BeiratAktuell-52

BeiratAktuell 52

BEIRAT AKTUELL E n t s c h e i d e n d e I n f o r m a t i o n f ü r d e n V e r w a l t u n g s b e i r a t i m W o h n u n g s e i g e n t u m E i n z e l p r e i s 8 , 5 5 (inkl. 7 % USt.)

Videoüberwachungen in WEG-Anlagen

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Ausgabe: 52 Quartal III-19

Insolvenz des Energieanbieters

Vertretung in der Eigentümerversammlung

Editorial

Impressum BEIRATaktuell erscheint seit 2006 vier- teljährlich und bietet entscheidende In- formation für Verwaltungsbeiräte im Wohnungseigentum. Herausgeber/Verlag: Massimo Füllbeck Sachverständiger für Wohnungseigentum Sellerbeckstraße 32 45475 Mülheim an der Ruhr

Verehrte Leserinnen und Leser,

kurz nach Redaktionsschluss wurde in den Medien bekannt gegeben, dass die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur WEG- Reform ihrenAbschlussbericht mit zahl- reichen Vorschlägen zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes vorgelegt hat. Aus diesen Vorschlägen soll jetzt zeitnah ein entsprechender Gesetzesent- wurf erarbeitet werden. Eine umfangrei- che Reform steht uns also in Kürze bevor. Aktuell sieht es so aus, dass es deutlich mehr Änderungen sein werden als noch vor einigen Monaten angekündigt. Ich werde Sie in der nächsten Ausgabe mit konkreten Ergebnissen dieser Arbeits- gruppe versorgen. Seit Bestehen des BEIRATaktuell im Jahr 2006 hat die Zeitschrift viele Verände- rungen erfahren. Heute werde ich eine weitere Neuerung einführen: Zukünftig finden Sie unter dem Editorial, in welchem ich zukünftig über aktuelle Entwicklungen aus der „WEG-Welt“ berichten möchte, stets ein kurzes Inhaltsverzeichnis bzw. Themenübersicht.

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Verantwortlich i.S.d.P.: Massimo Füllbeck

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Redaktion: Massimo Füllbeck

Ich würde mich freuen, wenn Sie – wenn noch nicht erfolgt – weiterhin an meiner Umfrage zu Weiterbildungsmaßnahmen für Verwaltungsbeiräte teilnehmen. Die Umfrage wird elektronisch durchgeführt und dauert ca. 3 Minuten. Hier nochmal der Link: https://bit.ly/2lUlRh9.

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Was erwartet Sie in der 52. Ausgabe des BEIRATaktuell? • Sprachforscher – Was ist die Unterhaltung des Gemeinschaftseigentums? von RA Fritsch • Das Ende der Fahnenstange – Neue BGH-Rechtsprechung bei eigen- mächtiger Instandsetzung von RA Fritsch • Darf er oder darf er nicht (Die Tücken der Vertretung in der Eigentümer- versammlung) von RAin Cathrin Fuhrländer • Videoüberwachungen in WEG-Anlagen von RA Rüdiger Fritsch • Die wichtigsten Fragen bei der Übernahme von Neubauprojekten in der WEG-Verwaltung – Teil 2 (Der erste Wirtschaftsplan) von Massimo Füllbeck • Insolvenz des Energieanbieters: Warum günstig unter dem Strich doch teurer werden kann von Linda Madir, Leiterin Vertrieb der MONTANA Energieversorgung GmbH & Co. KG

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BEIRAT AKTUELL 52/III-19

››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Sprachforscher Was ist die Unterhaltung des Gemeinschaftseigentums?

Viele Gemeinschaftsordnungen enthalten spezielle Regelungen darüber, dass ein- zelnen Eigentümern oder Gruppen von Eigentümern in Abweichung von dem gesetzlichen Grundsatz, wonach das Ge- meinschaftseigentum durch sämtliche Eigentümer und auf Gemeinschaftskosten instand zu halten und instand zu setzen ist, die Verpflichtung übertragen wird, hierfür selbst zu sorgen oder die hierfür entstehenden Kosten alleine zu tragen. Oftmals sind solche Regelungen jedoch unklar bzw. ungenau formuliert. Der Bun- desgerichtshof hat nun zu einer solchen immer wiederkehrenden Auslegungsfra- ge ein Grundsatzentscheidung gefällt (vgl.: BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 145/18). 1. Der Fall DieWohnungseigentumsanlageW ist mit einer Tiefgaragenanlage ausgestattet, wo- bei die jeweiligen PKW-Stellplätze als sog. Doppelstockparker ausgeführt sind, an denen Sondernutzungsrechte zugunsten einzelner Eigentümer begründet sind. Die Gemeinschaftsordnung regelt, dass sämt- liche Kosten, die die Tiefgarage betreffen, von den Sondernutzungsberechtigten der Tiefgaragenstellplätze zu tragen sind. Weiter ist geregelt, dass die Unterhaltung der Doppelparker selbst, nur dem einzel- nen Sondernutzungsberechtigten selbst und auf eigene Kosten obliegen soll. Die im Sondernutzungsrecht des Eigentümers

E stehende Doppelparkeranlage muss repariert werden. Die übrigen Eigentümer meinen, dies sei Sache des E und verwei- gern eine Instandsetzung und Kostentra- gung durch sämtliche Tiefgarageneigen- tümer. 2. Das Problem Bezogen auf den vorliegenden Fall ver- wendet das Wohnungseigentumsgesetz nur die Begriffe der Instandhaltung und der Instandsetzung, deren Bedeutung im Wesentlichen geklärt ist. Mit Instandhal- tung meint dasWEG als diejenigen Maß- nahmen, die der Aufrechterhaltung eines gebrauchs- und funktionstüchtigen Zu- stands geschuldet sind (Wartung, Pflege, Anstrich, etc.). Mit Instandsetzung wird die Behebung eines trotz aller Pflegemaß- nahmen eintretenden Schadens beschrie- ben. Fraglich ist nun, ob der vom beur- kundenden Notar verwendete Begriff der „Unterhaltung“ nur die Instandhaltung meint (in diesem Falle wären alle Stell- platzeigentümer zur Kostentragung her- anzuziehen) oder ob auch der Begriff der Instandsetzung mitenthalten sein soll (in diesem Falle wäre die Reparaturmaßnah- me eine eigene Angelegenheit des E). 3. Die Entscheidung des BGH Der BGH entscheidet, dass der Begriff der „Unterhaltung“ im vorliegenden Zu- sammenhang grundsätzlich dahingehend

auszulegen ist, dass sowohl die Instand- haltung als auch die Instandsetzung hier- mit gemeint sind. Dies begründet der BGH damit, dass dann, wenn an räumlich und technisch abgrenzbaren Bauteile, Anlagen oder Einrichtungen des gemein- schaftlichen Eigentums Sondernutzungs- rechte begründet und dem jeweils Begün- stigten die Sorge hierfür nebst der Pflicht zur Kostentragung zugeordnet wird, sich aus Sinn und Zweck dieser Bestimmung der Grundsatz ergibt, dass der Begünsti- ge möglichst umfassend verpflichtet wer- den soll. 4. Auswirkungen für die Praxis Da die bisherige Rechtsprechung in solchen Fällen uneinheitlich war, dürfte es nun geboten sein, die vorliegenden Gemeinschaftsordnungen in vergleich- baren Fällen einer Neubewertung zu un- terziehen.

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››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Das Ende der Fahnenstange BGH schließt Erstattungsansprüche bei eigenmächtiger Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums aus

2. Das Problem Gem. § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG ist ausschließlich die Eigentümerversamm- lung und nicht der einzelne Wohnungs- eigentümer berechtigt, über zu Lasten der Gemeinschaftskasse auszuführende Instandsetzungsmaßnahmen am gemein- schaftlichen Eigentum zu entscheiden. Aus diesem Grund kann man die Haltung einnehmen, dass „Alleingänge“ einzelner Eigentümer nicht dadurch belohnt werden dürfen, dass diese eine Erstattung ihrer Aufwendungen verlangen können. Ande- rerseits kann man es als unbillig ansehen, dass derjenige Eigentümer, der gutgläubig und im bestenWillen bei tatsächlich vor- liegendem Instandsetzungsbedarf ohne Beschluss Gemeinschaftseigentum re- pariert, auf seinen Kosten sitzenbleibt, zumal er der Gemeinschaft schließlich die von dieser aufzuwendenden Kosten erspart hat. 3. Die Entscheidung des BGH Der BGH ändert seine bisherige Recht- sprechung, verfolgt nun eine harte Linie gegenüber solchen Eigentümern, die ohne Beschluss Gemeinschaftseigentum instand setzen und versagt ihnen jeglichen Er- stattungsanspruch. a) Zwar ist ein Wohnungs-/Teileigentümer gem. § 21Abs. 2WEG berechtigt, Ersatz seiner Aufwendungen für eine ohne vor- herigen Beschluss der Eigentümerver- sammlung veranlasste Instandsetzung gemeinschaftlichen Eigentums zu ver- langen, dies setzt jedoch voraus, dass er inAusübung der sog. Notfallkompetenz aufgrund einer Not- bzw. Gefahrenlage handelt, um einen dem Gemeinschafts- eigentum unmittelbar drohenden Schaden

Vielfach führen einzelne Wohnungs- eigentümer Maßnahmen der Instandhal- tung und Instandsetzung am gemeinschaft- lichen Eigentum durch und verlangen sodann von der Wohnungseigentümerge- meinschaft eine Erstattung ihrer diesbe- züglichenAufwendungen (BEIRATaktu- ell berichtete). Dabei sind solche „Allein- gänge“ oftmals nicht von bösem Willen getragen und erfolgen in schlichter Ver- kennung der Sach- und Rechtslage, weil Bauteile fälschlich dem Sondereigentum zugeordnet werden oder die Wohnungs- eigentümergemeinschaft solche Fälle gewohnheitsmäßig so handhabt. Zur Fra- ge, ob diesen Wohnungseigentümern Erstattungsansprüche zustehen, hat der BGH aktuell ein „Machtwort“ gesprochen und diese Ansprüche grundsätzlich ab- gelehnt (BGH, 14.6.2019 –V ZR 254/17). 1. Der Fall Wohnungseigentümer W lässt die zum Balkon seiner Eigentumswohnung füh- rende Fenster-/Türanlage durch einen Fachhandwerker zu Kosten von 3.500,00 EUR reparieren, weil er der Auffassung ist, dies gehöre zu seinen Pflichten als Sondereigentümer. Nachdem W erfährt, dass es sich tatsächlich umGemeinschafts- eigentum handelt, wendet er sich an die Gemeinschaft und bittet um Erstattung seiner Aufwendungen mit der (zutreffen- den) Begründung, dass Reparaturbedarf zu diesen Kosten vorlag und für den Fall, dass W einen entsprechenden Antrag zur Eigentümerversammlung gestellt hätte, die übrigen Eigentümer den Beschluss hätten fassen müssen, die Balkontür-/ Fensteranlage instand zu setzen. Somit habe er der Gemeinschaft diese Ausgabe erspart und sei berechtigt, eine Kostener- stattung zu verlangen.

abzuwenden. DieseVoraussetzungen der sog. Notfallkompetenz liegen typischer- weise in den seltensten Fällen vor. Ins- besondere diente im vorliegenden Fall die Instandsetzung der Fenster nicht einer dringend erforderlichen Gefahren- abwehr. b) Abgesehen davon stehen einem Woh- nungseigentümer, der, auch wenn gege- benenfalls irrtümlich oder in guten Glau- ben, gemeinschaftliches Eigentum ohne Beschluss der Eigentümerversammlung selbst und auf eigene Kosten instand setzt, keinerlei diesbezügliche Erstattungsan- sprüche zu, und zwar weder wohnungs- eigentumsrechtlich begründete Aufwen- dungsersatzansprüche, noch solche aus berechtigter Geschäftsführung ohneAuf- trag gem. §§ 682, 670 Abs. 2 BGB oder gar bereicherungsrechtliche Kostenerstat- tungsansprüche aus unberechtigter Fremd- geschäftsführung gem. §§ 687 Abs. 1, 812 ff. BGB zu (vgl.: BGH, Urt. v. 14.6.2019 – V ZR 254/17). c) Soweit nach der bisherigen Rechtspre- chung des (vgl.: BGH, Urt. v. 25.9.2015 - V ZR 246/14) ein Erstattungsanspruch unter bereicherungsrechtlichen Gesichts- punkten bestehen konnte, sofern die ei- genmächtig durchgeführte Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums dringend notwendig war und von der Eigentümer- versammlung im Falle deren vorheriger Befassung ohnehin positiv hätte entschie- den werden müssen, so hat der BGH diese Rechtsprechung in seiner aktuellen Entscheidung ausdrücklich aufgegeben. Dies mit der Begründung, dassWohnungs- eigentümer zwar stets damit rechnen

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müssen, dass es durch Mängel des Ge- meinschaftseigentums zu unvorhergese- henen Ausgaben kommt, für die sie ein- zustehen haben. Sie müssen ihre Finanz- planung aber nicht darauf einrichten, im Nachhinein für Maßnahmen, auf welche sie keinen Einfluss nehmen konnten, her- angezogen zu werden. Ersichtlich vertritt der BGH die harte, wenn auch zutreffen- de Meinung, dass für den Fall, dass man die Alleingänge einzelner Eigentümer durch die Gewährung eines Erstattungs- anspruchs gleichsam belohnt, die Kom- petenzregeln des Wohnungseigentums- rechts obsolet werden. Warum sollte man dann noch eine Eigentümerversammlung abhalten, wenn ohnehin jedermann ei- genständig agieren und hierfür Zahlung verlangen kann? Nach der bis zu der o.g. Rechtsprechungs- änderung vertretenen Rechtsmeinung konnten die übrigenWohnungseigentümer sich gleichwohl dazu entscheiden, dem betreffenden Miteigentümer einen Zah- lungsausgleich zu gewähren, insbeson- dere wenn dieser in gutem Glauben ge- handelt hatte. Dabei handelte es sich aber um eine dem freien Entscheidungsermes- sen der Eigentümerversammlung unter- liegende Entscheidung, auf die kein Rechtsanspruch bestand. Zudem handel- te sich bei derartigenAbgeltungsbeschlüs- sen um freiwillige symbolische Befrie- dungszahlungen, die ohnehin nie auf eine vollständige Erstattung solcher Aufwen- dungen gerichtet sein durften (vgl.: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.05.2008 - I-3 Wx 271/07; LG Düsseldorf, Urt. v. 4. Auswirkungen für die Praxis a) Abgeltungszahlungen gleichwohl möglich?

10.9.2014 – 25 S 9/14; LG München I, Urt. v. 6.2.2014 - 36 S 9481/13).

Die rechtssichereAuslegung der Bestim- mungen des WEG sowie der Vereinba- rungen der Gemeinschaftsordnung, ins- besondere zur Frage der Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum, gehört nun einmal ausdrücklich nicht zu den Aufgaben des Verwalters (vgl.: LG Berlin, Urt. v. 2.2.2018 – 85 S 88/16), der schließlich kein Fachjurist ist und auch keiner sein muss. Daher darf sich der Wohnungseigentümer auf diesbezüg- licheAngaben des Wohnungseigentums- verwalters nicht einfach so verlassen, da er sich mit diesen ohne eigene oder man- gels eigener Kenntnisse ohne fachkundi- ge Prüfung nicht zufrieden geben darf. Es liegt in solchen Fällen somit eine Schadensersatzhaftung des Verwalters ausschließendes Eigenverschulden vor (vgl.: LG Berlin, Urt. v. 2.2.2018 – 85 S 88/16).

Fraglich ist, ob dieser bisherigen Hand- habung durch die o.g. aktuelle Entschei- dung des BGH die Grundlage entzogen wurde. Hier vertretener Rechtsauffassung nach dürfte die oben wiedergegebene Handhabung immer noch möglich sein, denn im Ergebnis kann es nicht darauf ankommen, aus welchen Gründen die Gemeinschaft sich gegen einen Zahlungs- anspruch verwehren kann, sofern sie sich mit Blick auf die Aufrechterhaltung des „Friedens“ in der Gemeinschaft dazu entschließt, dem betroffenen Eigentümer eine symbolische Abstandszahlung an- zubieten. In manchen Fällen haben sich die Instand- setzungsarbeiten selbst ausführenden Eigentümer zuvor an die Verwaltung ge- wandt und um Auskunft gebeten, ob die betreffende Maßnahme wirklich von ihnen oder von der Gemeinschaft durchzufüh- ren ist. Stellt sich diese Auskunft im Nachhinein als unzutreffend dar und ver- weigert die Gemeinschaft eine (freiwil- lige) Ersatzleistung, kann der betroffene Wohnungseigentümer schnell auf die Idee verfallen, den Verwalter haftbar zu ma- chen. Dies wird im Regelfall jedoch nicht ge- lingen. Typischerweise ist dieAbgrenzung des Sonder- vomGemeinschaftseigentum juristisch anspruchsvoll, zumal in der Mehrzahl aller Fälle die Teilungserklä- rung/Gemeinschaftsordnung auslegungs- bedürftige und oftmals nichtige Bestim- mungen hierzu enthält. b) Haftung des Verwalters für Fehlauskünfte?

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››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RAin Cathrin Fuhrländer Darf er oder darf er nicht? Die Tücken der Vertretung in der Eigentümerversammlung

Jeder Verwalter kennt die knifflige Situa- tion, dass ein Nichteigentümer Einlass zur Versammlung begehrt und eine Ent- scheidung getroffen werden muss, ob der Einlass gewährt wird oder ob er sich den Unmut der Person zuziehen soll, indem er sie mit dem Hinweis der fehlenden Vollmacht des Saales verweist. Leider ist in der konkreten Situation sel- ten Zeit, sich intensiv mit dem Einzelfall zu beschäftigen, so dass eine gute Grund- kenntnis der Fallstricke der Vertretung für den Verwalter unerlässlich ist. Grundsätzlich ist die Vertretung nach §§ 164 ff. BGB sowohl formfrei als auch ohne Beschränkungen in der Wahl des Vertreters möglich, so dass ein Eigentü- mer z. B. auch den Briefträger des Hau- ses mündlich zur Teilnahme an der Ver- sammlung bevollmächtigen könnte. Die Praxis sieht jedoch in der Regel an- ders aus. In vielen Gemeinschaftsordnun- gen werden Beschränkungen aufgenom- men, die sowohl den Personenkreis des Vertreters einschränken, als auch die Form der Bevollmächtigung vorgeben. Die Kenntnis der Gemeinschaftsordnung ist daher zwingende Voraussetzung für den Verwalter, um über die Frage einer zu- lässigenVertretung entscheiden zu können. 1. Personenkreis Häufig wird der Personenkreis derart beschränkt, dass nur der Ehegatte, der Verwalter oder ein weiterer Miteigentümer bevollmächtigt werden darf. Auch wenn Vertreterklauseln als Ausnahme eng aus- zulegen sind, fällt auch der nichteheliche Lebensgefährte unter den Begriff des „Ehegatten“ und ist daher zuzulassen. Die Beschränkung darf jedoch nicht der- art weitreichend sein, dass dem Eigentü- mer kaum noch eine Wahl bleibt, sein Stimmrecht auszuüben, wenn er selbst nicht anwesend sein kann. Darf beispiels- weise nur der Verwalter bevollmächtigt werden, ist die Regelung als unwirksam zu betrachten, so dass es bei dem Grund- satz verbleibt, dass sich der Eigentümer durch jede beliebige Person vertreten

lassen kann. Umfasst die Regelung die Vertretung durch „naheAngehörige, näm- lich Ehegatten und Kinder“, sind hiervon sowohl Eltern umfasst als auch Gesell- schafter oder Mitarbeiter einer Gesell- schaft. In Einzelfällen kann es den übrigen Ei- gentümern verwehrt sein, sich auf die Vertreterklausel zu berufen. Ist in der Vergangenheit beispielsweise stets der Sohn eines Eigentümers zugelassen wor- den und stellt der Verwalter nach einem Blick in die Gemeinschaftsordnung fest, dass nur der Verwalter, ein Ehegatte oder weitere Eigentümer vertreten dürfen, kann dem Sohn die Teilnahme und das Stimm- recht nicht verwehrt werden, wenn der Verwalter in der Einladung nicht aus- drücklich und deutlich darauf hingewie- sen hat, dass es eine geänderte „Praxis“ gibt. Andernfalls wäre es treuwidrig, ohne Vorwarnung eine jahrelange Übung auf- zugeben, da hierdurch das Kernrecht des Eigentümers zur Teilnahme an der Ver- sammlung unbillig eingeschränkt werden würde. Es ist zwar die Begrenzung des Perso- nenkreises in der Frage, wer als Vertreter zugelassen werden darf zulässig. Aller- dings steht es dem Eigentümer frei, sich von mehreren Personen vertreten zu las- sen. Der Eigentümer kann daher nicht nur einen, sondern mehrere Vertreter auf die Versammlung schicken, die jedoch eine einheitliche Stimmenabgabe ausüben müssen (vgl. BGH v. 30.03.12 –V ZR 178/11). Keine Anwendung findet die Einschrän- kung des Personenkreises auf gesetzliche Vertretungen wie Testamentsvollstrecker, Zwangs-, Insolvenz- oder Nachlassver- walter. Steht das Wohnungseigentum mehreren Eigentümern zu, so besteht für alle ein Teilnahmerecht. Die Stimmenabgabe kann jedoch nur einheitlich ausgeübt werden. Bei Ehegatten ist ohne ausdrückliche Re- gelung in der Gemeinschaftsordnung nicht davon auszugehen, dass sie sich wech- selseitig ohne Vollmachtserteilung ver-

treten (vgl. BGH v. 19.07.13 – V ZR 109/12).

2. Formerfordernis der Vollmacht Die Vollmachtserteilung ist gemäß § 167 Abs. 2 BGB grundsätzlich formfrei, mit- hin auch mündlich, möglich. Auch hier wird jedoch in vielen Gemeinschaftsord- nungen Textform oder gar Schriftform gefordert. Die Textform lässt ein Fax, E-Mail, SMS, Whatsapp o. ä. ausreichen, während die Schriftform eine eigenhän- dige Unterzeichnung desVollmachtgebers voraussetzt. Diese Vorgaben sind vom Verwalter zwingend zu beachten. Enthält die Gemeinschaftsordnung keine Regelung, so bedarf es keiner bestimmten Form der Vollmachtserteilung. Problema- tisch ist jedoch das in § 174 S. 1 BGB verankerte Zurückweisungsrecht. Wird die ordnungsmäßigeVollmachtserteilung auf der Versammlung gerügt, muss der Nachweis geführt werden, dass eine sol- che erteilt worden ist. Dies ist nur durch die Vorlage der Originalvollmacht, daher einer schriftlichen Vollmacht möglich. Liegt eine solche dem Verwalter auf der Versammlung nicht vor, so ist er gut be- raten, die Stimmenabgabe nicht zuzulas- sen (vgl. LG Frankfurt a.M. v. 05.08.15 - 2-13 S 32/13). Das Recht zur Einsichtnahme in dieVoll- machten und die Rüge des Vorliegens einer Vollmacht im Original nach § 174 S.1 BGB steht jedem Eigentümer zu und ist nicht nur dem Versammlungsleiter vorbehalten (vgl. LG Frankfurt a.M. v. 08.04.15 – 2-13 S 35/13) 3. Teilnahme Dritter / Berater Der Verwalter hat immer den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit zu beachten, um den Eigentümern eine von Einflüssen außenstehender Dritter unbeeinflusste Meinungsbildung zu ermöglichen. Gleich- wohl ist es in Einzelfällen zulässig, einem Eigentümer die Teilnahme eines Dritten (Dolmetscher, Rechtsanwalt etc.) zu ge- statten, sofern sachliche Gründe die Teil- nahme des Dritten rechtfertigen, wie etwa Sprachbarrieren, hohes Alter, Gebrech- lichkeit etc.

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Soll ein Rechtsanwalt, Sachverständiger oder sonstiger Berater alle Eigentümer informieren, kann im Rahmen eines Ge- schäftsordnungsbeschlusses die Teilnah- me durch die anwesenden Eigentümer genehmigt werden (LG München I v. 29.01.15 – 36 S 2567/14). 4. Folgen fehlerhafter Vertretung Ist eine Stimmenabgabe mangels wirk- samer Bevollmächtigung als unwirksam

zu betrachten, so leidet der Beschluss an einem formellen Mangel und unterliegt der Möglichkeit der Anfechtung nach § 46WEG. Das Gericht ist jedoch gehal- ten, den Beschluss nur dann aufzuheben, sofern der formelle Mangel, also die feh- lerhafte Stimmenabgabe, Einfluss auf das Abstimmungsergebnis genommen hat. Ist die Stimme daher für das Ergebnis des Beschlusses nicht entscheidend, wird auch die Klage keinen Erfolg haben.

Selbstverständlich muss der Verwalter immer darauf achten, ob die erteilte Voll- macht zur Vertretung berechtigt und die Abgabe der Stimme daher zulässig ist. Sollte die abgegebene Stimme jedoch das sogenannte „Zünglein an derWaage“ sein, ist besondere Sorgfalt des Verwalters ge- fragt, um eine Haftung für dieAbfassung eines mangelhaften Beschlusses zu ver- meiden.

››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RA Rüdiger Fritsch Videoüberwachung in WEG-Anlagen Nicht nur eine Frage des Datenschutzes – Teil I

Anlage befugt ist, eigenständig eineVideo- überwachung durchzuführen.

lichen Bedenken begegnet, insbesondere verfassungs-, wohnungseigentums- sowie datenschutzrechtlicher Natur. Dabei können diese grundsätzlichen Be- denken jedoch im Einzelfall ausnahms- weise zurücktreten, sofern eine hinrei- chende grundrechtliche Rechtfertigung der Videoüberwachung vorliegt, diese im Rahmen der Grundsätze einer ordnungs- gemäßenVerwaltung des Gemeinschafts- eigentums erfolgt und die Anlage in da- tenschutzrechtlich unbedenklicher Weise betrieben wird. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Betrieb einer Videoüberwachungsanlage nur unter Beachtung der Grundrechte zulässig ist, da das sog. Recht am eigenen Bild als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts i.S.d. Art. 1, 2 Grundgesetz (GG) einem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz unterliegt. a) Das Recht am eigenen Bild beinhaltet die Befugnis einer jeden Person, frei zu ent- scheiden, ob, wie, wann und durch wen von ihr Bildnisse angefertigt und wie diese verwendet werden (vgl.: BGH, Urt. v. 25.4.1995 –VI ZR 272/94, NJW 1995, 3. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

Die Eigentümer mancher Wohnungsei- gentumsanlage haben mit zunehmendem Vandalismus, Beschädigung oder Verun- staltung ihres gemeinschaftlichen Eigen- tums, Einbrüchen und Diebstählen zu kämpfen. Betroffen sind überwiegend leicht zugängliche, aber schwer kontrol- lierbare Bereiche wie Hauseingangsan- lagen, Aufzüge und Tiefgaragen. In sol- chen Fällen wird oft der Ruf nach einer gemeinschaftlichenVideoüberwachungs- anlage laut. Umgekehrt ist bei manchem Bewohner (Eigentümer oder Mieter) angesichts ei- nes sich allgemein verschlechternden subjektiven „Sicherheitsgefühls“ dieVer- suchung groß, das Sondereigentum oder gar Bereiche des Gemeinschaftseigentums zu „überwachen“. In diesem Beitrag soll in Teil I daher am Beispiel einer gemeinschaftlichen Tief- garage dargestellt werden, unter welchen Voraussetzungen eine Wohnungseigen- tümergemeinschaft die Möglichkeit hat, im Bereich gemeinschaftliche Anlagen und Einrichtungen eineVideoanlage recht- mäßig zu installieren und zu betreiben. In Teil II wird der Frage nachgegangen, ob und unter welchen Voraussetzungen der einzelne Eigentümer oder Mieter der

1. Der Ausgangsfall Die Wohnungseigentümergemeinschaft X-Straße besitzt eine Tiefgaragenanlage mit etlichen als eigenständige Teileigen- tumseinheiten ausgebildeten PKW-Stell- plätzen im Untergeschoss des Objekts, die über eine Zufahrtsrampe mit Rolltor sowie durch verschiedene Durchgangs- schleusen im Keller zugänglich ist. Dabei sind die einzelnen Tiefgaragenstellplätze mit seitlichen Maschengittern voneinan- der abgegrenzt und mit ebensolchen Git- tertüren versehen. In letzter Zeit wurde mehrfach bei verschiedenen Stellplätzen eingebrochen. Hierbei wurden die Gitter aufgeschnitten, verschiedene Gegenstän- de entwendet und nicht unerheblicher Sachschaden an den abgestellten Fahr- zeugen angerichtet. Der oder die Täter konnten trotz aller Anstrengungen nicht ermittelt werden. DieWohnungseigentü- mergemeinschaft erwägt nun, die Tiefga- rage mit einer Videoüberwachungsanlage zu versehen. 2. Die rechtlichen Hürden Voranzustellen ist, dass die Installation einer Videoüberwachungsanlage, insbe- sondere einer solchen, die Bildaufzeich- nungen fertigt, nicht unerheblichen recht-

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1955). Hieraus folgt zugleich alsAbwehr- recht, in negativer Hinsicht von nicht autorisierten Foto- oder Filmaufnahmen oder sonstigenAufzeichnungen der eige- nen Person verschont zu bleiben. Insofern steht denWohnungseigentümern und ihren Angehörigen, aber auch jedem Dritten, also auch Mietern und anderen Personen, die nicht Mitglied der Woh- nungseigentümergemeinschaft sind (z.B. Hausmeistern, Handwerkern, Besuchern, etc.), das grundrechtlich geschützte Recht zu, nicht von einer Videoüberwachungs- anlage gegen ihrenWillen aufgenommen zu werden. Der Betrieb einer Videoüber- wachungsanlage stellt somit zunächst einen grundsätzlich unerlaubten Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, sofern die Überwachung nicht mit dem ausdrücklich erklärten Einverständ- nis sämtlicher potentiell Betroffenen erfolgt. Bei der Videoüberwachung allgemein zugänglicher Bereiche eines Gebäudes, wie hier einer Tiefgaragenanlage, die ih- rer Nutzungsart nach einer Vielzahl un- terschiedlicher Personen offensteht, wird es praktisch nicht gelingen, deren aus- drückliches, gar schriftlich dokumentier- tes Einverständnis zu erhalten. b) Dabei sind allerdings die ebenso grund- rechtlich geschützten Belange der Woh- nungseigentümer zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn konkrete erheb- liche rechtswidrige Angriffe auf deren Sonder- und Gemeinschaftseigentum abzuwehren sind. So ergibt sich aus Art, 1, 2 u. 14 GG i.V.m. §§ 823 Abs. 1 u. 2, 1004 BGB, dass insbesondere auch der Schutz des (Privat-)Eigentums verfas- sungsrechtlichen Rang genießt. Somit kann grundsätzlich von einem schutzwürdigen Interesse der Wohnungs- eigentümergemeinschaft an der Verhin- derung von Beeinträchtigungen des Son- der- und Gemeinschaftseigentums aus- gegangen werden, da durch die geschil- derten Einbruchdiebstähle und Sachbe- schädigungen nicht ein nur vernachläs- sigbarer Schaden angerichtet wurde. c) Ersichtlich kollidieren im vorliegenden Fall somit zwei Grundrechte im Verfas- sungsrang, zum einen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art 1, 2 GG

und zum anderen das Eigentumsschutz- recht aus Art. 14 GG.

Ansehung der überlassenen Schlüssel eine besondere Sorgfalts- und Obhuts- pflicht trifft (vgl.: BGH, Urt. v. 5.3.2014 – VIII ZR 205/13, ZMR 2014, 626). So- weit im vorliegenden Fall Anlass zur Annahme besteht, dass die Einbruchdieb- stähle durch das Abhandenkommen von Schlüsseln bzw. durch deren missbräuch- lichen Verwendung begünstigt wurden, kann zunächst u.a. zu erwägen sein, aus Sicherheitsgründen die Schließzylinder der Zugänge zur Tiefgaragenanlage aus- zuwechseln (vgl.: BGH, Urt. v. 5.3.2014 – VIII ZR 205/13, ZMR 2014, 554; LG Berlin, Urt. v. 2.5.2000 – 64 S 551/99, ZMR 2000, 535). Dabei ist jedoch auch zu beachten, dass im Falle einer etwa vorhandenen zentra- len Schließanlage hierdurch nicht uner- hebliche Kosten entstehen, die in keinem angemessenen Verhältnis zu dem erziel- baren Erfolg stehen können, sofern ein Eindringen Unbefugter auf anderemWege nicht ausgeschlossen werden kann oder die Verursacher der Eigentumsstörungen im Kreise der Bewohner oder sonstigen Nutzer der Anlage zu vermuten sind. bb) Ferner ist nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung, sofern die o.g. vorrangig zu ergreifenden sonstigen Vorsorge- und Schutzmaßnahmen ohne Erfolg bleiben, zu erwägen, ob nicht durch die Installa- tion der Attrappe einer Videokamera oder gleichwertigeAbschreckungsmaßnahmen der verfolgte Zweck ebenso erreicht wer- den kann (vgl.: Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 22 Rn. 285). Zu beachten ist dabei jedoch, dass hier vertretener Auffassung nach auch die Installation einer Attrappe einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt, also ebenfalls nicht ohne wei- teres zulässig ist. Zwar wird das allgemeine Persönlich- keitsrecht der möglicherweise Betroffenen im Falle des Vorliegens einer bloß hypo- thetischen Möglichkeit einer Überwa- chung nicht unmittelbar beeinträchtigt (vgl.; BGH, Urt. v. 21.10.2011 – V ZR 265/10, NZM 2012, 239; BGH, Urt. v. 16.3.2010 - VI ZR 176/09, NJW 2010, 1533), ein Eingriff in das allgemeine Per- sönlichkeitsrecht liegt aber nicht erst dann vor, wenn tatsächlich eine Videoüberwa- chung erfolgt, sondern schon dann, wenn aufgrund konkreter Umstände der Ein-

Stehen sich mehrere einander widerspre- chende Grundrechte gegenüber, so ist eine sog. Rechtsgüterabwägung vor- zunehmen. Das heißt, das eine rechtliche Entscheidung darüber zu treffen ist, welchem der angesprochenen grundsätz- lich gleichrangigen Grundrechte aufgrund überwiegender Schutzwürdigkeit im konkreten Einzelfall der Vorrang einzu- räumen ist. Dabei ist allem der Grundsatz der Ver- hältnismäßigkeit zu beachten. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann das Interesse des Grundstückseigentümers am Schutz seiner Rechte die schutzwür- digen Belange der von einer Videoüber- wachung Betroffenen nur dann überwie- gen, wenn eine Videoüberwachung des Grundstücks bzw. des Gebäudes zu Ab- wehr von konkret zu befürchtenden wei- teren Straftaten gegen das Gemeinschafts- eigentum bzw. dessen Bewohner ihrer Art und ihrem Umfang nach zwingend not- wendig ist. d) Zwingend notwendig ist eine Videoüber- wachung dem Grunde nach nur dann, wenn diese als letztes Mittel der Woh- nungseigentümer anzusehen ist, ihr Eigentum zu schützen. Dies bedeutet, dass die betroffenenWohnungseigentümer zu- vor erfolglos versucht haben müssen, durch andere Maßnahmen, insbesondere solche mit einer geringeren Eingriffsintensität, ihr Eigentum zu schützen, bevor gegebe- nenfalls durch eineVideoüberwachung in Grundrechte eingegriffen wird. Denkbar sind hierzu z.B. Schutzmaßnahmen durch verstärkte Kontrollen des betroffenen Be- reichs durch den Hausmeister oder ein Bewachungsunternehmen sowie andere Vorsorge- oder Schutzmaßnahmen, wie etwa die Sorge dafür, dass die Zugänge zu den betroffenen Bereichen geschlossen gehalten werden sowie das Installieren oder Auswechseln von Schlössern. aa) Bei der Tiefgarage einer Wohnungseigen- tumsanlage, die mit grundsätzlich ge- schlossenen Tor- sowie Türanlagen ver- sehen sein dürfte, handelt es sich um einen grundsätzlich nicht öffentlich zu- gänglichen Bereich, der augenscheinlich nur Personen offensteht, denen ein Schlüs- sel ausgehändigt wurde und welchen in

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druck erzeugt wird, es finde eine solche statt (vgl.: LG Bonn, Urt. v. 16.11.2004 – 8 S 139/04, NZM 2005, 399; LG Düs- seldorf, Urt. v. 28.11.2013 – 19 S 25/13, ZWE 2015, 30; a.A.: LG Frankfurt/M., Beschl. v. 11.11.2013 – 2-13 S 24/13, ZWE 2014, 98; Jennißen/Heinemann, WEG, 6. Aufl. 2019, § 21 Rn. 110). Gleichwohl stellt die Installation der At- trappe einer Videokamera einen vorrangig zu bedenkenden, da weniger intensiven Eingriff in das allgemeine Persönlich- keitsrecht dar, da die Möglichkeit einer Beobachtung oder der Fertigung von Bildaufzeichnungen objektiv nicht besteht. cc) Bevor die Wohnungseigentümer im vor- liegenden Fall die Installation einer Vi-

deoüberwachungsanlage erwägen, wäre also vorrangig zu überlegen, ob die o.g. Maßnahmen überhaupt und ohne mess- baren Erfolg ergriffen wurden. e) Sollten diese Voraussetzungen vorliegen, so ist weiter für die Zulässigkeit einer Vi- deoüberwachungsanlage zu bedenken, ob der örtliche, zeitliche und sachliche Umfang der Überwachung zulässig ist. Denn nach dem anzulegenden Maßstab der Verhält- nismäßigkeit müssen sichArt und Umfang der Überwachung auf das Notwendige beschränken (vgl.: Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 22 Rn. 285b). aa) Dies bezieht sich zum einen auf die räum- liche Reichweite der Überwachung und

zum anderen unter dem Gesichtspunkt der Eingriffsintensität auf die Art und Weise derenAusgestaltung in technischer Hinsicht. So ist zu unterscheiden zwischen (einer eher zulässigen) Überwachungsanlage, die die bloße Beobachtung eines eng be- grenzten Bereichs für nur kurze Zeit bzw. keine dauerhaften Bildaufzeichnungen ermöglicht (vgl.: BGH, Urt. v. 8.4.2011 - V ZR 210/10, ZMR 2011, 374) und solchen (einer eher unzulässigen), die allgemein zugängliche Bereiche weitge- hend erfasst und dabei dauerhafte Bild- aufzeichnungen ermöglicht (vgl.: OLG Köln, Beschl. v. 9.5.2007 – 16Wx 13/07, ZMR 2008, 559). So kann eine beschränkte Überwachung nur des Hauseingangsbereichs zur Ver-

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f) In grundrechtlicher Hinsicht gilt es also sicherzustellen, • dass mögliche vorrangige Schutz- oder Vorsorgemaßnahmen geringerer Ein- griffsintensität, insbesondere die Instal- lation der Attrappe einer Videokamera oder sonstige Abschreckungsmaßnah- men erfolglos ergriffen wurden, • dass die räumliche Ausdehnung des überwachten Bereichs auf das Notwen- dige beschränkt wird (z.B. auf den Ein- gangs-/Torbereich), • dass die Fertigung dauerhafter Bildauf- zeichnungen auf ein Mindestmaß be- schränkt wird. 4. Wohnungseigentumsrechtliche Vo- raussetzungen Ferner muss die Installation einer Video- überwachungsanlage in wohnungseigen- tumsrechtlicher Hinsicht den Grundsätzen ordnungsmäßigerVerwaltung entsprechen. a) Die Regeln für den Betrieb einer Video- überwachungsanlage müssen durch Be- schluss der Wohnungseigentümerver- sammlung verbindlich festgelegt werden, damit der Umfang der Überwachung und ihre Bedingungen für jeden transparent und jederzeit verifizierbar sind (vgl.: BGH Urt. v. 24.05.2013 - V ZR 220/12, ZWE 2013, 363). Hierzu reicht, auch bei einstimmigem Beschluss, das Interesse an einer Effizi- enz der Verwaltung allein nicht aus. Das Gemeinschaftsinteresse an der Überwa- chung muss mit den Interessen einzelner Wohnungseigentümer und betroffener Dritte ausdrücklich (zu Protokoll) abge- wogen werden (vgl.: Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 22 Rn. 285a). Ausdrücklich durch Beschluss zu regeln sind insbesondere die konkreten Zwecke der Überwachung, die Begrenzung des Umfangs der Überwachung auf den wirk- lichen Bedarf, der Umfang der Aufzeich- nungen, die Dauer ihrer Aufbewahrung, der Zugang zu den Aufzeichnungen, de- renVerwendung sowie die Kontrolle und Sicherstellung dieser Vorgaben (vgl.: KG, Beschl. v. 26.6.2002 - 24W 309/01, ZMR 2002, 864).

meidung von Straftaten eher zulässig sein, eine darüber hinausgehende Überwachung des gesamten Treppenhauses einschließ- lich der Wohnungstüren aber nicht, da dies für die Verhinderung von Straftaten durch Unbefugte nicht zwingend notwen- dig ist (vgl.: BGH, Urt. v. 24.05.2013 - V ZR 220/12, ZWE 2013, 363). Beim Einbau einer Videoüberwachungs- anlage muss ferner sichergestellt sein, dass weder angrenzende öffentliche Be- reiche noch benachbarte Grundstücke oder ein gemeinsamer Zugang zu diesen erfasst wird, sofern nicht ein das Persön- lichkeitsrecht der Betroffenen überwie- gendes Interesse des Betreibers der An- lage im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann (vgl.: BGHUrt. v. 24.05.2013 - V ZR 220/12, ZWE 2013, 363). bb) Mit Blick auf eine Tiefgaragenanlage ist somit zu bedenken, dass sich eine Video- überwachung nicht auch auf den Bereich der im Sondereigentum stehenden Tiefga- ragenstellplätze erstrecken darf. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Wohnungseigen- tümergemeinschaft nicht befugt ist, das Sondereigentum zu überwachen. Hierzu fehlt dieVerwaltungs- und Beschlusskom- petenz, da die Überwachung des Sonderei- gentum (entsprechendes gilt für Sonder- nutzungsrechte) ausschließlich Sache des jeweiligen Sondereigentümers ist (vgl.: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.1.2007 – I-3 Wx 199/06, MDR 2007, 946; OLG Mün- chen, Beschl. v. 11.3.2005 – 34Wx 002/05, NZM 2005, 668; AG Hamburg-Blanke- nese, Urt. v. 9.1.2013 – 539 C 7/12, ZMR 2014, 59; Jennißen/Hogenschurz, WEG, 5. Aufl. 2017, § 14 Rn. 4c). Auch ist für den Fall der Videoüberwa- chung einer Tiefgaragenanlage zu beden- ken, dass es sich um einen allgemein zugänglichen Bereich handelt, der zur zweckbestimmungsgemäßen Nutzung zwangsweise von allen möglichen Perso- nen, nicht nur Wohnungseigentümern, betreten wird und dabei einer Videoüber- wachung in der Regel nicht ausgewichen werden kann. Eine weder räumlich noch vom Umfang her begrenzte Videoüberwachung des gesamten Tiefgaragenbereichs begegnet daher insbesondere nach der Rechtsauf- fassung des LG München I erheblichen rechtlichen Bedenken (vgl.: LGMünchen I, Beschl. v. 11.11.2011 - 1 S 12752/11 WEG, ZWE 2012, 233).

ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die unter obiger Ziff. 3. genannten grund- rechtsschützendenVoraussetzungen vor- liegen. b) Ferner ist in wohnungseigentumsrechtli- cher Hinsicht zu beachten, dass die Mon- tage von Videokameras als bauliche Ver- änderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG, etwa durch eine erhebliche optische Verände- rung der Anlage (z.B. Montage von Ka- meras auf Masten), grundsätzlich der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf, sofern diese über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden, (vgl.: BGH, Urt. v. 24.05.2013 -VZR 220/12, ZWE 2013, 363; BayObLG, Beschl. v. 23.5.1996 – 2Z BR 19/96, ZMR 1996, 507; Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 22 Rn. 285). Optisch unauffällige Videokameras, die rechtmäßigerweise installiert werden, bedeuten indes keine über das in § 14 Nr. 1WEG hinausgehende Beeinträchtigung unter dem Gesichtspunkt einer baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums (vgl.: Staudinger/Lehmann-Richter, WEG (2018), § 22 Rn. 75). c) Ferner gehört es zu den Grundsätzen ord- nungsmäßiger Verwaltung, dass die Vor- gaben des Datenschutzrechts (DSGVO und BDSG) beachtet werden, auf die nachfolgend noch näher eingegangen wird (vgl.: OLG Köln, Beschl. v. 9.5.2007 – 16 Wx 13/07, ZMR 2008, 559). d) Insbesondere ist auch darauf hinzuweisen, dass dann, wenn der mit der Videoüber- wachung verfolgte Zweck erreicht wird, z.B. keine Einbruchsdiebstähle mehr verzeichnet werden, die Anlage wieder zu entfernen, zumindest aber stillzulegen ist (vgl.: BGH, Urt. v. 24.05.2013 - V ZR 220/12, ZWE 2013, 363; Jennißen/ Heinemann, WEG, 6. Aufl. 2019, § 21 Rn. 110). e) Wird eine Videoüberwachung ohne Be- achtung dieser Vorgaben beschlossen, ist streitig, ob der betreffende Beschluss bloß rechtswidrig ist, also mangelsAnfechtung in Bestandskraft erwachsen kann (vgl.: Schmidt-Räntsch, ZWE 2013, 429), oder nichtig, d.h. von vornherein rechtsun- wirksam ist. Hier vertretener Auffassung

Dabei entspricht eine Beschlussfassung insbesondere nur dann den Grundsätzen

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nach ist ein solcher Beschluss wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB nichtig (vgl.: Bärmann/ Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 22 Rn. 287). Ungeachtet einer möglichen Be- standskraft des Beschlusses steht aber ohnehin jedem Betroffenen das Recht zu, die Stilllegung der rechtswidrigenVideo- überwachungsanlage durchzusetzen (vgl.: BGH Urt. v. 24.05.2013 - V ZR 220/12, ZWE 2013, 363). 5. Datenschutzrechtliche Aspekte Die am 25.5.2018 in Kraft getretene Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union stellt als Rechts- verordnung unmittelbar geltendes natio- nales Recht dar. Zeitgleich ist ergänzend das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) in neuer Fassung in Kraft getreten. Die Datenschutzbestimmungen der DSGVO und des BDSG regeln, ob und wie sog. personenbezogene Daten erhoben, ver- arbeitet, gespeichert, genutzt und an Dritte übermittelt werden dürfen. Dabei liegt es auf der Hand, dass die Installa- tion einer Videoüberwachungsanlage, insbesondere einer solchen, die eine dauerhafte Bildaufzeichnung ermöglicht, die Erhebung, Verarbeitung, Speicherung, Nutzung sowie Weitergabe personenbe- zogener Daten betrifft. a) Die Vorschriften des Datenschutzrechts gelten dabei nicht nur gegenüber staat- lichen oder mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Einrichtungen, sondern auch für jede Person des Privatrechts, gleich ob natürliche oder juristische Person und gleich, ob zu gewerblichen oder nichtgewerblichen Zwecken tätig. Die datenschutzrechtlichen Vorschriften sprechen denjenigen, auf dessenVeran- lassung personenbezogene Daten erho- ben, verarbeitet, gespeichert, genutzt oder an Dritte weitergeben werden, als sog. „Verantwortlichen“ an. Die Woh- nungseigentümergemeinschaft als rechtsfähiger Verband i.S.d. § 10 Abs. 6 WEG ist daher als Verantwortlicher im Sinne der DSGVO sowie des BDSG anzusehen. b) Damit hat die Wohnungseigentümerge- meinschaft, welche eine Videoüberwa- chungsanlage betreibt, zunächst sicher- zustellen, dass die allgemeinenAnforde- rungen des Datenschutzrechts erfüllt werden.

Dabei ist durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass:

Behandlung gefertigter Bildaufzeichnun- gen, gerade was die Dauer der Speiche- rung, deren Löschung sowie den Zugriff auf die Daten anbetrifft, kann eine Woh- nungseigentümergemeinschaft nur durch die Einschaltung eines Datenschutzbe- auftragten sowie eines spezialisierten Datenschutzunternehmens sicherstellen. Mit diesem ist ein datenschutzkonformer sog. Auftragsdatenverarbeitungsvertrag abzuschließen, da dieWohnungseigentü- mergemeinschaft sicherzustellen hat, dass durch den externen Dienstleister die Vor- schriften des Datenschutzrechts einge- halten werden. Insbesondere was den Zugriff auf Bildaufzeichnungen sowie deren Weitergabe anbetrifft, entspricht regelmäßig nur ein Zugriff durch Straf- verfolgungsbehörden dem Datenschutz, nicht aber ein Zugriff der einzelnenWoh- nungseigentümer auf die Daten (vgl.: Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 22 Rn. 285b). 6. Fazit zu Teil I Ersichtlich ist die Einrichtung einer Vi- deoüberwachungsanlage für Wohnungs- eigentümergemeinschaften mit etlichen, aber überwindbaren Hürden versehen. Fraglich ist in diesem Zusammenhang aber, ob die Wohnungseigentümer mit Blick auf die entstehenden nicht uner- heblichen Kosten nicht zu anderen Mitteln greifen werden.

• für die Erhebung, Verarbeitung, Spei- cherung, Nutzung oder Übermittlung von personenbezogenen Daten grund- sätzlich eine Einwilligung des Betrof- fenen vorliegt, die, wie nachfolgend gesondert ausgeführt, ersetzt werden kann, • in allgemeiner Form und für jedermann zugänglich eine sog. Datenschutzerklä- rung zur Verfügung gestellt wird, • auf Verlangen des Betroffenen diesem vom Verantwortlichen Auskunft über die verfügbaren Daten, deren Herkunft, dem Zweck der Verarbeitung und dessen Rechtsgrundlage, die Empfänger wei- tergeleiteter Daten sowie die Speicher- dauer bzw. die Speicherkriterien erteilt wird, • durch geeignete technische und organi- satorische Maßnahmen (TOM) Daten- schutz und Datensicherheit gewährleistet werden (vgl.: Art. 24 ff. DSGVO i.V.m. §§ 24, 25, 64 – 74 BDSG). c) Beim Betrieb einer Videoüberwachungs- anlage, die allgemein zugängliche Räume wie eine Tiefgaragenanlage überwacht, sind zusätzlich die Vorschriften des § 4 BDSG zu beachten. Hiernach ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Ein- richtungen (Videoüberwachung) nur zu- lässig, soweit sie u.a. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret fest- gelegte Zwecke erforderlich ist und kei- ne Anhaltspunkte bestehen, dass schutz- würdige Interessen der Betroffenen über- wiegen. Der Umstand der Beobachtung und der Name und die Kontaktdaten des Verantwortlichen sind durch geeignete Maßnahmen zum frühestmöglichen Zeit- punkt erkennbar zu machen (Hinweista- feln/Aufkleber!). Die gewonnenen Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige In- teressen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen. d) Die Einhaltung der besonderenVorschrif- ten des Datenschutzrechts, insbesondere hinsichtlich der datenschutzkonformen

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››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von Massimo Füllbeck Die wichtigsten Fragen bei der Übernahme von Neubauprojekten in der WEG-Verwaltung – Teil 2 (Der erste Wirtschaftsplan)

Zur Sicherstellung der Liquidität und Bewirtschaftung der Wohnungseigentü- mergemeinschaft muss einWirtschaftsplan aufgestellt und durch die neu gegründete Wohnungseigentümergemeinschaft (oder „werdende“Wohnungseigentümergemein- schaft) mit einfacher Stimmenmehrheit verabschiedet werden. In § 28 Abs. 1 und 2 WEG steht: Der Verwalter hat jeweils für ein Kalen- derjahr einenWirtschaftsplan aufzustellen. Der Wirtschaftsplan enthält: 1. die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben bei der Verwaltung des ge- meinschaftlichen Eigentums, 2. die anteilmäßige Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Lasten- und Kostentragung, 3. die Beitragsleistung der Wohnungsei- gentümer zu der in § 21 Abs. 5 Nr. 4 vorgesehenen Instandhaltungsrückstel- lung. Grundsätzlich gibt es zwischen demWirt- schaftsplan einer „neuen“ und einer bereits bestehenden Wohnungseigentümerge- meinschaft keine wesentlichen Unter- schiede. Allerdings fehlen bei der gegrün- detenWohnungseigentümergemeinschaft Erfahrungswerte hinsichtlich der voraus- sichtlichen Einnahmen und Ausgaben. Wie können die Einnahmen und Aus- gaben vernünftig kalkuliert werden? Folgende Vorarbeiten können zur Erstel- lung des erstenWirtschaftsplanes durch- geführt werden:

• Konkrete Angebote von Dienstleistern (Hausmeister, Treppenhausreinigung, Winterdienst, Gartenpflege etc.) einholen. • Konkrete Angebote für verschiedene Wartungsarbeiten oder vom Gesetz vor- geschriebene Maßnahmen einholen (z. B. Wartung Aufzug, Wartung Tiefga- ragentor, Wartung Rauchwarnmelder in der Wohnung oder im Gemeinschaftsei- gentum, Durchführung der Legionellen- prüfung, Erstellung Heizkostenabrech- nung und Miete der Erfassungsgeräte von Messdienstleistern etc.) einholen. • Überprüfung der bestehendenVersiche- rungsverträge und ggf. Einholung von Angeboten zumAbschluss einer neuen Wohngebäudeversicherung (+ Elemen- tarschadenversicherung), Haftpflicht- versicherung und ggf. weitereVersiche- rungen, wie Haftpflichtversicherung für den Verwaltungsbeirat etc.

• Bereits vorliegende Bescheide oder Sat- zungen von Kommunen verwenden (z. B. Berechnungen zu den Müllgebühren, Straßenreinigungsgebühr, Nieder- schlagswassergebühren etc.). • Zur Bildung der Instandhaltungsrückla- ge können im ersten Schritt die Werte des § 28 Instandhaltungskosten (Zweite Berechnungsverordnung II. BV) heran- gezogen werden: Als Instandhaltungs- kosten dürfen je Quadratmeter Wohn- fläche im Jahr angesetzt werden: für Wohnungen, deren Bezugsfertigkeit am Ende des Kalenderjahres weniger als 22 Jahre zurückliegt, höchstens 7,10 Euro. • Darüber hinaus kann der vomDeutschen Mieterbund (www.mieterbund.de) jähr- lich veröffentlichte Betriebskostenspie- gel herangezogen werden. Nachfolgend finden Sie den Betriebskostenspiegel für das Land NRW:

Juristische Fachautoren:

Information

Unsere Autoren

- Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Schwerpunkt: Wohnungseigentums- und Mietrecht sowie Makler- und Bauträgerrecht - Praktiker, Fachautor und Referent namhafter Tagungsveranstaltungen www.krall-kalkum.de RA Rüdiger Fritsch

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Hinweis: DieAufzählung dient lediglich dazu, eine seriöse Kostenschätzung vorzunehmen. Ob dieWohnungseigentümergemeinschaft die Dienstleister benötigt oder beauftragen möchte, muss in der ersten Wohnungsei- gentümerversammlung diskutiert und beschlossen werden. Bei einer neu gegründeten Wohnungsei- gentümergemeinschaft ergeben sich zu Beginn immer Liquiditätsprobleme. Zum einen ist während der Gründungsphase nicht immer klar, welche Ausgaben noch anfallen können und welcheWünsche die Wohnungseigentümer konkret haben und umsetzen und zum anderen werden die kalkulierten Gesamtkosten für ein Kalen- derjahr auf ein monatliches Hausgeld runtergebrochen, d. h. die Einnahmen sind jeden Monat gleichbleibend, während die Ausgaben unterschiedlich anfallen, wie folgende Tabelle verdeutlicht: Warum hat eine neu gegründete WEG immer Liquiditätsprobleme?

Es ist deutlich zu erkennen, dass sich das Konto der WEG in den ersten Monaten negativ entwickelt, was unzulässig ist. In der Praxis ist es unmöglich, die Steuerung der Ausgaben so vorzunehmen, dass die monatlichen Einnahmen und Ausgaben sich permanent ausgleichen. Hinzu kommt noch, dass alle Wohnungseigentümer pünktlich und auf den Cent genau das monatliche Hausgeld bezahlen müssen. Fazit: In der ersten Wohnungseigentümerver- sammlung sollte den Wohnungseigentü- mern die Situation erläutert und zeitgleich eine großzügige Sonderumlage (zur Li- quidität) beschlossen werden, damit Aus- gaben pünktlich und problemlos gezahlt werden können.

Da die Sonderumlage im Zuge der Er- stellung der ersten Jahresabrechnung als Hausgeldeinnahme berücksichtigt wird, ist davon auszugehen, dass nach Beschluss der Jahresabrechnung entsprechende Rückzahlungen an die Wohnungseigen- tümer erfolgen. Vorsorglich sei noch darauf hingewiesen, dass die in der vorgenannten Tabelle be- schriebenen Liquiditätsprobleme auch bei bestehenden Wohnungseigentümerge- meinschaften auftreten können (siehe hierzu BEIRATaktuell, Ausgabe 51, „Das ungeliebte Kind des WEG“ – Sonderum- lage).

In der nächsten Ausgabe: Die „erste“ Wohnungseigentümerversammlung

- Fachanwaltin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht WIR Jennißen & Partner mbB, Köln RAin Cathrin Fuhrländer

- Leiterin Vertrieb der MONTANA Energie- versorgung GmbH & Co. KG Linda Madir

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Weiterhin wirkten an dieser Ausgabe mit: Massimo Füllbeck

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