BeiratAktuell-52

››› Wohnungseigentumsrecht ‹‹‹ von RAin Cathrin Fuhrländer Darf er oder darf er nicht? Die Tücken der Vertretung in der Eigentümerversammlung

Jeder Verwalter kennt die knifflige Situa- tion, dass ein Nichteigentümer Einlass zur Versammlung begehrt und eine Ent- scheidung getroffen werden muss, ob der Einlass gewährt wird oder ob er sich den Unmut der Person zuziehen soll, indem er sie mit dem Hinweis der fehlenden Vollmacht des Saales verweist. Leider ist in der konkreten Situation sel- ten Zeit, sich intensiv mit dem Einzelfall zu beschäftigen, so dass eine gute Grund- kenntnis der Fallstricke der Vertretung für den Verwalter unerlässlich ist. Grundsätzlich ist die Vertretung nach §§ 164 ff. BGB sowohl formfrei als auch ohne Beschränkungen in der Wahl des Vertreters möglich, so dass ein Eigentü- mer z. B. auch den Briefträger des Hau- ses mündlich zur Teilnahme an der Ver- sammlung bevollmächtigen könnte. Die Praxis sieht jedoch in der Regel an- ders aus. In vielen Gemeinschaftsordnun- gen werden Beschränkungen aufgenom- men, die sowohl den Personenkreis des Vertreters einschränken, als auch die Form der Bevollmächtigung vorgeben. Die Kenntnis der Gemeinschaftsordnung ist daher zwingende Voraussetzung für den Verwalter, um über die Frage einer zu- lässigenVertretung entscheiden zu können. 1. Personenkreis Häufig wird der Personenkreis derart beschränkt, dass nur der Ehegatte, der Verwalter oder ein weiterer Miteigentümer bevollmächtigt werden darf. Auch wenn Vertreterklauseln als Ausnahme eng aus- zulegen sind, fällt auch der nichteheliche Lebensgefährte unter den Begriff des „Ehegatten“ und ist daher zuzulassen. Die Beschränkung darf jedoch nicht der- art weitreichend sein, dass dem Eigentü- mer kaum noch eine Wahl bleibt, sein Stimmrecht auszuüben, wenn er selbst nicht anwesend sein kann. Darf beispiels- weise nur der Verwalter bevollmächtigt werden, ist die Regelung als unwirksam zu betrachten, so dass es bei dem Grund- satz verbleibt, dass sich der Eigentümer durch jede beliebige Person vertreten

lassen kann. Umfasst die Regelung die Vertretung durch „naheAngehörige, näm- lich Ehegatten und Kinder“, sind hiervon sowohl Eltern umfasst als auch Gesell- schafter oder Mitarbeiter einer Gesell- schaft. In Einzelfällen kann es den übrigen Ei- gentümern verwehrt sein, sich auf die Vertreterklausel zu berufen. Ist in der Vergangenheit beispielsweise stets der Sohn eines Eigentümers zugelassen wor- den und stellt der Verwalter nach einem Blick in die Gemeinschaftsordnung fest, dass nur der Verwalter, ein Ehegatte oder weitere Eigentümer vertreten dürfen, kann dem Sohn die Teilnahme und das Stimm- recht nicht verwehrt werden, wenn der Verwalter in der Einladung nicht aus- drücklich und deutlich darauf hingewie- sen hat, dass es eine geänderte „Praxis“ gibt. Andernfalls wäre es treuwidrig, ohne Vorwarnung eine jahrelange Übung auf- zugeben, da hierdurch das Kernrecht des Eigentümers zur Teilnahme an der Ver- sammlung unbillig eingeschränkt werden würde. Es ist zwar die Begrenzung des Perso- nenkreises in der Frage, wer als Vertreter zugelassen werden darf zulässig. Aller- dings steht es dem Eigentümer frei, sich von mehreren Personen vertreten zu las- sen. Der Eigentümer kann daher nicht nur einen, sondern mehrere Vertreter auf die Versammlung schicken, die jedoch eine einheitliche Stimmenabgabe ausüben müssen (vgl. BGH v. 30.03.12 –V ZR 178/11). Keine Anwendung findet die Einschrän- kung des Personenkreises auf gesetzliche Vertretungen wie Testamentsvollstrecker, Zwangs-, Insolvenz- oder Nachlassver- walter. Steht das Wohnungseigentum mehreren Eigentümern zu, so besteht für alle ein Teilnahmerecht. Die Stimmenabgabe kann jedoch nur einheitlich ausgeübt werden. Bei Ehegatten ist ohne ausdrückliche Re- gelung in der Gemeinschaftsordnung nicht davon auszugehen, dass sie sich wech- selseitig ohne Vollmachtserteilung ver-

treten (vgl. BGH v. 19.07.13 – V ZR 109/12).

2. Formerfordernis der Vollmacht Die Vollmachtserteilung ist gemäß § 167 Abs. 2 BGB grundsätzlich formfrei, mit- hin auch mündlich, möglich. Auch hier wird jedoch in vielen Gemeinschaftsord- nungen Textform oder gar Schriftform gefordert. Die Textform lässt ein Fax, E-Mail, SMS, Whatsapp o. ä. ausreichen, während die Schriftform eine eigenhän- dige Unterzeichnung desVollmachtgebers voraussetzt. Diese Vorgaben sind vom Verwalter zwingend zu beachten. Enthält die Gemeinschaftsordnung keine Regelung, so bedarf es keiner bestimmten Form der Vollmachtserteilung. Problema- tisch ist jedoch das in § 174 S. 1 BGB verankerte Zurückweisungsrecht. Wird die ordnungsmäßigeVollmachtserteilung auf der Versammlung gerügt, muss der Nachweis geführt werden, dass eine sol- che erteilt worden ist. Dies ist nur durch die Vorlage der Originalvollmacht, daher einer schriftlichen Vollmacht möglich. Liegt eine solche dem Verwalter auf der Versammlung nicht vor, so ist er gut be- raten, die Stimmenabgabe nicht zuzulas- sen (vgl. LG Frankfurt a.M. v. 05.08.15 - 2-13 S 32/13). Das Recht zur Einsichtnahme in dieVoll- machten und die Rüge des Vorliegens einer Vollmacht im Original nach § 174 S.1 BGB steht jedem Eigentümer zu und ist nicht nur dem Versammlungsleiter vorbehalten (vgl. LG Frankfurt a.M. v. 08.04.15 – 2-13 S 35/13) 3. Teilnahme Dritter / Berater Der Verwalter hat immer den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit zu beachten, um den Eigentümern eine von Einflüssen außenstehender Dritter unbeeinflusste Meinungsbildung zu ermöglichen. Gleich- wohl ist es in Einzelfällen zulässig, einem Eigentümer die Teilnahme eines Dritten (Dolmetscher, Rechtsanwalt etc.) zu ge- statten, sofern sachliche Gründe die Teil- nahme des Dritten rechtfertigen, wie etwa Sprachbarrieren, hohes Alter, Gebrech- lichkeit etc.

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BEIRAT AKTUELL 52/III-19

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