbestimmungsgemäßen Nutzung zwangsweise von allen möglichen Perso- nen, nicht nur Wohnungseigentümern, betreten wird und dabei einer Videoüber- wachung in der Regel nicht ausgewichen werden kann. Eine weder räumlich noch vom Umfang her begrenzte Videoüberwachung des gesamten Tiefgaragenbereichs begegnet daher insbesondere nach der Rechtsauf- fassung des LG München I erheblichen rechtlichen Bedenken (vgl.: LGMünchen I, Beschl. v. 11.11.2011 - 1 S 12752/11 WEG, ZWE 2012, 233).

ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die unter obiger Ziff. 3. genannten grund- rechtsschützendenVoraussetzungen vor- liegen. b) Ferner ist in wohnungseigentumsrechtli- cher Hinsicht zu beachten, dass die Mon- tage von Videokameras als bauliche Ver- änderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG, etwa durch eine erhebliche optische Verände- rung der Anlage (z.B. Montage von Ka- meras auf Masten), grundsätzlich der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf, sofern diese über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden, (vgl.: BGH, Urt. v. 24.05.2013 -VZR 220/12, ZWE 2013, 363; BayObLG, Beschl. v. 23.5.1996 – 2Z BR 19/96, ZMR 1996, 507; Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 22 Rn. 285). Optisch unauffällige Videokameras, die rechtmäßigerweise installiert werden, bedeuten indes keine über das in § 14 Nr. 1WEG hinausgehende Beeinträchtigung unter dem Gesichtspunkt einer baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums (vgl.: Staudinger/Lehmann-Richter, WEG (2018), § 22 Rn. 75). c) Ferner gehört es zu den Grundsätzen ord- nungsmäßiger Verwaltung, dass die Vor- gaben des Datenschutzrechts (DSGVO und BDSG) beachtet werden, auf die nachfolgend noch näher eingegangen wird (vgl.: OLG Köln, Beschl. v. 9.5.2007 – 16 Wx 13/07, ZMR 2008, 559). d) Insbesondere ist auch darauf hinzuweisen, dass dann, wenn der mit der Videoüber- wachung verfolgte Zweck erreicht wird, z.B. keine Einbruchsdiebstähle mehr verzeichnet werden, die Anlage wieder zu entfernen, zumindest aber stillzulegen ist (vgl.: BGH, Urt. v. 24.05.2013 - V ZR 220/12, ZWE 2013, 363; Jennißen/ Heinemann, WEG, 6. Aufl. 2019, § 21 Rn. 110). e) Wird eine Videoüberwachung ohne Be- achtung dieser Vorgaben beschlossen, ist streitig, ob der betreffende Beschluss bloß rechtswidrig ist, also mangelsAnfechtung in Bestandskraft erwachsen kann (vgl.: Schmidt-Räntsch, ZWE 2013, 429), oder nichtig, d.h. von vornherein rechtsun- wirksam ist. Hier vertretener Auffassung

Dabei entspricht eine Beschlussfassung insbesondere nur dann den Grundsätzen

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BEIRAT AKTUELL 52/III-19

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